„Wo liegt Wilhering? Ich bin heimatlos. Sie haben Ihren Vater verloren. Ein Heimatloser fürchtet den Sturm nicht. Er geht hinaus vor die Stadt, um ihm die Stirn zu bieten. Winter is coming… Der Atlantik ist nicht das Mittelmeer. Ich verlor meine Brille in einer Woge. Was ist aus meinem Freund geworden?“ (Prof.Bernhard Winkler, wenige Monate vor seinem Tod, im Hospiz der Kreuzschwestern in Linz)

„Wie geht es der Familie, im Speziellen deiner Gattin? Du weißt, Mütter leiden im Stillen. Und du weißt, was du in ihr hast, auch wenn du dir damit bei anderen Weiblichkeiten massive Zores einhandelst. Die Kämpfe der Frauen kennen keine Rücksicht. Ich hatte das Glück, nur mit einer verheiratet zu sein. Die Ehe hielt 3 Monate. Für mehr war ich nicht gut. Ich weiß, du nimmst das ohne alle Mutmaßung. Das mag ich an dir. Du bleibst immer auf Augenhöhe, egal wohin in mich versteige. Wir werden einander vermissen.“ (Monsignore Umberto di Castello, knapp 3 Monate vor seinem Tod)

„Sie sind nicht versichert? Es wäre ratsam. Da kann immer was kommen, auch was Gröberes. Und die Kosten gehen dann ans Eingemachte.“
„Liebe Frau Oberschwester, ich lebe seit 23 Jahren in Peru, bei den Indianern. Das ist das erste Mal, daß ich in einem Krankenhaus bin, noch dazu in diesem Land. Das ist schon genug Ehrverlust. Wissen Sie wenigstens, was der Tagsatz hier auf der Chirurgie ausmacht?“ „Nein, dazu braucht die Buchhaltung eine schriftliche Aufwandsschätzung aller Ärzte.“

„Herr Kollege, Sie wollen auf Revers entlassen werden? Wir benötigen bitte ein paar Unterschriften.“ (Oberarzt A.)

„Herr H., eine Abstinenz von den Ihnen verschriebenen Antibiotika kann zu Sepsis und zum Tod führen.“ (Zweimalige schriftliche Nachreichung des unbekannten Primars, der mich nicht gesehen hatte und aufgescheucht verspätet erst nach einer Woche reagierte)

„Der Justiciero fürchtet den Tod nicht, Papi. Das ist sein Geheimnis. Er ist absolut geistesgegenwärtig und benutzt alles als Waffe. Er tötet die Verbrecher reihenweise ohne jede Reue.“
„Er ist ein Spitzenagent in einer offiziell nicht existenten Organisation.“
„Im Auftrag der Regierung, sanktioniert. Nicht wie Jason Bourne. Der wurde mißbraucht.“ (Salomon K.)

„Hättest du Angst, ein Monstrum zu sein, Elias? So wie ein Werwolf.“
„Nein. Woher kennst du meine geheimen Wünsche, Papi?“
„Weil ich es mir als Bub auch gern gewunschen hätte, aber mich nie getraut habe. In deinem Alter war ich ein Zwutschkerl.“

„Die ÖBB ist ein Freund des Volkes, Herr Nachbar.“
„Ja, davon kann ich ein Lied singen, Herr Schaffner. Unangefochten Nummer Eins in Österreich, noch vor der Post.“
„Immer wieder angenehm, so etwas zu hören. Wünsche noch eine angenehme Reise, wo auch immer es hingeht.“ (Dialog mit einem Schaffner im Zug)

„Auf der Post trifft man für gewöhnlich Leute, die einen nach so langer Zeit nicht mehr wiedererkennen. Ist es nicht so, Herr H.?“
„Ja, wirklich! Genau so ist es!“
„Manchmal erkennt man sie selbst auch erst nach einer kurzen Weile. Und wenn man sie dann nicht grüßt, verschwinden sie wieder, und vielleicht hat man sie dann zum letzten Mal gesehen.“ (Dialog mit Frau Mayr, Post St.Valentin)

„Der Hartlauer hat zugemacht. Das versteht er unter Kundennähe.“
„Kann man ihm nicht verübeln. Eine Sorge weniger. Der Sohn will ja auch nur zusehen, daß er nicht ebenso früh stirbt wie sein Vater.“ (Auf der Straße)

„Ihr Paket liegt auf der Abholstation beim Hofer.“ (Herr Xaver von der Post zum frisch importierten Kaplan Henry aus Nigeria. Der Schwarze im Sonntagsanzug samt Krawatte, obwohl mitten unter der Woche).
Dann draußen vor der Post: „Wissen Sie, wo der Hofer ist? Vielleicht wissen Sie gar nicht, was der Hofer ist? Soll ich Sie hinfahren?“
„Nein danke, ich habe mein eigenes Auto.“
„Umso besser. Also, ich erkläre Ihnen den Weg…“

„Zu Ihrer Sicherheit: ich bin nicht vom anderen Ufer.“
„Herr H., das wäre der schlechteste Witz des Jahrhunderts.“
„Doch ich bewundere Freddy Mercury um seine Stimme, wenn ich ehrlich bin.“
„Ja, ein ganz Heißer. Konnte nicht ausbleiben, daß ihn AIDS hinwegraffte. Ein Skelett, als er starb. Sie kennen ja wahrscheinlich die Fotos.“ (In between-Dialog in Mank)

„Hansel, du bist der letzte auf diesem Hof.“ „Hmhm. Dann wird er abgerissen. Nach mir.“ (Hansel, mein kranker Cousin)

