Bei ihrer ersten „somnambulen“ Begegnung mit Clara Grau wird Florinda Donner ermahnt, auf ihre Gedanken zu achten. „Gedanken sind gefaehrlich. Sie haben Macht.“ Bereits bei ihrer naechtlichen, magischen Autofahrt mit Delia Flores, bei offenem Verdeck, von Nogales nach Ciudad Obregon, verdutzt die rustikale Reisebegleiterin unseren blonden deutsch-venezolanischen Jungspatz mit Demonstrationen des Gedankenlesens. Diese Erkenntnis, die zeitweise zu einem Spiessrutenlauf ausartet, bleibt Florinda auch nicht bei Charlie Spider erspart und raubt ihr einen Teil der Selbstsicherheit, die sie auf ihr kindliches Selbstverstaendnis aufgepfropft hat.
Aehnlich ergeht es Taisha Abelar, als sie auf John Michael Abelar stoesst. Er erklaert ihr all diese seltsamen, im hohen Masse verstoerenden Erfahrungen mit den Faehigkeiten des in ihr schlummernden Energiekoerpers.
Aus einer anderen Perspektive schildert es Castaneda in seinem „Die Kunst des Traeumens“, als er ein neues Kapitel in Form der Begegnungen mit anorganischen Wesen aufschlaegt. Anorganische Wesen, die uns bis ins Innerste, bis in den geheimsten Winkel, kennen, weit besser als wir uns selbst. Die Kommunikation erfolgt ausschliesslich ueber Gedanken.
Das ist ein Reizthema. Vielleicht ist das der Bodensatz unserer Sozietaet und der Grund, warum wir uns mit Vorliebe gegenseitig massakrieren. Wir sind uns einfach zuwider, weil wir nur Dreck wahrnehmen. Es ist nicht einfach, mit Dreck umzugehen, wenn man nicht mehr Kind ist. „Ich merke, dass meine Worte bei dir nicht gerade auf fruchtbaren Boden fallen“, stellt Genaro Flores, an Florinda gerichtet, auf dem Ast sitzend fest. „Das liegt daran, dass deine Kruste zu dick ist. Sie hindert dich daran zu hoeren, was der Wind zu sagen hat.“ „Meine Kruste?“ fragt sie verwirrt und misstrauisch. „Halten Sie mich fuer dreckig?“ „Unter anderem“, sagt er, und sie erroetet.
Das Geflecht der Gedanken, unserer aller Gedanken, mit denen wir die Welt im Gleichgewicht und in Gang halten. So erst entsteht der Modus der Zeit. Wir unterhalten ein Verstaendnis ueber den Modus der Zeit seit wir von echten Menschen sprechen, also vielleicht erst seit der Jungsteinzeit. Aber der verschaerfte Modus, der uns gefangen haelt, ist eindeutig der Modus des 20.Jahrhunderts, der auch den Foetus des 21. in seinen Klauen haelt. So gleiten wir auf einem Luftkissen aus Worten und Akten grenzenloser Torheit durch den schwarzen, zeitlosen Aether, der Vergangenheit und Zukunft verschlossen haelt. Darauf nimmt der Mann im Praetext zu seinem „Das Wirken der Unendlichkeit“ Bezug, wenn er sagt, solche Gespinste, die wir als „Wissenschaft“ bezeichnen und die sich mit dem anfaenglichen „Urknall“ und dem endgueltigen „Kaeltetod“ des Universums beschaeftigen, koennten niemanden vor dem Sterben bewahren. Genau genommen dienen sie nur der Selbstergoetzung.
Wir, die Argonauten, duerfen uns in acht nehmen. Das Anorganische will uns allerorten ueberragen. Marmorne Palaeste auf dem granitenen Felsen von „Manhattan“, und in den Schluchten zerlumpte Heimatlose, die kein Stueck Erde mehr finden zum Dahinschlafen. Wie leicht dringt das Anorganische in unser Denken ein und macht uns heimatlos, waehrend ueber uns die Glocke des Erbes der Baeume aus Jahrmillionen lastet. Das schicksalshafte Erbe, dem wir nicht entrinnen.
Wir, die Argonauten, allesamt zu Exorzisten berufen. Der Daemon, der die Halbwuechsigen besetzt haelt, und der unverwandt sein Genick bricht, es dreht wie eine Eule und der uns fragt: „Was willst du von mir?“ Der uns Eiter und Geifer entgegenschleudert und sich ueber unsere Absichten belustigt. Er, der Antipode, dem es ein Genuss ist, seine Referenzfrage zu stellen: „Wie, du hast nicht Angst vor dem Sterben?“
In diesem Moment, liebe Freunde, nehmen wir Abschied, und reiten wie Kevin Costner an der Front der verschanzten Feinde vorbei. Wir tanzen den Tanz der Woelfe und spueren die Kugel nicht, wenn sie uns trifft.
Wie sagt der alte Nagual zu seinem Schueler am Platz seiner persoenlichen Kraft? „Im Augenblick des Todes wirst du nur Triumph empfinden.“
(Dank an dieser Stelle Peter Handke)