Zuerst möchte ich dieses mal noch darauf hinweisen, dass sämtliche Texte geschrieben sind aus meiner Erinnerung heraus und auf der Grundlage meiner damaligen Notizen und Aufzeichnungen (150 Seiten). Das gilt für den ersten und diesen Bericht, und für alle die noch folgen werden. Ich schreibe die Dinge so wie ich sie erlebt, wahrgenommen und interpretiert habe, ergänzt habe ich sie durch eigene Einsichten und Erkenntnisse. Somit kann es sein, dass sich hier auch einmal ein Fehler einschleichen, oder etwas von den Menschen in Peru und im Dschungel nicht so gesehen, erlebt und interpretiert wird.

***

Drei Dinge haben meinen weiteren Alltag im Dschungel von Peru bestimmt und wesentlich beeinflusst, das alleine sein in meiner Hütte, meine Reinigungs- und Pflanzendiät und das Ayahuasca als solches. Reinigung wurde gross geschrieben, so jedenfalls kam es bei mir an und dazu gehörte auch, dass ich als allererstes eine Reinigungsmilch bekam, ein Baumlatex mit Namen ‚Oje‘. Dieser Latex sollte eine Reinigung meines Darms hervorrufen, böse Tierchen darin absterben lassen und somit einen Durchfall hervorrufen. Eingenommen habe ich das Glas Oje mit etwas frisch gepresstem Orangensaft und dann das Ganze in einem Zug getrunken. Es schmeckte nach nichts speziellem, etwas säuerlich-scharf, aber trinkbar. Alle 1/4 Stunde gab es ein Glas warmes Wasser dazu, insgesamt 3 Liter sollen es werden.

Ich würde nun gerne sagen, dass der Latex bei mir wunderbar gewirkt hat und ich innert kürzester Zeit loslassen konnte. Weit daneben! Zuerst gluckerten meine Därme zwar etwas, was ich als gutes Zeichen deutete, das war es dann aber auch für eine längere Zeit. Ich wurde gar immer unruhiger je länger es ging und einfach nichts geschah. Auf meine Frage ob denn immer und bei jedem etwas geschieht, erhielt ich zur Antwort, dass nur die Psychotiker das ohne Reaktion einstecken würden – na super, da war ich doch gleich ganz beruhigt! ……….. Von da an war es meine grösste Angst, dass gar nichts geschehen könnte und ich geriet innerlich unter Druck. (Scheu und zurückhaltend wie ich war, habe ich natürlich nicht nachgefragt ob es eine scherzhafte Antwort war. Allerdings gehe ich davon aus, dass die Antwort ernsthaft war, heute würde mich das Warum dazu interessieren.)

Aber nach und nach, zuerst nur ganz sanft, wurde mir übel und dann immer übler, aber erst etwa 2 1/2 Stunden nachdem ich den Milchlatex eingenommen hatte. Erster Brechreiz kam, würgen und spucken ohne Mageninhalt und dann nach dem nächsten Glas Wasser kam das Erbrechen wie ich wohl noch nie in meinem Leben erbrochen habe. Ich erbrach und erbrach, es wollte gar nicht mehr aufhören, ich spie Wasser und was immer noch in hohem Bogen von mir. Die nächsten zwei Glas Wasser erbrach ich gleich wieder nachdem ich sie tapfer ausgetrunken hatte, alles in allem kam eine Menge und Flüssigkeit aus mir, die ich gar nicht glaubte in mir haben zu können. Irgendwann war ich leer und erschöpft und zog mich in mein Dschungel-Häuschen zurück, wo ich fast auf der Stelle einschlief und erst nach zwei Stunden wieder erwachte.

***

So mancher könnte jetzt denken, dass er so etwas nie tun werde, schon gar nicht freiwillig, aber ich würde es sofort wieder machen. Damals hatte ich im Moment auch genug, war erschöpft und ein gewisser Sinn ging mir ab. Aber hinterher als ich wieder klarer denken und den ganzen Ablauf nochmals durchgehen konnte, bin ich mir sehr der übertriebenen Erziehung bewusst und gewahr geworden, die mir als Kind rigide angediehen worden ist. Das Oje hat dies lebendig an die Oberfläche meines Bewusstseins gebracht und dass diese rigiden Spannungen teilweise immer noch in meinem Körper steckten. Nur eine ‚Heilsubstanz‘ wie das Oje, etwas das ’stärker‘ war als die Spannung in mir, konnte das wieder ins Bewusstsein heben. Man verzeihe mir, dass ich diesbezüglich nicht etwas mehr ins Detail gehe, aber das ist mir dann doch etwas zu intim, es sei einfach angesprochen wieviel Scham und Beschränktheit mir vermittelt wurde, was die oralen, im speziellen aber die analen und genitalen Regionen betraf.

