Ein Fußballherz

„Salomon Karli, was macht einen guten Goalie aus?“ „Papi, das ist eine wichtige Frage! Ich erkläre es dir: Er muß seine Verteidigung zu kommandieren wissen. Wenn er weiß, da ist ein Dummkopf dabei, muß er ihm mitten in der Partie den Kopf rasieren, ohne Mitleid. Du weißt schon, mit klaren Worten. Es ist ohnehin schon peinlich genug, wenn du weißt, in deiner eigenen Mannschaft ist ein Dummkopf. Erst recht, wenn der schon wieder Anstalten macht, Maulaffen feilzubieten. Den Rest muß er selbst besorgen. Das heißt, er muß bereit sein für eine gewagte Parade, die ihm die Haut abschürft. Man nennt das eine gestreckte Parade. Und er braucht Finger aus Eisen. Deshalb haben die Profis Handschuhe aus Metall. Du weißt, was ich meine. Leider gibt es die hier nicht. Die Kugel mit den letzten Fingerspitzen aus dem oberen Winkel fischen. Dann bist du Weltklasse.“ „So wie Lew Jaschin, der beste in der Sowjetunion zu meiner Zeit. Sie nannten ihn die „fliegende Spinne“.“ „Die fliegende Spinne? Cool.“

„Was gibt es Weiteres zu Leo und zu CR7 zu kommentieren?“ „Du weißt bereits alles, Papi. So ist der Lauf der Zeit. Über Luis Figo redet auch niemand mehr, niemand über Luis Suarez. Alle Klubs sind zerstört, die Stars sind alt oder bereits tot, wie Maradona. Pelé habe ich nicht spielen gesehen, Beckenbauer auch nicht.“ „Das waren andere Zeiten, Karli. Damals gab es noch kein Doping.“ „Du sagst es. Das Tempo sagt alles. Ohne Doping kann das nicht funktionieren. Ist ja im Tennis nicht anders. Wenn du Partien von damals siehst …“, „… sagen wir von Mc Enroe und Borg“, „… dann weißt du sofort, dieser Schlafwagenfußball…“(„Ja, genauso nennt man es im Deutschen!“) „… also das ist nicht Schlafwagenfußball, sondern das war das körperliche, natürliche Limit. Und dazu im Vergleich heute, da ist etwas im Spiel, etwas Unnatürliches.“ „Du sagst es. Und es verändert die Spieler charakterlich.“ „Ganz genau. Die Aggressivität ist ekelerregend.“ „Ein Schlachtfeld.“ „Ja, manche spielen mit Schaum vor dem Mund.“ „Und das Schlimme: Du kommst davon nicht mehr endgültig weg. Du bleibst ein Krimineller. Soll ich dir Namen nennen?“ „Nicht nötig. Wir beide denken an dieselben Spieler.“
„Was macht einen erfolgreichen Wetter aus, Salomon?“ „Coolness, die elegante Volte und die Unberührtheit, wenn er verliert, weil er versteht, was er in seine Gleichungen miteinzubeziehen vergessen hat.“ „Noch etwas?“ „Ja, Papi. Du mußt akzeptieren, daß nichts nach deinem Willen geschieht. In allem schlummert ein Gesetz, oder sagen wir besser: Unendlich viele Gesetze. Wie es so schön heißt, die Kugel ist rund, und im Fußball kann alles geschehen. Denke nur an das WM-Finale. Das war brutal. Nervlich kaum auszuhalten. Und dann: Übertreibe nicht! Niemals! Schau mich an: Ich spiel um 5,- Soles. Nie um mehr.“
„Wer ist heute ein exemplarischer Spieler?“ „Harry Kane, Mbappé, Kevin de Bruyne. Generell die Engländer. Die Premier League ist der reinste Luxus.“
„Wer wird Meister?“ „Die Entscheidung fällt zwischen Liverpool und City. Meine Gründe kennst du bereits.“ „Bester Trainer?“ „Pep. Danach Klopp. Danach der von Aston Villa.“ „Unai Emery.“ „Ja. Ironisch. Bei PSG haben sie ihn abgesägt. PSG wird nie die Champions League gewinnen.“ „Den französischen Fußball mag ich nicht. Stell dir vor, die Spieler dürfen nur Interviews geben im Anzug und mit Krawatte.“ „Du machst Witze!“ „Nein, ehrlich. Mir blieb der Mund offen stehen, als ich das sah.“ „Wenn du mich fragst, ich weiß gar nicht, wofür Frankreich steht.“
„Was sagst du zu Ancelotti?“ „Der Beste außerhalb von England. Gut, daß du ihn erwähnst. Der beste Onkel, den man sich vorstellen kann. Er hat heute bei Real verlängert. In Brasilien wäre er nicht glücklich geworden, glaub mir.“ „Ja. Hab ich mir auch sofort gedacht. Was willst du in Brasilien? Ich meine, gerade er?“ „Er wird bei Real in Pension gehen. Wirst sehen.“ „Apropos Pension: Weißt du, daß sie Roy Hodgson aus der Pension geholt haben, damit er den Job bei Crystal Palace übernimmt? Zuerst haben sie gesagt, für zwei oder drei Monate. Und was ist passiert?“ „Er hat in Serie gewonnen, und keiner konnte erklären, warum die Spieler dermaßen motiviert waren.“ „Genau. Alle sagten: Opa ist wieder im Geschäft. Ich bin glücklich. Ich bin fröhlich, wenn ich für Opa spielen kann.“ „Weil Opa hat nur gegrummelt und hat seinen Buben durch den Kopf gestrichen. Und er hat nicht über Fußball geredet, sondern über die Eheprobleme seiner Spieler. War es nicht so?“ „Nur gut so.“
„Warum ist Deutschland so schwach, Karli?“ „Sie haben ein Rassenproblem, Papa. Deutschland ist krank. Bei der WM war ihnen der Regenbogen wichtiger als der Fußball. Glaub mir, Deutschland ist krank. Ich möchte nie in Deutschland leben.“ „Apropos Deutschland: Was hältst du von Thomas Tuchel?“ „Nichts. Ich kenne ihn nicht. Ich hab nur die Szene mit Conte gesehen. Das war Krieg. Pervers. Wegen so etwas duellieren sie sich. Wegen eines mageren Handschlags. Das haben die Amerikaner nicht verstanden.“ „Und haben ihn gekündigt.“ „Ja. Da hat er geschaut. Das hat ihm nicht geholfen. Das kann ich dir versichern.“ „Conte hatte es ja auch nie leicht.“ „Vielleicht, aber er hat es zumindest leicht genommen. Er weiß, was er dem Fußball schuldet und was dem Leben.“ „Er liebt Frauen und Pizza ebenso wie den Fußball, willst du sagen.“ „Ja. Irgendwie. Alles zu seiner Zeit. Aber daß er zuerst mit Inter Meister wird und die Chinesen ihn dann kündigen, weil er nicht mit deren Politik einverstanden ist, das finde ich wirklich mies.“ „Dasselbe passiert wahrscheinlich gerade in Saudi Arabien.“ „Du sagst es, Papi. Geld hat den Fußball ruiniert. Die Spieler, die nach Arabien gegangen sind, haben demonstriert, was ihnen wichtig ist.“ „Sie dürfen keine Interviews geben.“ „Geschieht ihnen recht.“ „24-Stunden-Kontrolle.“ „Geschieht ihnen recht.“ „Keine arabischen Frauen.“ „Geschieht ihnen recht.“ „Wie man früher in Mexiko sagte: Wenn du dich mit dem Teufel ins Bett legst, darfst du dich nicht beschweren, wenn er dich auffrißt.“ „Ich weiß, was du meinst, Papi.“
„Girona gegen Atlético heute (3.Jänner): Dein Kommentar.“ „Sehr interessante Partie. Madrid gegen Katalonien. Das ist Politik. Beide kämpferisch eingestellt. Torreiche Partie. Beide mit offenem Visier. Qualitätstest für Girona. Du siehst ja, um diese Zeit des Jahres ist es für alle nicht leicht, die entsprechende Motivation zu finden.“ „Pervers. Wir sind um diese Zeit Schifahren gefahren. Erst im Mai haben wir wieder an Fußball gedacht.“ „Sowieso.“ [Ergebnis der Partie –> 4:3]

3 Antworten

  1. Explosiv

    Helmut Kohlenberger über Paul Watzlawick (1976-1980):

    „An der menschlichen Kommunikation hängt alles. Das Schöne an dem Thema: Man wird nie an ein Ende kommen. Schlußfolgerungen bleiben immer nur vorläufige. Wer sich der menschlichen Kommunikation widmet, hat ein Lebensthema. Eines, das ihm selbst den Teppich unter den Füßen wegzieht und man erkennt, da gibt es gar keinen Boden. Man hat die ganze Zeit in der Luft geschwebt und hat es nicht einmal bemerkt. Alleine bereits der Lebensweg von Watzlawick ist erstaunlich. Ein akademisches Chamäleon aus Villach, das in Palo Alto landet und dort ein akklamiertes Institut eröffnen darf. So etwas ist nur in den Staaten möglich. Ähnlich wie Frankl, doch Frankl war Jude. Das macht einen großen Unterschied. Watzlawick ist ein Schönling. In Hollywood hätte er schnell Karriere gemacht, wenn er es darauf abgesehen hätte. Man kann ihm zugute halten: er ist ein genauer Beobachter. Auf Menschenebene geht alles rasend schnell. Das ist so wie bei einem Amoklauf. Eine Sache von Sekunden, vielleicht Minuten. Oder wie beim Abwurf der Atombombe damals. An einem Fallschirm sinkt sie herab. Kein Weihnachtsgeschenk. Wie sie die Vakuumbombe über Äquatorialafrika abwarfen, gegen Ebola, kam sie auch mit Fallschirm. Das ist menschliche Kommunikation. Die Amerikaner sagen, wir kommen gegen das Virus nicht an, wir müssen leider die Dörfer verdampfen. Klarerweise hatten sie zuvor bereits Blutproben entnommen, fürs Militär. Die Ärzte in Mondanzügen. Die Schwarzen in ihrem Hinterland ließen alles widerspruchslos über sich ergehen. Das sagt doch alles. Menschliche Kommunikation, das ist also Ebola und die Atombombe, und Krieg sowieso, so wie Mord und Totschlag, Amoklauf und Ehekrieg. Watzlawick hat ein bißchen was verstanden von Richard Burton und Elizabeth Taylor. Man darf annehmen, zuhause hatte er es ebenso wenig einfach.“