„Wolfgang, du drehst mir einfach den Fernseher ab?“
„Ja, Sepp. Du rauchst dich draußen zu Tode und hier herinnen in der Stube läßt du während dessen dein Faschistenheimatkino weiterlaufen, sodaß ich gleich wie in der Gaskammer ersticke.“
„Sowas hätte ich anderswo nie gewagt. Hut ab!“ (Mit Cousin Sepp, dem Einsamen, am aufgelassenen Vierkanthof)

„Dieter, was ist los?“
„Ich habe seit Corona eine Reihe von schweren körperlichen Vorfällen erlitten. Ich weiß nicht, wo das hinführen soll. Die Ärzte sind alarmiert. Ich bin ein schwerer Symptomträger. Alles Leben ist Leiden.“

„Ich bin gerne an meinen Grenzen unterwegs. Nach oben hin gibt es immer noch etwas Luft.“ (Toni St.)

„Erst wenn ich bereits lange tot sein werde, wirst du verstehen, was dir das Schachspiel bedeutet, das ich dir an deinem 7.Geburtstag zu Weihnachten geschenkt habe. Das war das Jahr nach dem Tod meines Bruders Karl zu Heiligabend mit dem kleinen Mercedes mit Kabel, der damals nur 2 Tage hielt, als Geschenk. Der Vater bezweifelte, ob du am Schach Gefallen finden würdest, als ich in Linz auf der Landstraße im Spielgeschäft kurzentschlossen zugriff. Mir gefiel die Lackierung und die Einlegearbeit der Kassette. Ich sagte ihm, du wirst es dir selbst beibringen. Und war es nicht so? Dem Vater waren die Weihnachtseinkäufe immer eine Qual. Angeordneter Konsum war ihm zutiefst zuwider. Du kennst ihn ja.“ (Die Mutter vor wenigen Tagen, in einer wahrlich gänzlich anderen Dimension. Verwunderlich.)

„Das Böse ist der Tod.“
„Wie kannst du das sagen?“
„Weil ich es weiß. Ich spüre es, jetzt als alter Mann.“
„Jetzt…“
„Ja, genau jetzt. Denn jetzt, in diesem Moment, erkenne ich, daß das Böse genauso unnötig ist wie der Tod.“
„Das läßt mich an den Sündenfall im Paradies denken.“
„Ja, damit fing alles an. Die ganze unnötige Malaise. Alles auf Gottes Mist gewachsen. Die Schlange wie der Tod.“
„Macht dich das wütend, Padre?“
„Wütend und zornig und verzweifelt, wenn du’s genau wissen willst, Wolf.“ (León vom Felde)

„Herr Professor, warum haben es Ihnen die Briefe des Apostels Paulus dermaßen angetan?“
„Eine gute Frage. Ich bin an ihnen gewachsen. Die Briefe sind historisch das Fundament des Neuen Testaments. Dieses Fundament muß man auf Atomebene prüfen. Jedes kleinste Wort, vom Komma bis zum Punkt. Man muß sich genau vorstellen, in welcher Situation sich Paulus befand, als er selbst, er, höchst selbst, diese Briefe schrieb, unter anderem, wie er schon im Gefängnis saß in Rom und seiner Hinrichtung gewiß war. Die Briefe sind ein Vermächtnis, wie es höher und wertvoller nicht geht. An ihnen ist direkt ersichtlich, unmittelbar spürbar, daß er Christus begegnet ist. Dem Christus aus dem Himmel, der unmittelbaren Gegenwart. In diesem Moment wurde ihm mit dem sprichwörtlichen Schlag klar, was er verbrochen hatte. Das warf ihn nieder. Er wurde vom Zyniker und Mörder zum Märtyrer. Ein Lebens- und Weltenüberwinder, immer mit Jesus verbunden. Die Verständnistiefe Pauli ist durch und durch erstaunlich. Visionär, kann ich nur sagen. Die erste und wertvollste aller theologischen Reflexionen. Man kann nur staunen. Ein im Grunde einfacher Mann, der zum Weitwanderer wird und elaborierte Briefe tiefster Ekstase verfaßt. Alles rund um Paulus war in Feuer. Einem solchen Geistes-Teufel war der Wassertod von Anfang an verunmöglicht. Was Lukas an seiner Seite erlebt hat, hat dieser erst viel später begriffen. Da gingen dem Medizinstudenten viele Lichter auf, erst recht auch das mit Maria, die sich ihm anvertraute. Den Paulus soll man regelmäßig lesen, immer wieder.“ (AKWH, St.Josef zu Margarethen).

„Die Wandlungsworte machen sich zeitweise selbständig.“
„Herr Professor, es geht nicht nur Ihnen so.“
„Ja, ist mir bekannt.“
„Man kann nur „Ja“ sagen.“
„Ja, mit dem „Ja“ wächst man. Nur gut so. Aber ich glaube nicht an Verblödung.“
„Es ist etwas Anderes.“
„Hmhm.“ (derselbe)

