Heute, lange nachdem die Saat der Sieger aufgegangen ist, ist der Schrecken immer noch nicht von uns gewichen. Die Sieger fallen vor unserer Haustüre ein (in Jugoslawien) und drüben in Mesopotamien. Sie schiessen mit Uranprojektilen. Zuhause, bei ihnen, hat das Recht aufgehört, und ist der Agumentation des Geldes gewichen, - einer Killerargumentation. Eine Frau trocknet ihren gewaschenen Kater im Wäschetrockner und verlangt Millionen fuer ihren gerösteten Liebling. Die Justiz gibt ihr recht. Der Firmenchef, rasend in seiner Chefetage, feuert daraufhin den Werbechef, doch der strampelt rechtzeitig, ein paar kleine Lichter weiter unten im Kundenservice müssen dafür dran glauben. Vernichtete Existenzen.
Doch die Vergiftung, von der Tilman Moser spricht, ist die des stummen Gottes, der uns leitet, indem er uns verkrümmt, weil er eine andere Liebe fordert als die menschliche, irdische. Moser nennt es Vergiftung, weil sie uns deformiert, vom wahren Menschsein, von der menschlichen Solidarität entfernt. Wir verlieren die Lebensfreude, das Geheimnis, die Unschuld. Wir treten ein in ein masochistisches Leidenstal, das Leiden wird alles bestimmend und erhält somit einen Freibrief. So wie sie damals die Juden, geistig Behinderten, Sintis und Romas aussonderten - Kinder wie Erwachsene -, so leben wir heute bereits wieder in totalitären Verhältnissen, in Zuständen der Entrechtung. Den Bischof von El Salvador, Kardinal Romero, erschossen sie mitten in der Messe. Dieser Tage jährt sich sein Gedenken. Er war ein Bischof der Armen, ein Bauernopfer. Denn die Paramilitärs, die es taten, bezogen ihre Waffen aus dem Norden, und erst jetzt wird es offiziell statthaft, seiner öffentlich zu gedenken. Die Politik des Statthaften.
Er hatte mächtige Feinde und schritt ihnen schlußendlich entgegen. Vorher säuberte er den Tempelvorhof von den Geschäftemachern. Den Geldwechslern, Tauben-, Ziegen- und Weihrauchverkäufern. Das bitte, wie oft soll man es noch sagen, sei den Heutigen in den Wallfahrtsorten ins Stammbuch geschrieben. Irgendwer, meine Freunde, hat hier Dreck am Stecken, und ihr, liebe Schacherer, könnt froh sein, dass euch die Wälle der Erstarrung, der Gewohnheit, schützen. "Jeder muss von etwas leben", sagt ihr. Recht habt ihr. Die latente Gewalt des "Rechtssystems". Denn heute, soviel ist wohl klar, gibt es keinen Christus, der durch die Strassen oder gar Tempelvorhöfe zieht. Es gibt ein paar, die werden ob dieser Einsamkeit irr. Manchmal stehen sie an den Ecken und halten Reden, andere schlagen sich die Stirn auf den Trottoirs der Einkaufsstrassen blutig, sie schreien, aber alle wenden die Köpfe ab. Schlußendlich landen sie in der Psychiatrie, auch dort der gekämmte, bartgestutzte, gewaschene Hippie-Gringo an der Wand, unerreichbar für die Hand des mit Medikamenten mundtot gemachten Sabbernden. Es sind mehr als man glaubt.

Das tröstende Wort
Jeder Tag birgt ein tröstendes Wort, und nur das tröstende Wort ist von Wert. Das tröstende Wort ist nicht irdisch. Wie sonst könnte es die Seele heilen? Ist unsere Seele wund? Oder ist es unser Herz? Oder nur der Geist? Was blutet in uns? Was läßt uns schluchzen?
Das tröstende Wort erreicht mich ohne Vorwarnung. Wie auch sollte ich davor gewarnt sein? Das tröstende Wort erreicht uns bei Tag, draußen, unter offenem Licht. Zeitweise lesen wir es, ja, gerade im Lesen erreicht es uns, erreicht uns die Antwort, derer wir seit Stunden bereits bedurften. Das tröstende Wort heilt vom Fluch, von der Verdammung, von der Verletzung. Dem tröstenden Wort wohnt das Heilige inne. Das tröstende Wort, das heilende Wort, es vergeht nicht. Nicht es, denn es kommt vom Himmel. Es wird uns gesandt und von einem Engel überbracht. Einer der Engel ist la madre. Sie spricht andächtig. Dann, wenn wir offen sind. Wenn wir hören. Zu hören bereit sind. Wenn wir sehen. Wenn wir demütig sein wollen und es auch schon sind. Mit Demut das Wort hören, wie es la madre spricht.