***

In meinem beruflichen Alltag wo ich heilend und medial tätig bin, staune ich immer wieder, welche Vorstellungen Menschen haben in Bezug auf mich und wie ich zu sein hätte. Einerseits wird oft geglaubt, dass Menschen wie ich nun fast allwissend und erleuchtet sein müssten, alles im Griff haben, denn die Geister und Gott stehen einem ja zur Seite und man bekommt alles vermittelt und gesagt. Probleme und Schwierigkeiten hat man somit keine mehr und alles fliegt einem nur so zu. Dinge dieser Art eben ……… Ich kann das den Menschen nicht übel nehmen, hatte ich doch in meinen Anfangszeiten ähnliche Vorstellungen und schaute damals unterwürfig zu den Medien, Heilern und Schamanen hoch.

Zwischenzeitlich und in all den vielen Jahren ist das natürlich anderes geworden, zu viele Heiler, Medien, Schamanen und andere mit tollen Bezeichnungen habe ich gesehen und persönlich getroffen. Wunderbare und sehr integere Menschen habe ich dabei kennen gelernt, aber auch einiges andere. Die wohl wichtigste Einsicht dabei ist für mich geworden, dass die meisten klein angefangen und sich alles erarbeiten mussten. Ganz gleich wie viele Erleuchtungsschritte geschehen sind, wie viele spirituelle Öffnungen stattgefunden haben, wie viele schamanische Tode gestorben sein mussten, zumeist bedeutet es viel Arbeit und einiges an Herausforderung für die Menschen die es betrifft.

***

Ich selbst bin mit einer relativ klaren inneren Absicht nach Peru gegangen, wollte Antworten und Heilung finden zu Themen, bei denen ich nicht mehr weiter kam. Immer wieder bin ich die Monate vorher ‚unerklärlich‘ krank geworden, in Abständen geriet ich immer wieder in Phasen an denen ich glaubte sterben zu müssen, Traumen meiner äusserst schmerzhaften Kindheit und Jugendzeit wollten trotz vielfältiger Bemühungen nicht weiter abheilen. Ausserdem erhoffte ich mir vertiefte Einsichten zu bekommen in meiner eigenen Arbeit mit Menschen und wollte Klarheit über meine weitere Ausrichtung im Leben.

Es war für mich wirklich der Übergang in eine zweite Lebenshälfte, ich hatte viel gute Arbeit geleistet in den letzten Jahren und war in gewissen Bereichen und was ich mir erarbeitet hatte zufrieden mit mir. Eine zweite Lebenshälfte baut sich aber immer auf der ersten Hälfte auf und da gab es in meinem Rucksack immer noch Dinge die unerledigt waren. Ausserdem ist es schlichtweg einfach so, dass jede Ebene und jede Stufe erneut erarbeitet, erkannt, integriert und vor allem umgesetzt sein will. ………… und hier, für diese zweite Lebenshälfte, dort wo ich im Moment stand, wie ich war und mit dem was ich mitbrachte, wünschte ich mir Antworten, Einsichten und Heilung.

***

Ab der Reinigung mit Oje war ich dann gleichzeitig auf Diät. Dies hiess, dass ich die meiste Zeit alleine in meiner Dschungelhütte war, erhielt täglich jedoch zwei mal eine einfache Nahrung bestehend aus Kohlenhydraten und Eiweiss. Die Kohlenhydrate bekam ich in Form von geschälten Kartoffeln, Kochbananen, Reis und Maniok, manchmal einzeln oder auch gemischt. Das Eiweiss in Form eines Fisches der selbst kein Fisch- und Fleischfresser war. Da ich es nicht gewohnt bin in meinem normalen Alltag häufig Fisch zu essen, bat ich darum, dass ich nur einmal pro Tag Fisch bekomme.

Das alles war natürlich ungewürzt, Reizstoffe wie Zucker, Salz und andere sind ausgeschlossen in dieser Diät. Ausserdem erfuhr ich zu meinem Erstaunen, dass der Koch in der Zeit wo ich auf Diät bin, ebenfalls möglichst ’sauber‘ lebt und in dieser Zeit auch keinen Sex hat. Dies, damit meine Nahrung möglichst sauber und rein ist und nicht durch unreine Energien ‚verschmutzt‘ wird. Mit allen anderen Menschen die innerhalb des Camps waren, weitere Besucher oder Arbeiter, hatte ich den Kontakt zu meiden. Einerseits geschah diese damit ich selbst ganz bei und mit mir bin und durch nichts abgelenkt werde, anderseits damit ich nichts ‚unreines‘ von aussen aufnahm. Allerdings mieden die Arbeiter nach Möglichkeit meine Nähe so oder so, denn es wird geglaubt, dass durch die immer grösser werdende Durchlässigkeit, die Wahrnehmungsfähigkeit des Diätierenden erhöht und dieser zum ‚Sehenden‘ wird – und wer wird schon gerne gesehen wie man wirklich ist.