„Sie haßten Ihren Vater, nicht wahr?“
„Ja, er war insgeheim ein Zyniker. Er hatte gewisse Fragen an den Himmel, und da er diese nicht beantwortet bekam, griff er zu stillen Vorwürfen. Da er aber, wie er bald bemerkte, seinem Gott in puncto Stille nicht das Wasser reichen konnte, griff er wie sein cholerischer Vater zuvor zu äffischen Worten, die er klarerweise gehört wissen wollte. Die Worte äußerte er gegenüber Menschen, wie denn sonst? Das war sein Akt gewollter Übertragung. Bezeugter Zynismus. Er meinte, Zynismus, in welcher Form auch immer, sei legitim, gewissermaßen als menschliche Selbstverteidigung gegenüber der scheinbaren Unausweichlichkeit des Todes. Deshalb hegte er für Satan eine gewisse Faszination. Das zumindest darf ich so formulieren. Eine Person, die im Angesicht Gottes nicht verstummt, sondern redet, und noch dazu gegen IHN redet, somit die ihm gegebene Freiheit nutzt, um sich gegen IHN zu stellen. Das hat den Vater fasziniert.“
„Der meine war ähnlich. Er war ein kapitaler Kriegsverbrecher. Er war überzeugter SS-Offizier. Er hätte auch uns umgebracht, wenn wir uns gegen ihn gestellt hätten. Ich war Widerstandskämpfer, mit 16. Hätten sie mich und meine Kumpels erwischt, hätten sie uns standrechtlich in Wien enthauptet, und mein Vater hätte mich, den Staatsverräter, laut und deutlich verleugnet, oder schlimmer, meine Geburtsurkunde vernichtet und mich ein für alle Male aus der Familienchronik gestrichen. Doch am Totenbett, im Alter, bat er mich um Verzeihung. Davon wußte die sonstige Familie nichts, und ich habe es auch nicht weiter erzählt. Es hätte niemand geglaubt und schon gar nicht verstanden. Da habe ich verstanden, wie Gott wirkt.“ (derselbe)

„… und Sie haben an Ihrem Institut und in Ihrer Lehre immer verstanden, wie weit das Verstehen auslangt, nicht wahr? Bei Studenten und Kollegen.“
„Und bei mir selbst. Mein Freund Fridolin Wipplinger ging mir dabei mit gutem Beispiel voran. Er besuchte Heidegger auch persönlich, Jahre nach mir. Das Verstehen ist nie abgeschlossen. Es ist wie ein Blick in den Kosmos.“
„Sie benutzten gern die Theatralik.“
„Aus gutem Grund. Ein Schauspieler treibt sich selbst voran. Halten Sie mich für einen solchen?“
„Ja. Einen ehrlichen. Einen, der die Dialektik der Anschauung begriffen hat und keine Skrupel mehr hegt, mit gutem Beispiel voranzugehen, ohne Kontrolle.“
„Danke. Sehr nett!“ (derselbe)

„Hubert, bist du einverstanden, wenn wir uns wiedersehen, ich meine, drüben?“
„Was für eine Frage! Und bitte, recht verstanden, wegen mir brauchst du dich nicht zu beeilen.“ (Monsignore Umberto di Castello, 2020)

„Onkel Bernhard, was ist eine Sünde?“
„Gute Frage. Ich weiß, warum du mir diese Frage stellst. Ich höre oft deine Mutter, mußt du wissen. Die Anni ist eine Herzensfrau. Ohne sie wäre der Karli nichts. Sünde ist, seine Sünden nicht zu beichten. So wie König David. Der ließ seinen Heerführer töten und nahm dessen Gattin, auf die er es abgesehen hatte, zur Frau. Du kennst die Geschichte. Die 12 Stämme Israels zerfielen daraufhin im Nu. Der Prophet Isai redete ihm ins Gewissen: „Du Narr! Du willst König sein und nennst dich gottesfürchtig? Sieh zu, daß dich JHWH nicht vor dem Abend zu Staub verwandelt und du hinweggefegt wirst!“ (Nochmals Prof.Bernhard Winkler)

„Bub, was willst du einmal werden?“
„Sportmediziner.“
„Wieso das? Sagst du das von dir, oder hat dir das dein Vater eingeredet?“
„Wenn ich ehrlich bin, Herr Firmberger, ich weiß überhaupt nicht, warum ich etwas sage.“
„Was hältst du von deinem Vater?“
„Viel zu viel, als daß ich davon zu sprechen beginnen könnte.“
„Das wird sich noch geben. Du kennst ihn wenigstens. Ich kenne den meinigen nicht.“ (K.F., +1970)

„Abendsonne, Oma.“
„Ja, Wolfi. Sie verlischt gleich. Der Vater ist auch verloschen. Und er meinte immer, die Welt gehört ihm.“

„Der Hans ist lebensunfähig.“
„Wieso, Florian?“
„Das weiß ich nicht. Es bestürzt mich nur.“
„Seid ihr nicht Freunde, Florian?“
„Doch! Aber gerade deswegen geht es mir so tief rein.“ (Dipl.Ing.F.H., 1972)

„Deine Mutter hatte verborgene Seiten, junger Mann. Ich weiß das als Friseur.“
„Ich weiß, was Sie meinen, Herr Strasser. Ich hab’s am eigenen Leib verspürt.“
„Ja, ich hab’s dir angesehen, diese Demütigung. Das hast du ihr nie verziehen, nicht?“
„Nein. Damals starb sie endgültig.“
„Und dennoch wird es dir nicht erspart bleiben, alles zu verstehen. Dann bin ich auch schon nicht mehr.“ (Heinz Strasser, 1967 + 1980)

„Deine Tante Resi hat am Sterbebett nach dir gefragt, Wolfi.“
„Und was habt ihr ihr gesagt?“
„Daß niemand weiß, wo du bist. Du schläfst wahrscheinlich im Ennserwald im Kukuruz, aber du würdest für sie beten, wenn du wüßtest, wie es um sie steht.“ (1982)

„Gratuliere zu Ihrer Rolle, Herr Qualtinger.“
„Keine Ursache. War meine letzte. Danach bin ich weg.“ (1986, Wien)

„Pater Pio schaut grimmig, doch das macht ihn nur sympathisch. Finden Sie nicht auch?“
„Ja, er hat bei Messen geflennt wie ein Weihwasserkessel. Er hatte Babywindel griffbereit zum Augenauswischen. Der Mann hat wirklich das Leiden Christi verstanden.“
„Finde ich gut, daß du das sagst. Deshalb brauchen wir ja gar nicht mehr weiterreden.“ (Ing.M.L., ca. 2017)

„Jetzt bin ich den Sockel hinuntergestürzt und habe mir die Sehne gerissen. Ich hasse mich!“
„Unkraut vergeht nicht, Delia, und die Sehne ist nicht gerissen.“
„Aber meine Geduld mit dir, du Verräter!“
„Die Rettung ist gleich da, Delia. Ich hab sie schon angerufen.“
„Welche Nummer?“
„144“
„Woher kennst du die? Egal. Welche Schande! Ich muß mir was Ordentliches anziehen. Ich kann nicht als stinkendes Schwein eingeliefert werden.“
„Delia, schmink dir das ab! Stell dir vor, du blutest wie ein Schwein. Dann könntest du dich auch nicht umziehen.“
„Wie kann ich nur auf diese Schnapsidee kommen und mich auf den unebenen Holzpflock hochstellen!? So blöd muß man einmal sein. Am liebsten würd ich mich selbst ohrfeigen.“
„Besser nicht.“
„Ja, besser nicht. Denn dann wäre ich wirklich verrückt, und diesen Triumph will ich dir nicht gönnen.“
(1994)

3 Antworten

  1. Reden

    „Dzogdchen ist die Essenz der buddhistischen Praxis. Ich kenne nur wenige, die von ihrem persönlichen Weg berichtet haben. Es ist ein Weg der Versenkung. Vielleicht könnte man es auch Überdenken nennen.“ „Muß ich bestätigen, Herr S.“

    „Zazen und Christentum ergänzen sich ideal. Man richtet nur eben nicht den Blick nach Jerusalem, sondern nach Fernost.“ „Die Jesuiten hatten in Japan einen schweren Stand.“ „Ja, das nötigt allerhöchsten Respekt ab. Unbekannte, vergessene Märtyrer.“ „Und kein Papst reist nach Tokyo.“ „Hmhm…“ (AKWH)

    „Das Ayahuascapublikum ist wahrhaftig bunt gemischt, Wolfgang. Doch eine Konstante läßt sich nicht löschen: die Verrückten sind in der Mehrzahl.“ „Liegt es nicht auch an den Scharlatanen, Toni?“ „Wohl, wohl. Aber lassen wir das, bitte. Es kommt ja sowieso nur auf die gute Medizin an. Wirklich gute Medizin. Die deine ist ja auch nur etwas für Küchenmäuse. Du verstehst mich.“ „Du mich auch.“ „Na freilich. Ich brauche nicht extra betonen, daß bei guter Medizin acht von zehn sofort krepieren. Die Lehrerinnen, die dem Schamanen zu Füßen liegen möchten.“ „…oder in die Psychose fallen.“ „Wie wir die gewissen Fälle kennen. Das ist das Netz der Lügen. Der weltweite Faschismus. Weißt du, daß sich Putin in Sibirien Schamanen hält, die ihn in ihre Zeremonien einbinden?“ „Nein, wußte ich nicht. Aber ich hätte es nicht a priori ausgeschlossen.“ „Ja. Die Medizin hält ihn gesund. Wenigstens das. Soweit man das sagen kann.“ (A.St.)

    „Faschismus? Die weltweite Kampagne gegen das Rauchen.“ (H.Leupold Löwenthal)

    „Herr Professor, Sie haben die Neuropsychologie mit Ihren späten Ayahuascaforschungen gewissermaßen revolutioniert. Warum solches nicht früher?“ „Es hat mir an Mut gefehlt, und im Grunde genommen meinte ich zuweilen, ich hätte mich heillos in einem Labyrinth verirrt. Die akademische Forschung ist und bleibt fragwürdig.“ (G.G.)

    „Ihre Anwesenheit in diesem Landstrich flößt in mehrfacher Hinsicht Vertrauen ein, Dr.H. Der Geist, der hier schwebt, berührt jeden Besucher bereits am Eingang. Spätestens am Eingang. Ein Amerikaner wie ich riecht an einem Ort sofort, ob gewisse andere Herren, Landsleute, hier zu, sagen wir einmal: Erholungszwecken bereits zuvor abgestiegen sind. Das ist hier offenkundig.“ „Ja, Steve. Ein Veteran aus dem ersten Irakkrieg. Schreibtischtäter aus Philadelphia.“ „Wie lange blieb er?“ „Zehn Tage.“ „Der Arme.“ Mein Besucher summt wie ein Kolibri auf der Suche nach Nektar in der Luft herum. „Waren hier schon Herren aus dem Vatikan?“ Ich staune nicht schlecht. „Ja, eigentlich schon.“ „Und?“ „Auch nur zehn Tage.“ Breites Grinsen. 

    Ein paar Minuten später, wir sind bereits per „Du“ und sitzen mit hochgestemmten Beinen bei Tisch. Es ist immer noch nicht Mittag. Die Zeit scheint stillzustehen. „Wolfgang, ich muß es dir nicht auf die Nase binden, doch bei dir liegen die Dinge zum Glück anders, und außerdem möchte ich hier völlig frei und ungehindert durchatmen können. Also: Stört es dich, wenn ich dir sage, daß ich markiert bin?“ Seltsamerweise verstehe ich ihn augenblicklich, so als ob ich mit einer derartigen Frage gerechnet hätte. „Nein.“ „Kennst du sowas?“ „Ja.“ „Hmhm.“ Kurze Pause. „Bei mir ist es allerdings so, ich bin doppelt markiert.“ Ich weiß Bescheid. Nimmt nicht Wunder. Doch eine Neugierdsfrage muß erlaubt sein. „Wie schnell sind deine Leute im Notfall hier, Steve?“ „In fünf Minuten.“ „In fünf Minuten? Lange Zeit.“ „Kommt auf die Umstände an, Wolfgang. Manchmal sind fünf Minuten kurz, manchmal lang. Aber hier ist die Luft sauber. Das liegt an deiner Kirche. Freundlicher Schuppen. Kann ich in ihm schlafen?“

    „Eine, sagen wir mal, therapeutische Frage: Diese Killer, ich meine die mexikanischen, wie kommen die zum Töten?“ „Das ist für die Buben Ehrensache. Mit 15 oder 16. Sie haben bereits keinen Vater mehr. Der Capo ist ihr Ziehvater. Ein mehrfacher Mörder als Vorbild.“ „Hast du eine Erklärung, warum der polnische Papst sosehr an Mexico hing?“ „Doch, sehr wohl. Er fühlte sich aufgerufen, in einen titanischen Kampf einzutreten. Wohl wegen der Jungfrau. Meine Mutter hatte mir, ich erinnere mich, als Kind versucht, das Wirken der Gottesmutter nahezubringen. Sie sprach von Tränen von Blut in der Basilika am Hochaltar, wenn ich mich recht erinnere. Ich meine die von Guadalajara.“ „Wie war deine Mutter, Steve?“ „Eine Urfrau. Meine geheime Göttin. Mein Vater wirkte neben ihr inexistent, wie ein blasser, farbloser, immer schon weißhaariger amerikanischer Zwerg, eine Art Spitzmaus. Ich habe nie endgültig verstanden, was sie an ihm fand und habe sie aus Trotz und innerem Konflikt auch nie danach gefragt.“

    „Wie viele Kollegen hast du im Krieg an der Grenze verloren?“ „Diese Frage ist zu hart, Wolfgang. Legen wir sie mal zur Seite.“ „Tschuldige, Steve. Ich bin eben eine unverbesserliche Neugierdsnase. Das hat mir immer Zores eingebracht. Die Leute wollen ja eigentlich auf ihren Geheimnissen hocken bleiben.“ „Wem sagst du das!“
     
    „Wie war die Zeremonie für dich?“ „Hast du es nicht gesehen?“ „Tschuldige. War nur ’ne Formfrage.“ „Schon gut. Ich hab‘ es genossen. Ein Tête-à-tête auf 7 Meter im Dunkeln, mitten im Dschungel, das hat schon was. Ich hätte nie gedacht, daß die Substanz dermaßen wirkt. Ich war nur zu oft am Klo, für mein Gefühl, aber das ließ sich nicht verhindern. Seltsam: ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich erbrochen habe.“ „Unwichtig.“ „Hast du was dagegen, wenn wir heute gleich weitermachen? Ich bin irgendwie im Schwung.“ (Steve Mc Namara, DEA San Antonio, Otorongo 2006)
     
    „Das Unbewußte ist wie Magma, mithin kosmisch. Elementar. Der Mensch als Titan, ins Leben geworfen inmitten finsterer, kalter Dunkelheit, inmitten des Vakuums. So etwas kann man sich nicht ausdenken. Man kann sich Leben und Tod nicht ausdenken. Welcher Mensch könnte das behaupten?“ (HLL, Berggasse 19, 1980)
     
    „Sehr bald, mein Guter, wirst du erkennen, daß du absolut niemandem vertrauen mußt. Nur dir selbst, in all deinen Irrungen und Unerklärlichkeiten. Hasse dich nicht selbst. Alles steht außerhalb deiner Reichweite, Erinnerungen und Fehler sowieso. Das hast du immer schon gewußt. Da du aber ein Diplomat mit Herz bist, wolltest du es nie so radikal formulieren.“ „Bin ich deswegen ein Nihilist, Mutter?“ „I wo! Sagen wir besser: Buddhist. Jetzt geht dir ein Licht auf, gell?“ „Ja. Wie wahr! Ich hatte als Kind schmerzhafte Kieferkrämpfe, sosehr habe ich dieses Leben und mein eigenes völliges Unverständnis gehaßt. Ich habe alles gehaßt. Das System der Menschen sowieso. Am meisten haßte ich die Kirche.“ „Und trotzdem wäre es dir niemals eingefallen, dein Leben wegzuwerfen, gell?“ „Sowas habe ich sowieso nie verstanden, Mutter. Ich meine, in letzter Konsequenz verstanden.“ „Daran siehst du, wie weit entfernt manche Menschen zu vegetieren bereit sind. Für diese ist Sterben unwesentlich. Sie grinsen. Sie ziehen vor, sich zu Tode zu fressen, anstatt in den Hungerbunker zu gehen.“ 
     
    „Ich habe wirklich viel von Dir gelernt, Mutter. Du bist für mich irgendwie alles.“ „Junge, reiß dir keinen Affen auf. Dazu sind wir da!“ „Es ist genial. Unbeschreiblich.“ „Aber trotzdem hast du noch Flausen.“ „Und ob!“ „Nun, du weißt ja, wodurch das bedingt ist.“ „Ja. Ich bin eben ein Rabenbrat, ein Feigling und ein Wurm.“ „Das meinst nur du!“ „Danke, daß du das sagst.“ „Ja ja, du verstehst schon.“ „Ja, danke. Ich weiß ja eh, daß der Schuber sich nur schwer bewegt.“ „Wie denn anders? Die ganze Welt hängt an ihm.“ (Ayahuasca, Otorongo)

     

     

    Harald Leupold-Löwenthal gestorben - Welt - derStandard.at › Wissenschaft

     

  2. Sorgen

    „Der, über den wir uns am meisten Sorgen gemacht haben, warst Du?“ „Wieso das? Und ich habe mir die ganze Zeit Sorgen gemacht um euch!“
     
    „Ich verstehe jetzt, was du damals gemeint hast. Ich wollte es damals nur nicht wahrhaben. Du weißt ja, das hat mich schlußendlich zusammenbrechen lassen. Ich konnte die ganze Ungeheuerlichkeit nicht länger ertragen. Der Sex bringt uns alle um.“
     
    „Wir Tarockspieler meditieren während des Spiels über den Tod, ohne daß wir darüber ein größeres Wort zu verlieren bräuchten. Der Leichenbestatter als Mitspieler in unserer Runde war nur der folkloristische Aufputz. Der Pfarrer, der Hurenbock, auch. Daneben der Wirt, der Ford-Verkäufer, der Schuster und die Annsch, die Volksbank-Angestellte, die ihren Mann um 50 Jahre überleben sollte. Doch du kannst sicher sein, jeder Gedanke wurde später geordnet. Und meinen Segen hast du allezeit. Das weißt du. Heute ist keiner mehr von uns. Keiner.“
     
    „Ich habe ein Leben lang meine Augen verschlossen vor der Ungeheuerlichkeit des Bösen und der Dummheit. Niemand hat mir jemals zu erklären versucht, daß es niemand besser weiß. Die einzige Ausnahme war der Hubert, bei dem ich beichten ging. Doch leider, ich konnte ihn nicht mehr wiedersehen. Die Ungeheuerlichkeit dieser Leidensmühle war unbeschreiblich. Der Krieg hat praktisch nie aufgehört. Die Ungeheuerlichkeiten, die mir manche männersierige Frauen direkt auf den Kopf zuwarfen, hat mich geknickt. Ich habe nicht erkannt, daß der Vater diesen Teufelinnen wie hilflos ausgeliefert war.“
     
    „Die Männer des Rotary Klubs starben alle vor ihren Frauen. Das ist dir ja wohl aufgefallen. Ich weiß auch, warum es so ist.“ „Den Männern war es egal.“ „Ja, es war ihnen egal. Deshalb rauchten sie alle.“ „Du hättest niemals im Leben rauchen können, Mutter.“ „Ich kann dir versichern, dieser Gedanke allein war bereits völlig unmöglich, mein ganzes Leben lang.“ „Bei euch zuhause rauchte keiner.“ „Nein. Keiner. Auch nicht mein Bruder Karl, wie er von der Russenfront zurückkehrte.“ „Der Karl hat nie erzählt, gell?“ „Nein. Ich habe mich manchmal gefragt, warum er so eisern schweigt. Aber er litt nicht. Zumindest habe ich ihm nichts angesehen. Er hatte ein Maserlglück. Er war Radfahrerbote. Er hatte Schwielen am Popo. Das war sein einziges Problem an der Front.“ „Hinter der Front.“ „Was ist der Unterschied?“
     
    „Was ist dein Leiden, Mutter?“ „Meine Einsamkeit, wenn du’s genau wissen willst, Wolfi.“ „Und was meinst du damit?“ „Du wirst vom Leben gefressen, und keiner fragt um Erlaubnis.“
     
    „Warum hassen Sie mich, Herr Below?“ „Weil Sie sich maßlos naiv stellen, Herr H., und überdies infantil verhalten.“ „Das mag vielleicht so aussehen, doch ich halte es mit dem Ausspruch Christi: „Werdet wie die Kinder.““ „Ihre Rede hier in diesem Büro ist eine einzige Zumutung, merken Sie denn das nicht?“ „Doch, schon. Der Unterschied ist nur, Sie sind ein atheistischer Deutscher. Für Sie sind die Österreicher Untermenschen. Ich hingegen bin Katholik, so wie der Patron, und ich bin hier geboren und gehe auf die Begräbnisse unserer Angestellten, denn das ist mein Land und meine Erde.“
     
    „Josef Klaus, der ehemalige Bundeskanzler, ist hier mein Nachbar, wie ich herausgefunden habe.“ „Wundert dich das, Hubert?“ „Nein, überhaupt nicht. Ich kenne die meisten Schauspieler des Burgtheaters persönlich.“ „Du willst damit sagen, sie haben sich dir gegenüber offen gezeigt.“ „In gewisser Weise. Ich habe verstanden, daß man Absurdität kultivieren kann, bevor man an ihr zugrunde geht.“ „Der Vater hielt dich für krank. Wußtest du das?“ „Ja doch. Doch es war nicht maßgebend. Er und ich waren viel zu weit von einander entfernt, und außerdem habe ich ein Verständnis von meiner eigenen Krankheit, von dem dein Vater nicht einmal das Geringste ahnte. So wie ich dir auch eröffnen kann, daß deine Mutter mir im Spital Dinge eröffnete, von denen dein Vater ebenso wenig auch nur das Geringste ahnte. Er meinte vielleicht, er als versierter Arzt ahne etwas von ihr. Doch diese Attitüde war nur Hochnäsigkeit. Über Geistigkeit kann man nun mal ganz unterschiedlicher Auffassung sein.“
     
    „Onkel Bernhard, stimmt es, daß du Hermann Groer nahe standst?“ „Ja, ich war sein Beichtvater.“ „Vater sagt, du hättest ihm anvertraut, Groer wäre in einem Zustand völliger Läuterung gestorben.“ „Ja, so war es.“ „Danke, Onkel Bernhard.“ „Keine Ursache, Wolfgang. Wenn du bei einem Menschen bist, wenn er stirbt, weißt du, hier wirkt Gott und niemand sonst.“
     
    „Manche Theologen prahlen damit, Nietzsche eingehender zu kennen. Soweit habe wir es gebracht. Doch wenn Sie sich diesem Schnauzbart annähern wollen, bedenken Sie, er verbrachte 10 Jahre in geistiger Umnachtung.“ (Helmut Kohlenberger, 1976-1980)
     
    „Rudi, bereust du deinen Weg bei den Augustiner Chorherren?“ „Nein.“ „Rudi, die Windschutzscheibe deines Mitsubishi ist vollkommen verdreckt. Siehst du denn das nicht? Stört dich denn das nicht?“ „Wolfgang, unter uns: Das ist mein persönliches Experiment: Ich kämpfe auf diese Weise gegen meine eigene verborgene Geisteskrankheit, sollte sie existieren. Ich blicke dort durch die Scheibe, wo kein Dreck ist, und hoffe auf den nächsten Regen, daß er alles wegspült.“ „Weißt du, daß ich, wenn ich in Österreich bin, mit meinem X1 jeden zweiten Tag in die H2GO-Waschanlage fahre? Und nicht nur das: ich sauge auch, und zwar penibel. Ich ziehe mir dafür das Jackett und das Hemd aus, um ordentlich in die Bücke gehen zu können.“ „Wirklich? Das klingt bereits wie ein Abenteuerroman.“
     
    „Herr Handke, Sie sind mein Lebensdichter, seit meinem 17.Lebensjahr.“ „Und Sie vielleicht mein Lebensretter, Herr H. Sie wissen ja, ein freundliches Lächeln kann Leben retten. Ein freundliches Wort.“
     

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  3. Immer klarer

    „Die eigentlichen Geschehnisse sind direkte, menschliche, keine theoretischen und auch keine phantasierten. So wie bei Freud. Als er die Diagnose des Gaumenkrebses erfuhr, wußte er, das jetzt ist Realität. Das wird seine Todesstraße sein, die haßerfüllte. Da hatte er sich schon innerlich von seiner Frau getrennt.“

    „Dasselbe erleben Sie bei vielen Fachleuten, die sich äußerlich unnahbar und unanfechtbar geben. Innerlich sind Sie arme Schweine. Entschuldigen Sie, wenn ich das so direkt ausdrücke. Kaum kratzt das Leben an ihrem Putz, werden sie bissig und ordinär, und man versteht sofort, daß diese Typen eigentlich nichts zu sagen haben, ja nie etwas zu sagen hatten. Sie sind nur Staffage in einem Lügentheater, so wie manche Alma mater, an der Sie Lektionen in Selbstgefälligkeit erhalten. Leidvoll erhalten. Und später versteht man, daß man von Glück sprechen darf, wenn man nicht verschnitten wurde.“
     
    „Ich hatte einen Vater, den ich lange Zeit nicht verstanden habe. Ich habe in Hongkong sogar geboxt, gegen Briten und Chinesen, sosehr tobte der Widerspruch in mir. Als er tot war, ging mir langsam ein Licht auf. Ein Mann redet nicht gern über seinen Vater, weil er instinktiv spürt, das Thema ist unausschöpfbar komplex, und man braucht einen Zustand unerschütterlicher Abgeklärtheit, um angesichts des Erlebten zur Sprache zu finden. Sie brauchen immer das adäquate Gegenüber. Wenn Sie das nicht haben, sind Sie leider arm. So sind wir alle arm, denn um sich Gott als adäquates Gegenüber aufzubauen, noch dazu ohne Dogma, müssen Sie fleißig sein wie eine Ameise. Freud, wie Sie wissen, verramschte seinen Gott frühzeitig. Das verstand er unter Generalsäuberung. Der Gotteskomplex war für ihn ein Infantilitätskomplex.“ „Herr Professor, und wie steht es mit Frauen?“ „Danke, Frau Kollegin. Bei Frauen liegen die Sachen natürlich noch viel komplexer. Sie werden vielleicht verstehen, daß ich mich dazu nicht größer auslasse. Wenn Sie von Frauen etwas lernen möchten, dann von solchen, die keine Mütter sind. Kinderlose Frauen handhaben eine andere Sprache. So wie Ihre Nationaldichterinnen, die Bachmann, die Jelinek und die Mayröcker. Frauen sind in der Regel ein unbekannter Kontinent, so wie die Antarktis. Sie wissen ja, die menschliche Ignoranz ist grenzenlos. Und das hat nichts mit Bildungslosigkeit zu tun. Es ist fehlendes Interesse. Und noch mehr ist es fehlendes Vertrauen. Den Menschen wurde alles Vertrauen gestohlen. Gestohlen? Geraubt! Mit Waffengewalt geraubt. Mit Gewalt!“
     
    „Die Traumwelt ist eine Welt, in der alle Gesetze über den Haufen geworfen werden. Der Traum ist der Königsweg zum Unbewußten, sagte Freud. Das ist vielleicht sogar maßlose Untertreibung. Wenn Sie das Glück haben, auf gewisse Kulturen zu treffen, die ein spezielles Traumverständnis praktizieren, so wie die Australianer, die sogenannten Blauhäutigen, werden Sie verstehen, daß es ein Reich ohne Grenzen sein kann. Das wird vielleicht sogar unsere Rettung sein. Denn im Traum regieren nicht Rache noch Dummheit. Im Traum regieren Göttinnen.“
     
    „Herr Professor, was finden Sie an Wien? Wie kamen Sie nach Wien?“ „Mit der Eisenbahn, Frau Kollegin. Spaß beiseite. Wie kam Frankl nach San Diego? Wie Wittgenstein nach Cambridge? Wien ist und bleibt ein Bastard. Es wurde vom Kaiser zerstört. Das mußte so sein. Und dann kamen die Nazis. Die haßten Wien und alle Wienerinnen und Wiener. Der Komplex ihres Führers. Und dann kamen die Russen und befreiten die Stadt. Das verstanden die Wiener schon gar nicht. Wie kann man sein Leben geben für eine Stadt, in der Hundescheiße am Trottoir mehr zählt als Parks mit Blumen und Bäumen. In den Wiener Parks hat sich noch kein Selbstmörder erhängt. Ist das nicht auffällig? Wie auch immer, die Russen haben Wien befreit. Das ist die historische Sternstunde dieser Stadt, so wie die Befreiung von den Ottomanen anno dazumal. Prinz Eugen und König Sobieski. Der Pole war ein Heros. Er hätte die Stadt ihrem Schicksal überlassen können. Doch nein, da kam er angeritten mit seiner Elitekavallerie. Hat die Stadt ihm ein Denkmal gesetzt? Egal, ich wäre bei allen drei Befreiungen gern dabei gewesen. Auf der Seite der Befreier. Und mein Leben eingesetzt, vielleicht sogar verloren. Was für ein Ehrentod. So wie der russische Kameramann. Sie wissen schon. Doch um auf Ihre Frage zurückzukommen, Frau Kollegin: Wie kam Freud nach Wien? Also bitte. Das sind schon Fragen, die einen staunen lassen. Dasselbe gilt für Paris und London. Wie kam Elias Canetti nach London, wie Max Frisch nach Paris?“
     
    „Herr Professor, was ist die Faszination der Frau?“ „Danke, Frau Kollegin, für Ihren Mut. Die Antwort ist simpel wie einfach: Hier wirkt ein Gesetz, das mit dem Individuum absolut nichts zu tun hat. Castaneda nennt das eine „energetische Tatsache“. Der Sexus hat mit Geburt und Tod zu tun. Das genügt. Um die Lebenskette auf diesem Planeten seit hunderten von Millionen von Jahren instand zu halten, kann es nur so funktionieren. Geburt und Tod. Die Namen haben nichts zu sagen.“ (Rudolf O.Fischer, ca.1984/85)
     
    „Kurt, wieso bist du ein so guter Diätant?“ „Wolfi, es macht Spaß. Das Jahr zählt nicht, nur Peru. Ich komme an, springe in den Bach, komme heraus, packe meinen Rucksack und frage, wo ist meine Hütte? Welche Pflanze ich diätiere, ist mir vollkommen egal.“ „Die Waldgeister mögen dich, Kurt.“ „Das ist schon okay. Solange sie mich in Ruhe am Klo sitzen lassen, können sie von mir halten, was sie wollen. Ich bin ja sowieso nur ein Niemand.“ „Der Tod deines Vaters tut dir weh, gell, Kurt?“ „Wolfi, halt sofort deine Schnauze, denn sonst muß ich dir eine reiben.“ „Tut mir leid, Kurt.“ „Nichts für ungut. Mein Vater war halt ein armes Schwein. Doch er fand den Mut, nach Vietnam auszuwandern und sich einen jungen Schmetterling aufzureißen, auch wenn er wußte, sie und sein Kind werden ihn über kurz oder lang überleben. Wie ich von Vietnam zurückkehrte, wäre ich sofort abgekratzt an diesem Bakterium, oder was auch immer es war. 1998. Don Agustin hat mir das Leben gerettet. Bald darauf ist der Vater gestorben, auf der Klinik in Innsbruck. „Kurti, ich schaffe es nicht mehr.“ So verabschiedete er sich von mir. Ich torkelte hinaus und sprang in den Inn, so wie ich war. Zum Glück ist der Inn kalt. Bin ich halt zurückgerudert. Hätte mich einer angemotzt, Wolfi, ich hätte mich glatt vergessen.“ „Die Tiroler sind schon speziell. Seien wir froh, daß es euch gibt.“ „Mach dir nicht in die Hose, Wolfi. Bist eingeladen.“ (Freund Kurt Kofler, Wegbegleiter)
     
    „Alexander, was gibt es zu kommentieren?“ „Heinz Kohut ging in mein Gymnasium und wanderte dann aus.“ „Wirklich?“ „Ja, da staunst du, gell.“ „Ausgerechnet Kohut.“ „Na, es gibt immer Wegkreuzungen. Bedeutet er dir etwas? An deiner Reaktion kann ich ablesen, wohl doch! Edward Teller war auch bei uns.“ „Erstaunlich. Ich hab’s gelesen an der Tafel.“ „Ja, wirklich erstaunlich. Und ich wohne jetzt hier, nur ein paar Meter vom Tatort entfernt.“ „Alexander, niemand kennt dich, doch du bist der Schnitt eines genialen Psychiaters und des Erfinders der Wasserstoffbombe!“ „Wolfgang, mein Guter, hör sofort auf. Es gibt zu mir nichts zu sagen. Ich werde ewig leben. Mehr nicht.“ „Jetzt verstehe ich, Alexander.“ „Wurde auch Zeit, mein Guter.“ (Dr.Alexander Pauser, Wien 18.)
     
    Heinz Kohut - Alchetron, The Free Social Encyclopedia

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