"Verzeihe. Lerne Verzeihen. Kein Menschenwort hat Bestand, selbst das donnerndste nicht. Bedenke, was du sprichst. Nur Worte der Liebe, auch wenn sie verdeckt ist. Bist du dazu nicht imstande, schweige. Du kannst nichts endgültig regeln. Du kannst Ordnung schaffen, indem du Vertrauen ermöglichst. Laß die Menschen sein, wie sie sind. Das ist doch naheliegend, oder? Ärger zahlt sich niemals aus. Sei klug. Vergeude deine Zeit nicht. Rede gottgefällig, dann, wenn du aufgefordert wirst." Das ist ein Auszug aus der Litanei der Mutter. Was sie spricht, ist sofort klar. Ihre Worte lassen Zweifel nicht zu. Sie sind Medizin.
Das verfluchende Wort verschwindet. Es ist kraftlos, auch wenn es noch so starkt gemeint ist. Letztendlich schämt man sich für den Fluch, denn er wird einst vor dem Gericht aufgelöst. Das wissen wir. Wir können uns nur schämen. Pater Pio war gegenüber dem Fluch höchst heikel. Das machte er jedem Beichtenden klar. Der Fluch ist das eigentlich Gift, die Ursünde. Über andere schlecht zu reden ist ein Vergehen gegen den Menschen und gegen Gott. Das muß man einmal verstehen. So wie man einen anderen Menschen nicht töten darf. Das wiegt sehr schlimm. Sehr sehr schlimm. Der selige Bernhard Winkler sprach es einmal gegenüber seinem besten Freund aus: "Karl, das Zölibat hat mich vor Vielem bewahrt. Wirklich, vor Vielem. Ich habe nicht abgetrieben und war nicht gewalttätig. Meine Leidenschaft war meine Arbeit, Meine Mission. Meine bescheidene Mission, von mir, dem kleinen Licht. Karl, das Verhältnis zu Gott ist alles. Er prüft alles, auch mein Verhältnis zu Menschen, alles dort, wo die Probleme anfangen. Sogar ich, das kleine Licht, werde angefeindet, weil ich mich um die Fundamente bemühe, so wie etwa um die Beichte. Heute, unter uns, kann ich dir sagen, nicht das Gebet ist das Allerpersönlichste, sondern die Beichte. Und unsere Geißel, das ist das Verfluchen, oder in der Sprache des heiligen Bernhard: das Töten. Du kennst mich besser als meine einzige Schwester. Du weißt, ich bin zum Töten und vielleicht zur Gewalt überhaupt nicht fähig. Ich nicht." "Ist auch gut so, Bernhard. Brauchst dich nicht genieren. Du weißt, wie ich über dich denke. Ich, der hemdsärmelige Landbaderer aus dem Mühlviertel. " "Ja, das ist tröstlich, Karli. Wirklich tröstlich!"
Der Ausdruck logos wird im sogenannten Prolog des Johannesevangeliums als „Wort Gottes“ verwendet.
Das Johannesevangelium beginnt nicht mit der Geburt, Kindheit oder Taufe Jesu, sondern mit einem tiefgründigen Prolog in der Form eines strophischen Liedes (1,1–18 EU):
- Im Anfang (ἀρχή) war das Wort (λόγος)
- und das Wort war bei Gott,
- und das Wort war Gott.
- Im Anfang war es bei Gott.
- Alles ist durch das Wort geworden
- und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
Zielpunkt dieser und der folgenden drei Strophen ist Vers 14:
- Und das Wort ist Fleisch geworden
- und hat unter uns gewohnt
- und wir haben seine Herrlichkeit gesehen,
- die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,
- voll Gnade und Wahrheit.