(Letztes Jahr habe ich im Gespräch mit einem Anthropologen erfahren, dass diese Art Essen als Heilige Nahrung betrachtet und ganz in Weiss gehalten wird, was ja auch so war. Jedoch im Dschungel selbst habe ich das nicht persönlich gehört und weiss somit nicht, ob es dort auch so gesehen und entsprechend gehandhabt wird.)

***

Diese Diät nahm ich nun zwei Wochen lang ein, damit zusammen eine Pflanze die ‚Ajos Sacha‘ hiess. Es war dies ein Strauch aus dessen abgeschabter Rinde und Holz ein Wasserauszug gemacht wird und den ich insgesamt sieben mal eingenommen habe, jeweils am Morgen und am Abend. Ich nahm diesen Pflanzenwasserauszug gerne ein, denn Ajos Sacha war ‚Wilder Knoblauch‘ in Form eines Strauchs und schmeckte wirklich sehr ähnlich wie unser heimischer Knoblauch. Ajos Sacha sollte mich ebenfalls reinigen und vor allem anpassen an die Natur, so dass ich nicht mehr nach zivilisiertem Mensch rieche, sondern dort mitten im Dschungel zu einem Teil des Waldes werde.

***

1. Februar 2008

Auch wenn ich in meiner Erzählung nun etwas vorgreife, so wird mir während des Schreibens und für mein Hier und Jetzt – und das war und ist ja eigentlich der Zwecks des Ganzen – etwas sehr wichtiges bewusst. Statt wie geplant nach drei Monaten, bin ich damals ziemlich genau nach der Hälfte der Zeit wieder zu Hause gewesen und statt wieder in den normalen Alltag über zu gehen, hätte ich einen zweiten Teil zu meistern gehabt. Dies habe ich nicht getan, habe die Lektionen die ich in Peru erhalten habe nicht oder nur unvollständig umgesetzt und darum hänge ich immer noch in einem offenen Kreis fest. Ich gestehe mir ein, dass ich zwar bis zu einem gewissen Grade die nötige Bewusstheit und das nötige Wissen dazu hatte, aber ich hatte nicht die Kraft, das Wissen und das Erfahrene hier auch zu leben.

Schon lange beschäftigt mich das Thema, dass ich in der beständigen Fortführung meiner inneren und äusseren Arbeit mich immer weiter verändere. Ich bin schon lange zu einer gewissen Art von Sonderling geworden und nicht mehr gesellschaftstauglich in der Form wie ein grosser Teil der Menschen hier lebt. Das beschäftigt mich zwar manchmal, aber damit kann ich leben. Was mir aber wirklich zu schaffen macht, ist hier Gleichgesinnte zu treffen die ebenfalls von ihren Geistern beständig und unaufhaltsam vorwärts getrieben werden und bereit sind, die nötigen Opfer zu bringen und einen entsprechenden Aufwand zu betreiben. So fühle ich mich viel alleine, gebe mein Können und Wissen noch so gerne weiter, habe aber ‚keine‘ Menschen, die mit mir zusammen und sich gegenseitig stützend, intensiv dem Ruf der Geister und der Seele folgen.

So hat mir der Mut und die Kraft gefehlt, noch weiter auszuscheren und noch eigenwilliger meinem Weg zu folgen und das umzusetzen, was mir die Geister sagen und anempfehlen. Aber ich muss ganz klar sehen und erkennen, dass es mir wohl weniger Kummer bereiten wird dem Weg zu folgen, als all die Nöte die entstehen und schon entstanden sind, weil ich dem Weg nicht folge und gefolgt bin. Ich bin nun eingeladen mir die Umstände so zu organisieren, dass ich dem Pfad weiter folge wie er mir seit Peru deutlich gewiesen wurde, und ich so den Kreis schliessen kann, um vielleicht in eine neue ‚Ebene‘ einzutauchen. So reichen manchmal einfach nicht nur innere Veränderungen, sondern sie müssen auch im Aussen stattfinden und dorthin übertragen werden. …………. In Peru war das alles etwas einfacher, denn die Unterstützung und entsprechenden Menschen, Schamanen, Curanderos und Kräuterkundigen sind noch vorhanden, aber hier bei uns, braucht es etwas mehr als nur um das Eck zu gehen.

Text mit Fotos auf www.nebelkraehe.ch.vu

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel