Otorongo nicht vergessen
Von Elisabeth und Richard
Damit das 2018 bis 2019 unter Ayahuasca viel Erlebte, „Gutes und Böses“, nicht einfach
verschwindet und vom Alltag aufgefressen wird, begreifen wir uns als Forscher/in im
bewusstseinserweiterten Raum und da begegnet uns ja oft das Eine und Andere. Um aus diesem
gefühlten Chaos herauszukommen und auch Worte dafür zu finden, ordnend einzugreifen,
begannen wir zu suchen und fanden folgende sieben Bücher die sehr hilfreich waren und uns
einige AHA- Erlebnisse bescherten und wirklich halfen das Erlebte in den Alltag zu bringen oder für
den Alltag nutzbar zu machen.
Diese Bücher und unsere damit verbundenen Gedanken möchten wir dir vorstellen:
Das Gute im Bösen
Prof. Dr. Claus Eurich
Philosoph, Publizist, Kontemplationslehrer
Professor für Kommunikation und Ethik (i.R.)
Hier ein Auszug aus diesem Buch:
Könnten wir das physische Übel wie z.B. Krankheit, sowie das moralische und metaphysische
Böse verbannen, dann hätte es wohl nie eine Religion gegeben.
Gott als unser alleiniges Gegenüber, ohne Widersacherkräfte, ohne den Stachel der Versuchung
und den Zwang der Entscheidung, wäre ein zu selbstverständliches Gut, als dass wir nach ihm
suchen und um ihn ringen würden.
Keine Erlösergestalt hätte sich inkarniert, kein Heiliger den Menschen Orientierung gegeben. Und
der Kulturraum der Menschen verbliebe ohne die Werke der Musik, bildenden Kunst, Architektur
die, dem Wahren, Guten und Schönen dienend, erhaben das Göttliche verherrlichen.
Dem Geist und der Seele des Menschen wäre also die Change genommen, das Feld der
Gottessehnsucht und der Wahl zu entdecken und im täglichen Bemühen zu bestehen.
Das Übel wird sichtbar in den Schwachstellen des Menschen, die in seiner physischen Endlichkeit
wurzelt.
Das moralische Böse nutzt die geistige und sinnliche Anfälligkeit des Menschen.
Das metaphysische Böse erkennt alle Schwächen und versucht sich in ihnen auszubreiten.
Moralisches und metaphysisches Böses finden in Unrechtsstrukturen, die bis zur Errichtung von
Staaten und Reichen führen können , darin eine mächtige Heimstatt.
Doch diese Bollwerke, die auf Anfälligkeiten und Trägheit (Acudia) errichtet wurden, sehen sich
selbst gefährdet, sobald der Widerstandsgeist der Menschen erwacht und Gottessehnsucht und
Liebe sein Handeln bestimmt.
Ihre Auflösung wird nun zur Notwendigkeit, und sie beginnt sich zu vollziehen. Neues entsteht auf
einer höheren Stufe, für die das ungute Alte die Voraussetzung bildet. So wandelt sich, was
angetreten war zu versklaven, zum Vorboten einer neuen Freiheit.
Die reine Liebe, die reine Güte bedarf nicht ihrer dunklen Schwester. Sie lebt aus innerem Antrieb
zu jeder Zeit. In dieser Qualität hat das Göttliche sich in Erlösergestalt in die Welt gegeben.
Als Zeichen für das Mögliche, als Stern, der durch jede dunkle Nacht zu führen vermag, als
machtvoller Hinweis darauf, was hinter allem Ringen zwischen Gut und Böse als Zielpunkt wartet.
Der Widerstand gegen die Mächte des Bösen, setzt die Macht des Guten als erkannt voraus. Nur
in Gott ruhend, wächst die Klage über den Misstand in eine lebbare Alternative.
Wie tritt an Stelle destruktiver Mächte die Macht die sich in Liebe verschwendet?
Der Geist entdeckt das Herz und geht den Weg der Erkenntnis. Umfassende Selbstreflektion steht
am Beginn dieses Weges, denn Selbstreflektion führt zu Selbstrespekt. Glaube und das aus ihm
entstehende Vertrauen wachsen so zum Gegenpart des Bösen.
Der Zugang zu Glauben und Vertrauen führt über die Sehnsucht des Menschen nach dem
Absoluten und nach letzter Beheimatung. Als der rote Faden in der Existenz will die Sehnsucht
zum Überschreiten führen. Daran liegt sie nahe am Traum, dieser wohl ursprünglichsten
Freiheitsbewegung des Menschen.
In der Vergebung richtet sich der Blick des Menschen auf das Schöne.
Vergebung sprengt Ketten, die in Negativität erstarrt waren.
Respektiere die tiefe Unschuld die in jedem Herzen, jeden Lebewesen ist.
Die tiefe Unschuld kommt aus der Stille des Herzens.
Frieden, Geborgenheit, Heimat. Sie alleine vermag das Leiden zu beseitigen, das aus Ärger,
Verlustangst und Angriff hervorgegangen ist.
Aber der Vergebung folgt dem Dreischritt:
„Erkennen, verstehen und zur Sprache bringen“ und ist ein Prozess.
In der Tugend der Tapferkeit findet das Böse seine Grenzen, weil der tapfere Mensch seine
neurotische und angstbesetzte Ichsucht überwindet. Diese Tapferkeit, die dem Bösen die Stirn
bietet, die sich selbst erhebt und aushält, kann nur in einer Heimat leben, der des Vertrauens auf
die göttliche Welt, der des sich – Anvertrauens an die höheren Mächte. Jesaia:40,31
ein weiteres, sehr humorvolles Buch ist:
Eva, lass den Apfel hängen
Dr. Frieder Lauxmann
ist in Stuttgart geboren, er hat in Tübingen und München Rechtswissenschaft studiert und war im
öffentlichen Dienst unter anderem in der Fortbildung von Führungskräften eingesetzt. Er lebt in
Karlsruhe. Lauxmann ist vielen durch seine lebendig geschriebenen Bücher zu philosophischen
Themen bekannt geworden.
Sein Anliegen: Philosophie soll Freude bereiten.
Was ist das Böse? Ist es in der Natur des Menschen angelegt? Ist es eine geistige Kraft? Frieder
Lauxmann begibt sich auf eine philosophische Spurensuche, um die Wurzeln und die Herkunft des
Bösen zu erkunden, die dahinter liegenden Ziele und Methoden zu durchschauen und
Abwehrstrategien zu entwickeln. Von der Bibel, über Kant, Goethes Mephisto und Erich Fromm bis
hin zum Werteverfall unserer modernen Gesellschaft und den vom Menschen gemachten
Naturkatastrophen spannt er den Bogen und beweist auch mit diesem Buch, dass man sich
schwierigen Themen auf gut lesbare und erkenntnisreiche Weise nähern kann.
oder:
Moral, die Erfindung von Gut und Böse
von Hanno Sauer
Jahrgang 1983, ist Philosoph und lehrt Ethik an der Universität Utrecht. Er ist Autor zahlreicher
Fachaufsätze und mehrerer wissenschaftlicher Werke. Zahlreiche Vorträge in Europa und
Nordamerika. Hanno Sauer lebt in Düsseldorf. Prof. Hanno Sauer ist einer der interessantesten
jungen Philosophen unserer Zeit. 2020 erhielt er den Preis der Königlich Niederländischen
Akademie der Wissenschaften, den wichtigsten Preis für Nachwuchswissenschaftler der
Niederlande. Anschaulich erzählt er die Geschichte unserer moralischen Wertvorstellungen im
Moment ihrer vielleicht größten Krise.
Dies sind moralische Fragen, und die Geschichte, die ich erzählen will, ist eine Geschichte der
Moral. … Meine Geschichte zeichnet die fundamentalen moralischen Transformationen der
Menschheit nach, von unseren frühesten, noch nicht menschlichen Vorfahren in Ostafrika bis zu
den jüngsten Konflikten um Identität, Ungleichheit, Unterdrückung und die Deutungshoheit über die
Gegenwart, die online in den Metropolen der modernen Welt ausgetragen werden.
Die Werte, die uns verbinden, liegen tiefer als wir denken. Das macht Hanno Sauers fulminanter
Trip durch die Geschichte der Moral deutlich.
Sauer ist mit Moral ein sehr kluges und ungemein anregendes Werk gelungen, das auch stilistisch
mit einem guten Wechsel von wissenschaftlich anspruchsvollen wie gekonnt einfachen,
zusammenfassenden Sätzen zu überzeugen weiß.
In ›Zur Genealogie der Moral‹ beschrieb Friedrich Nietzsche 1887 den ›Sklavenaufstand der
Moral‹ als Urszene moderner sittlicher Maßstäbe (…) Nietzsches Genealogie trägt den Untertitel
›eine Streitschrift‹. Sauer zeigt sich dieser Tradition in anregender Weise verpflichtet.
weiter gehts mit dem
Segenswunsch
von Jack Kornfield
aus dem Buch „Das weiße Herz“, schon lange in unserer Bibliothek:
Verehrt sei die Ganzheit , die deine wahre Natur ist.
Möge deine Reise dich nach Hause führen.
Mögest du in der Gnade natürlichen Mitgefühls und eines befreiten Herzens verweilen.
Ob in guten oder schlechten Zeiten, in der Ekstase oder im Alltag mögest du dich stets der
Weisheit erfreuen.
Mögen alle Befreiung und Glückseligkeit finden.
Möge diese Liebe allen Wesen zugute kommen.
Und mögest du zwischendurch ans Wippen denken.
Denn:
Nach der Erleuchtung Wäsche waschen und Kartoffel schälen.
Wenn Dämonen auftreten, sollten wir sie zum Leben dazugehörig akzeptieren.
Wenn sie uns bedrohen, sind in Wirklichkeit nur unsere Illusionen in Gefahr.
Wir werden umso weiser, je tiefer wir uns vor den Ehrfurcht gebietenden Wandlungskräften des
Lebens verbeugen und wer sie umarmt, dem verwandeln sie sich in einen Regenbogen. Im
erwachten Herzen leuchtet jede Farbe. Erwachen fordert Vertrauen auf das werdende Neue, auf
den größeren Lebenszyklus, auf alles so wie es ist. Loslassen ist eine große Kunst. Es ist in
Lebenskrisen und in unserem letzten Augenblicken unumgänglich.
Anhaftung ist die Ursache des Leidens, heißt es in der klassischen buddhistischen Lehre.
Anhaftung und Gier verursachen Leiden.
Im Siddha Yoga haben wir gelernt innezuhalten und den Blick auf unser Herz zu richten. Auf die
Stärke des Mitgefühls und der Empfindsamkeit können wir immer wieder zurück kommen.
Nityanandas Segenswunsch: „Gott lebt in dir als du, geh in dein Herz und wandere darin herum.“,
ist so wunderbar und tröstlich und schenkt Vertrauen.
Wann immer wir erwachen, fühlen wir uns von den großen Winden getragen, dem hl. Geist, dem
Tao, dem Dharma, dem hl. Fluß des Lebens. Aufwachen um zu
dienen.
Die hinduistischen Weisen nennen diesen Tanz „ Lila“, den ewigen Tanz des Lebens. Die
christlichen und jüdischen Mystiker sprechen vom Geist Gottes, einem göttlichen Spiel, während
die Buddhisten Geburt und Tod als Welle auf dem Ozean des Bewusstseins beschreiben, die sich
für kurze Zeit bildet und wieder im Traum vergeht.
Weisheit ist keine Information, sondern Gegenwärtigkeit, ein intuitives, verständiges erschließen
des Daseins. Dadurch fällt der Angstkörper ab und das Herz findet Frieden. In unserer
Gutherzigkeit geben wir Gottes Freude weiter.
Im Kamelstadium des Erwachens dienen wir dem Geist durch Demut, Gebet, Wiederholung und
schlichte Arbeit. Das haben wir im Siddha Yoga Jahrzehnte lang durch:
Kontemplation, Meditation, Mantra Wiederholung, Studium der Schriften und Seva, dem
selbstlosen Dienst und Dakshina das Spenden von Geld und das Aufschreiben unserer Gedanken
und Empfindungen, sowie diese mit der Gruppe teilen;
geübt.
Im Löwenstadium des Erwachens dienen wir dem Geist mit der Stimme der Wahrheit, der
Freimut, des Befreitseins. Wir haben zur Gnade gefunden.
Im Siddha Yoga und im Vipassana hatten wir seltene Momente der Gnade, der Erleuchtung, der
göttlichen Kraft, die alles durchströmt und verbindet oder der Leere, erlebt. Das gab uns Kraft und
Schutz im Alltagsleben. Die Sehnsucht darüber hinauszugehen brachte uns nach Otorongo.
Im Kindstadium des Erwachens dienen wir dem Geist durch Unschuld, Staunen,
Herzensschönheit, Kern der Wirklichkeit, das Heilige. Wie sahst du vor der Geburt deiner Eltern
aus? Unser Leben wird zum Segen. Gott ist persönlich anwesend.
Dies erlebten wir unter Ayahuasca . Wir wünschen uns , dass das Leben zum Segen wird.
Nach der Erleuchtung Wäsche waschen und Kartoffel schälen.
und das nächste Buch half uns geduldig zu sein.
Endlichkeit und Versöhnung
By Claus Eurich (© Claudius 2022)
Der Abschied von der egohaften Ich-Bindung sieht sich begleitet von Verlustangst, konkreten
Verlusterfahrungen und der Empfindung von Verlassenheit im alten Leben. Das gefestigt
scheinende Identitätsgefühl zerbricht. Überall spüren wir frische Wunden. Doch dieser Gang durch
die dunkle Nacht der Sinne und des Geistes ist, auch wenn jeder Mensch ihn anders erlebt,
unausweichbar. Er will durchlebt sein, so wie die Freude, die wartet und wie die Rückschläge, die
auch dem Erwachen wiederum folgen. Denn die Differenz zwischen der inneren geistigen
Erfahrung und dem Herzgefühl auf der einen Seite sowie der nachhinkenden Verwirklichung in
Haltung, Verhalten und Tun auf der anderen Seite – nie löst sie sich vollständig auf.
Diesen Zwiespalt erlebten wir unter Ayahuasca und im Alltagsleben wieder und wieder und wieder.
In unserer irdischen Endlichkeit bleiben wir unvollendbar. Fehler und Irrtümer gehören zum
Prozess. Sie sind die natürliche Kehrseite des Vollkommenheitsbildes und zugleich Zeichen für
notwendige Korrekturen.
Die Vision richtet, vom Jetzt und seinen immer vorhandenen Möglichkeiten herkommend, die
Wahrnehmung auf das, was werden will. Und sie ermutigt, die Chance zur Verwirklichung in genau
diesem Moment zu sehen, denn handeln können wir immer nur im Jetzt. Das meint Kairos-
Bewusstsein. Der Kairos holt die Chance als verwirklichbar in die Existenz. Er stößt an, zur rechten
Zeit zu handeln und ermahnt zur inneren Wachheit und Achtsamkeit.
Wir forschen weiter,
aus dem Buch:
Abenteuer Drogenmystik,
by Hans Peter Waldrich
ist zu lesen:
„Wer Erlebnisse unter dem Einfluss psychoaktiver Substanzen hatte, verarbeitet diese in der
gleichen Weise wie auch andere seelische Erfahrungen, etwa Wahrnehmungs- oder
Bewusstseinsvorgängen.
So wenig, wie beim normalen Denken oder Fühlen irgendjemand zur gleichen Zeit sein Gehirn
beobachtet und daher seine Wahrnehmungen als „gehirnproduziert“ empfindet, so wenig werden
Drogenerfahrungen als „drogenproduziert“ und daher als „unechte“ Formen von Bewusstsein
erlebt.“
Auch als negativ erlebte und vielleicht abgewehrte Erfahrungen entpuppen sich als eigene
Erfahrungen, die nichts „Chemisches“ und nichts „Künstliches“ an sich haben.
Wer sich mit drogengestützten Versuchen der spirituellen Sinnsuche befasst, sollte bereit sein,
sich auf ein recht widersprüchliches Thema einzulassen. Licht- und Schattenseiten liegen nahe
beieinander. Bereits grundsätzlich sind Erfahrungen mit Psychedelika auf Polarität angelegt. Gibt
es Erleuchtungstrips, dann auch Horrortrips.“
Ja, das können wir nur bestätigen.
„Doch grundsätzlich sind die entsprechenden Erfahrungen nichts anderes als eine
Widerspiegelung der Wirklichkeit. Und diese ist nun einmal fundamental polar aufgebaut. Licht und
Dunkelheit, Schwarz und Weiß strukturieren unsere Welt.“
Zumal nicht etwa kranke und seelisch schwer geschädigte Menschen von der Wirksamkeit
psychoaktiver Substanzen am meisten profitieren, sondern gesunde und reife Personen. Sie
bringen die besten Voraussetzungen mit, die entsprechenden inneren Erfahrungen zu integrieren
und für den Alltag nutzbar zu machen.“
Aus dem Buch:
Ekstatisches Erleben
by Torsten Passie
fanden wie folgendes:
„Dennoch gibt es – so Allen Watts – aufgrund seiner Erfahrung keinen Unterschied zwischen
Erlebnissen mit diesen Substanzen, wenn sie unter günstigen Umständen gemacht werden, und
den Ebenen des ‚kosmischen Bewusstseins‘, von welchem Richard M. Bucke, William James,
Evelyn Underhill, Raynor Johnson und andere Forscher des Mystizismus berichten.“ (Watts 2000,
39, 40)“
„Allerdings müsse klar sein, dass die mystische Einsicht ebenso wenig in der chemischen
Substanz steckt wie das biologische Wissen im Mikroskop. Im Prinzip existiert zwischen der
Verstärkung der Wahrnehmung von Dingen in der äußeren Welt durch ein Instrument wie das
Mikroskop und der Verstärkung der Wahrnehmung der Dinge in der Innenwelt durch eine der drei
Substanzen [Watts bezieht sich auf LSD, Meskalin und Psilocybin] kein grundsätzlicher
Unterschied. Falls sie die Würde des Geistes beleidigt, dann beleidigt das Mikroskop die Würde
des Auges und das Telefon die Würde des Ohres. Streng genommen vermitteln diese Drogen
ebenso wenig Weisheit wie das Mikroskop Wissen, sie liefern lediglich das Rohmaterial, auf dem
die Weisheit beruht. Ihr Nutzen hängt davon ab, inwiefern das Individuum die durch sie enthüllten
Erkenntnisse in sein Verhalten integrieren kann.“ (Watts)
Mystische Zustände ohne Drogen sind mit mystischen Zuständen unter dem Einfluss von Drogen
identisch. Ähnlich der renommierte Philosoph und Religionswissenschaftler Huston Smith:
„Phänomenologisch kann man halluzinogene Erlebnisse von ihrem natürlichen religiösen Pendant
nicht unterscheiden.“
Ja, auch das können wir bestätigen.
Die Scheidelinie zwischen wirklicher mystischer Erleuchtung und der Aufblähung in den
Narzissmus ist sehr schmal. Werden die grundsätzlichen Polaritäten des Lebens, seine
Belastungen, seine Widersprüche, seine Vieldeutigkeiten verleugnet, so liegt ein solcher
Narzissmus nahe.
Noch wichtiger im Hinblick auf die Frage, ob mystische Erfahrungen lediglich psychische
Regressionen sind, ist jedoch das Folgende:
Solche Erlebnisse werden erst dann zu wirklichen „Erlebnissen“ mit allen Facetten einer
Vollerfahrung, wenn sie durch einen reifen Erwachsenen verarbeitet und integriert werden.
„Nun aber zu den Kategorien der Mystik selbst. Die bekanntesten Kategorien sind diejenigen des
Mystikforschers Walter Terance Stace (1886–1967). Sie wurden von dem Harvard-Psychologen
Walter N. Pahnke (1931-1971) speziell für die Untersuchung von „Drogenmystik“ weiter entwickelt.
Die erste Anwendung fand die Kategorienliste von Stace und Pahnke 1962 bei dem berühmten an
der Harvard-Universität durchgeführten „Karfreitags- experiment“.
„Dabei wurde in einem klassischen Doppelblindverfahren untersucht, ob der Besuch eines
Gottesdienstes unter dem Einfluss von Psilocybin zu mystischen Erfahrungen führt.“ (Clark 1971)
Die benutzen Kategorien von Stace und Pahnke führe ich – Anmerkung: Clark – im Folgenden hier
auf (Pahnke 1972, 65ff./Diesch 2015, 61ff.). Sie beschreiben die Charakteristik der mystischen
Gipfelerfahrung in neun einzelnen Punkten. Diese Punkte sind hier nur knapp zusammengefasst.