Der Prolog erhält einen starken Sprachrhythmus, indem er jeden neuen Begriff im jeweiligen Folgesatz aufgreift, weiterführt und in jeder Strophe einen neuen Gedanken durchführt. Seine Begriffe und Form beziehen sich auf den ersten Schöpfungsbericht der Tora (Gen 1 EU), der ähnlich beginnt („Am Anfang ...“) und Gottes Hinwendung zur Welt als ein ordnendes, die Gegensätze von Licht und Finsternis, Tag und Nacht usw. scheidendes Handeln beschreibt. So wie dieses auf das Erschaffen des Menschen als Gottes Ebenbild zuläuft, so läuft hier alles auf die Menschwerdung des Wortes zu, durch das Gott alles gemacht hat. Der Prolog legt also das Kommen Jesu Christi als Fleischwerdung des ewigen Wortes aus, das von Anfang an Gottes Wille war und seine Schöpfung vollendet.
Der Prolog tritt an die Stelle der Abstammungslisten und Geburtslegenden im Lukas- und Matthäusevangelium. Er nimmt wie in einer Ouvertüre die Themen vorweg, die das ganze Evangelium dann ausführt: Das Wort ist Fleisch geworden, hat unter uns gewohnt und wir sahen seine Herrlichkeit. Dies wird auch als Leseanweisung für die drei Hauptteile verstanden:
- Kapitel 2–12: das Auftreten Jesu vor Zeugen, unterteilt in Kapitel 3–6 (Reden und Wunder) und 7–12 (Streitgespräche mit Gegnern, Scheidung in Gegner und Anhänger)
- Kapitel 13–17: Abschied von den Jüngern, unterteilt in 13 (Fußwaschung), 14–16 (Abschiedsreden), 17 (das hohepriesterliche Gebet Jesu)
- Kapitel 18–21: Verherrlichung durch Passion und Auferstehung, unterteilt in 18–19 (Leiden und Tod), 20–21 (Erscheinungen des Auferstandenen und Sendung der Jünger)
Wann hat meine Qual ein Ende?
Natürlich, jeder, der Ayahuasca trinkt, erlebt hin und wieder seinen persönlichen Schiffsuntergang. Zwar selten, doch immerhin. Ein Ritual, in dem etwas geschieht, das man sich vorderhand nicht erklären kann. Ein an mir unbekanntes Brüllen (scheinbar ohne Anlaß), und dies für gute fünf, wenn nicht gar zehn Minuten. Und das unmittelbar nach der Einnahme. Ich reite vor. Zum Glück (somit zu meiner Ehrenrettung) ziehen die Freunde aus Frankreich so wie damals Joël aus Carcasonne, nach, sobald ich mich, als das erste Grobe zunächst vorbei zu sein scheint, erschöpft nach hinten plumpsen lassen darf. Jetzt kommen die Anderen dran, die, deren Väter oder, noch schlimmer, deren Mütter sich umgebracht haben, vielleicht in einem Suizid auf Raten, mit Tabletten oder Alkohol. Die Dramen sind unbeschreiblich und sonder Zahl. Später, bereits am nächsten Tag, beginnt man zu rätseln, was denn in Herrgotts Namen dafür die Ursache gewesen sein mochte. Und ein Englein läßt mich weit, weit zurücksinnen, in die Zeit damals, als ich noch Kind war, und die Impulse mich hin und her rissen. Zeitweise zumindest. "Bist du haßfähig?", fragt Mutter Ayahuasca irgendwann jeden. "Ja, zu meiner Schande, ich muß es zugeben, Mutter. Doch was soll daran schlecht sein?" "Vielleicht, weil du ihn gegen die falschen Leute richtest. Und sei ehrlich, im Grunde genommen hat es keiner dieser Leute verdient, von dir in Gedanken umgebracht zu werden. Soll dein Leben daraus bestehen? Aus Mordphantasien?" Dieses Raisonnement in Ayahuasca bringt uns zur Vernunft. Die Reden der Madre bringen einen überhaupt in der Regel schnell zur Vernunft. Im Nu verrauchen und verschwinden derartige Affekte und Spleens wie Dunst in der an Kraft zunehmenden Morgensonne. Schlußendlich wirkt alles nur mehr lächerlich, zum Genieren. "Hast Du es denn wirklich nötig, dich dermaßen selbst zu quälen? Wofür gibst du dir die Schuld? Bedenke doch, du bist dir der meisten deiner Handlungen gut bewußt und stehst auch in der Regel für sie ein. Warum also bezichtigst du dich der Fehler, die sich in deine Entscheidungen einschleichen. Du bist nicht vollkommen, nicht perfekt, und Gott Spielen ist Dir, das sei Dir angerechnet, nie in den Sinn gekommen. Warum also hadern, immer wieder hadern? Denke einmal darüber nach!"
