Was ist Schamanismus?

– „Die Kunst, sich zu schuetzen.“ (Percy Konquobe, Pfingsten 1998, Alpbach)

Welcher Aufgabe widmen Sie ihr Leben?

-„Der Kunst der Freiheit.“

Was ist Freiheit?

-„Das Sich-Emporheben ueber die Welt der Menschen und Das-Sich-Konfrontieren mit dem Nicht-Menschlichen, dem Unbekannten, dort draussen.“

Wie mache ich mich frei?

-„Indem Du die Energie zurueckholst, die Du im Laufe deines Lebens an tausenden von Schauplaetzen zurueckgelassen hast. Indem Du dein Leben rekapitulierst; die Begegnung mit allen Menschen, die Dir jemals in deinem Leben untergekommen sind. Nur so wirst Du leicht. Nur so erweckst Du deinen Energiekoerper zum Leben und brichst die unbedacht uebernommenen Glaubenssaetze der sozialen Uebereinkunft auf.“

Wie soll ich mich taeglich verhalten?

-„Solange Du nicht faehig bist, dich zu konzentrieren, wirst Du immer Spuelgut deiner eigenen unkontrollierten Gefuehle und des Muells verworrener Ideen bleiben. Wenn Du nicht imstande bist, ein Minimum an Kraft aufzubringen, um deine eigenen Gedanken zu verfolgen, wird dein Leben sinnlos und chaotisch bleiben. Jeder deiner Gedanken hat Bedeutung, denn jeder Gedanke hat Kraft. Also achte auf sie.“ (Taisha Abelar im Gespraech mit ihrer Lehrerin Clara Grau).

Wie schuetzt man sich in der Tat?

Die Antwort gibt uns die Diaet. Wir ziehen uns zurueck. Wir machen uns verfuegbar dann, wenn wir es fuer gut heissen. Wir lassen uns nicht vom Strom der alltaeglichen Gespraechsfallen mitreissen. Wir werden still. Wir sehen die Krankheit ringsum. Wir legen ein Inventar an: Unsere 500 Schwaechen. Spaeter erweitern wir es auf 10.000. („Wieder traten mir Traenen in die Augen, denn wahrhaftig, ausser meiner Unsicherheit hatte ich auch noch einen grundlosen See von Mitleid, eines Mitleids, das immer nur mir selbst galt. Ich hatte genuegend rekapituliert, um zu wissen, dass ich diese Reaktionsweise von meiner Mutter gelernt hatte, die sich alle Tage ihres Lebens selbst leid tat, zumindest in der Zeit, die ich miterlebte.“ T.Abelar, Die Zauberin, Frankfurt/Main 1997, S.178-179)

„Die menschliche Person muss geschuetzt werden, aber nicht verteidigt“, sagen Carmela und Hermelinda unserem zeitunglesenden, ueberheblich gestimmten Bonvivant. Wieso tragen wir nicht ein Kreuz bei uns, in der Westentasche, und holen es hervor, wenn der Naechste wieder einmal mit uns Schlitten fahren moechte? Warum echauffieren wir uns denn sosehr, dass wir dem anderen am liebsten an die Kehle springen moechten? Weil wir eingebildet sind. Weil wir glauben, wir seien jemand. „Wie koennen Sie so etwas nur behaupten?“, fragt Florinda Donner Grau den kalt sie fixierenden Mariano Aureliano, der ihr auf den Kopf zusagt, sie sei niemand, sie habe nie existiert und sie werde nie existieren, und im naechsten Atemzug nennt die Pirschjaegerin Florinda, die weiss, wie man Menschen anpackt, den gesamten Trupp der picknickenden Traeumer einen „Haufen gottverdammter, pimmellutschender Scheisskoepfe“, und diese waelzen sich vor Entzuecken („Oh, mein Gott! Eine deutsche Hinterwaeldlerin!“) am Boden. Clara Grau: „Sie sollten … die Zaubergesten machen, auf das Herz ihrer Feinde [eigene Schwaechen] zielen, die so schwer zu stellen sind -z.B. dieses Gefuehl ihrer eigenen Wichtigkeit, das mal als Selbstmitleid, mal als Entruestung, mal als ach so berechtigte Traurigkeit daherkommt.“

Wer mit diesem Gerede nichts anfangen moechte, kann es auch auf die klassische Tour versuchen. Er gehe nach China zu einem Kung-Fu-Meister, oder nach Japan zu einem Schwert-Meister. Er nehme sich an Bruce Lee ein Beispiel und an Akira Kurosawa. Ein Samurai mit dem Schwert am Ruecken. Freilich, das Leben wird solcherart drastisch verkuerzt, aber immerhin hat das Sklave-Sein ein Ende.

Das ist die Lektion des Ostens: Bewegungslosigkeit und Aktion. Dasselbe im Westen. Aufstehen und auf Augenkontakt ruecken. Oder dulden und leiden, das eigene Ego zertruemmern, bis nur mehr Traenen uebrig bleiben, doch zugleich, um den Willen zu staehlen, im Saeurebad menschlicher Gehaessigkeit, bis schlussendlich eines siegt, die Absicht, die uebergeordnete. „Ueber allen Wipfeln ist Ruh‘.“

Das Lernen ist hart, doch es ist gerecht. Wohl nichts Gerechteres auf Erden als lebenslanges Lernen. Der, der zuletzt lacht, lacht am besten. Wer ist es? Der, der meint, er habe einen Verrat begangen, und der nun am Vormittag Sepukko begehen darf, vor den Augen des Shogun. Davor sein Abschiedsgedicht, ein Vierzeiler. Er klatscht das Papier mit dem Handruecken, dann umwickelt er damit die Klinge seines Schwerts, konzentriert sich ein letztes Mal und rammt es sich in den Bauch, schlitzt sich ein Kreuz. Bis der Richtmeister hinter ihm ein Erbarmen hat.

So Japans Geschichte. Clara Grau’s Vorkriegs-China war verschmitzter. Die Meister hantierten unerkannt hinter Bratpfannen, so wie Otorongo’s Oskar, der zur Strafe einmal nicht Holzlatten schleppen, sondern seine kulinarischen Kuenste zum besten, sprich, zum Entzuecken der suess gestimmten Besucherinnen geben darf. Koeche, sagt unser Diaet-Haudegen Kurt, sind die heimlichen Chefs der Gesellschaft. Das hat er nicht aus China, sondern aus Frankreich, von Anthony Bourdain, und das rettet ihm das Leben. Haette mein Freund Pascal, hochbezahlter, einsam in einer fremden Stadt verloren gegangener Verkaufsleiter, seiner Putzfrau, dieser untadeligen Fleissigen, Glauben und vielleicht sogar sein Herz geschenkt, wer weiss, vielleicht waere er noch am Leben. Wer rettet uns denn schlussendlich den Tag? Die Currywurst unter dem S-Bahn-Bogen, in einer Runde von Angesaeuselten.

„Wer nicht in einem Augenblick die Gaenze zu erfassen vermag, er ist es nicht.“ (Gauthama Siddharta)

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