Insofern werden nicht sämtliche Aspekte des für den jeweiligen Punkt Bedeutsamen völlig erfasst:“
1. Einheit.
Subjekt und Objekt verschmelzen in einer als kosmisch empfundenen Erfahrung zu einer
drucksvollen Einheit. Die Vielheit ist in dieser Einheit wie überwunden oder aufgehoben.
2. Transzendenz von Raum und Zeit.
Das gewöhnliche Gefühl für Raum und Zeit verschwindet. Solche Erlebnisse können als ein Gefühl
der „Ewigkeit“ oder „Unendlichkeit“bewirken.
3. Tiefempfundene positive Stimmung.
Es entsteht ein intensives Gefühl großer Freude, von Begnadigung und Frieden. Oft ist es
verbunden mit dem Erlebnis der Liebe. „Tränen können ein Ausdruck der überwältigenden Natur
dieser Erlebnisse sein.“ (Pahnke 1972, 58) “
4. Gefühl der Heiligkeit.
Eine Erfahrung des „Allumfassenden, im Sinne einer intuitiven […] Ehrfurcht oder eines
ungeheuerlichen ehrfürchtigen Bewunderns über die unaussprechliche Größe und Erhabenheit der
ultimativen Realität, einhergehend mit einem Gefühl, sich als Teil dieses Ganzen als etwas
Besonderes und Wertvolles zu empfinden, weit weg von jeglicher Profanität.“ (Diesch 2015, 65)“
5. Objektivität und Realität.
Die „autoritative Natur dieses Erlebnisses oder die Gewissheit, dass dieses Wissen wahrhaft
wirklich ist, im Gegensatz zum Gefühl, die Erfahrung sei eine subjektive Täuschung.“ (Pahnke
1972, 59)
6. Paradoxie.
Viele Beschreibungen und Interpretationen mystischer Erfahrungen tendieren bei genauerer
Analyse dazu, in ihrer Schlüssigkeit widersprüchlich zu sein, und verletzen damit die Gesetze der
aristotelischen Logik.“ (Diesch 2015, 66)“
7. Angebliche Unaussprechlichkeit.
Trotz ihrer Versuche, von mystischen Erfahrungen zu berichten oder sie zu beschreiben, bestehen
Mystiker darauf, dass Worte sie nicht adäquat beschreiben können.“ (Pahnke 1972, 60)
„Angeblich“ bedeutet dabei, dass Mystiker zwar die Unaussprechlichkeit betonen, aber doch häufig
Versuche machen, das Erlebte in Worte zu fassen.
8. Flüchtigkeit
Im Vergleich zu Erfahrungen des Alltagsbewusstseins sind mystische Erfahrungen kurz, sie
können nicht dauerhaft aufrechterhalten werden.
9. Anhaltende positive Veränderungen in Einstellung und Verhalten.
Solche Veränderungen sind feststellbar: sich selbst gegenüber, anderen gegenüber, dem Leben
gegenüber und dem mystischen Erlebnis gegenüber, das als bedeutsamer Höhepunkt in
Erinnerung bleibt.
Während nun bei der Hochmystik überwiegend die Versenkung in Gott als mystische Innenschau
angestrebt wird, wird im Schamanismus das gesamte Spektrum vom traumartig veränderten
Erleben über Trancezustände verschiedenster Tiefe bis hin zur mystischen Ekstase genutzt. Sie
vermitteln Gefühle der Geborgenheit, des Aufgehobenseins in der Welt der natürlichen Kräfte und
fördern so die innere Harmonisierung der Einzelseele wie auch den Zusammenhalt der Gruppe.
Aus der über diese Erlebnisse vermittelten Verankerung im Transzendenten gewinnen der
Schamane bzw. die Teilnehmer der Rituale Kraft und Vertrauen, um die Unbilden der alltäglichen
Wirklichkeit zu ertragen und lernend zu überwinden.
Insbesondere im Peyote-Kult der nordamerikanischen Indianer gewinnt diese Tendenz eine
hochkomplexe ritualisierte Gestalt.
Während der Peyote-Jagd wird Wirikuta als Ort des Beginns und als Zustand der Einheit
wiedererlangt. …
Diese Vereinigungen geschehen gleichzeitig auf mehreren Ebenen: Auf der gesellschaftlichen
Ebene werden … soziale Schranken transzendiert, wenn der Marakame (Huichol-Schamane) und
seine Gruppe ein einziges Wesen werden … sogar biologische Unterschiede zwischen männlich
und weiblich, alt und jung, verschwinden, da Männer, Frauen und Kinder gleichwertig und
vollständig teilnehmen … Erschreckt und erhoben durch diese Freiheit, die seit dem Augenblick
vor der Geburt … nicht mehr erfahren wurde, stehen sie nackt nebeneinander, undefiniert,
verwundbar und rein menschlich.
Die reine Landschaft wird geheiligt, die Höhlen, Quellen, Berge, Flüsse, Kakteenhaine, und die
Züge der mythischen Welt werden zur kosmischen Bedeutung erhoben. ‚Pflanzen‘ und ‚Tiere‘
werden zu bloßen Etiketten, Übereinkünften, menschlichen Denkkategorien. Unterschiede
zwischen ihnen sind Illusion. Der Mensch ist Natur, er ist eine Ausdehnung von ihr…. Die
Bedingung der Sterblichkeit wird transzendiert und dem Menschen ozeanische Seligkeit und
Allmacht zurückgegeben. … Für einen Moment ist das Paradies der menschliche Ursprung. …Er
ist der Kosmos, ohne Haut und Membran, ohne ein Ich, das ihn hält und trennt. Er erreicht die
ekstatische Durchdringung aller Grenzen“ (MYERHOFF 1980: 175f.).
Diese Beschreibungen verdeutlichen auch nochmals die Naturverbundenheit und den auf
Sinneswahrnehmungen beruhenden extrovertierten Charakter eines Großteils der
„schamanistischen Mystik“.
Dieser extrovertierte Charakter zeigt sich in einer stärkere Mitbeteiligung der Sinne: Bei den
Ritualen wird gesungen, getanzt, es werden Räucherwerk und Instrumente verwendet oder
die Tiefe und Art der bewusstseinsveränderten Erfahrungen durch verschiedene
psychoaktive Substanzen gesteuert; oft ist die gesamte Gemeinschaft in das Ritual
eingebunden.
Demgegenüber wird in der Hochmystik
eine auf die Erfahrung des reinen, allumfassenden Bewusstseins zielende monotheistische
oder theistische Mystik der introvertierten Richtung kultiviert, die von Askese, Rückzug,
Stille, Fasten , Schlafentzug , Atemübungen und Zurückhaltung geprägt ist.
Dies hat uns beim Siddha Yoga und Vipassana über Jahrzehnte geprägt.
Mystisch-ekstatische Erfahrungen können tiefgehende Einsichten vermitteln:
• Sich grundlegend anders empfinden,
• Akzeptanz seiner selbst, des eigenen Lebens, der eigenen Vergangenheit
• Vertrauen in sich selbst, in die eigenen Gefühle, in andere, in die Welt, in die Zukunft
• Annahme eigener Schwächen und Defizite
• Korrektur der Gewichtung des eigenen In-der-Welt-Stehens: z.B. von der Obsession als Opfer
(mit Selbstmitleid) zu freierer Entfaltung der Identität
• Situationen und Verhalten anderer anders bewerten
• Vermehrte Offenheit und Gelassenheit
• Demütige Grundhaltung • Toleranz und Mitgefühl
• Wertewandel, z.B. Beziehungsaspekt statt Materialismus
Wir teilen gerne diese Erkenntnisse und wären an einem Gedankenaustausch interessiert.
Vielleicht gibt es noch andere Forscherinnen und Forscher, die ihre Erkenntnisse auch gerne teilen
würden.
Zweieinhalb Monate verbrachten wir in Otorongo und jeden Tag und jede Erfahrung haben wir
aufgeschrieben und der Prozess wirkt auch nach vier Jahren noch nach und langsam erahnen wir,
wie er uns geprägt und vielleicht auch verändert hat.
Liebe Grüße
Elisabeth und Richard