    „Die Wirklichkeit existiert nicht. Was existiert, ist hilfloses, geradezu nervtötendes Herumgerede. Deshalb haben Ärzte wie Ronald D.Laing vollkommen recht, wenn sie sagen, die moderne Psychiatrie ist eine Erfindung des Faschismus. Franco Basaglia in Triest bläst in dieselbe Trompete. Ein Psychiatriepatient weiß unter Umständen mehr als ein Banker der Creditanstalt unten am Ring. Das kann man nie ausschließen. Der Arme ist nur im Schweigen versunken und nicht mehr aufgetaucht.“

    „Eine psychiatrische Klinik ist für sich bereits ein Skandal, so wie Gefängnisse. Halten sie sich bitte die Geschichte solcher Einrichtungen vor Augen. Bei den Primärvölkern gibt es sie nicht. Hat es sie nie gegeben.“ (Franco Basaglia)

    „Warum Freud Seelenarzt wurde, ist nur seiner Abartigkeit zuzuschreiben. Dasselbe gilt für alle anderen Kollegen auch. Psychoanalytiker sind abartige Zeitgenossen, die natürlich, wie könnte es anders sein, an der Gesellschaft leiden. An ihrer zeitgenössischen Gesellschaft. Da muß man aufpassen. Das einzige, was da hilft, ist der Tabak.“ (Harald Leupold-Löwenthal)
     
    „Einen Psychoanalytiker erkennen sie bei einem Empfang sofort. Er steht in der Ecke, blickt wie eine Bulldogge mit tränenden Augen traurig in die Runde und raucht seine Havannas. Alle Analytiker rauchen. Alle. Inklusive des Hustens.“ (Hans Strotzka. Hustet)
     
    „Wolfi, ich habe die Leute durchschaut. Sie wollen uns nur umbringen. Der Wald, die Bäume bedeuten ihnen gar nichts. Deine Familie, meine Familie. Schau, wie behäbig sie sich bewegen.“ (Hans Finkruin, mein Spielgefährte an einem Wochenende, in der Au von Marksee, 1964, aus der Blätterburg hervorspähend.)
     
    „Dr.H., vergangene Nacht war Revolution. Verzeihen Sie, was ich gestern gesagt habe. Jetzt muß ich schauen, wie ich das hier überlebe.“ „Dem, was der Herr Ingenieur da gerade sagt, darf ich mich nur anschließen. Man sollte seinen Mund halten, wenn man so etwas nicht selbst erlebt hat. Das ist sowieso unbeschreiblich. Welche Stufe war das?“ „Stufe 10.“ „Dachte ich’s mir doch. Und das trinken die Shipibos fünf Mal pro Woche!?“ „Vier Mal.“ „Und sterben nicht…“ „Weil sie in der Medizin leben. Sie haben doch die Icaros gehört. Ohne Musikbegleitung. Reine Singstimme. Extase.“ „Das ging unter die Haut!“ „Sie sezieren einen.“ „Ich hab’s gemerkt.“ „Ich fühlte mich wie eine Giftspinne, die plattgewalzt wird.“ „Ich bin explodiert. Doch ich wußte gleichzeitig, ich werde nicht sterben. Und ich bin nicht der Einzige, dem es dermaßen dreckig geht.“ „Bei Gott! Wie recht Sie haben! Ich habe ganz klar gesehen, wo die Menschheit steht. Die Menschheit! Und ich scheue mich ganz und gar nicht, so groß zu reden!“
     
    „Schizophrenie entsteht durch pathologische Kommunikation. Oftmals auf Elternebene. Oft aus mörderischem Krieg. Knoten werden geknüpft, die niemand zu lösen vermag. Hier hilft nur ein präziser Schwertstreich. Dies war vielleicht die Geburtsstunde der Samuraikultur wie überhaupt der japanischen Hochkultur. Der fachgerechte, entschiedene Schwertstreich zum Durchtrennen eines Knotens. Mehrere Aspekte der japanischen Kultur weisen darauf hin, daß die Japaner Schizophrenie nicht kannten. Was für ein glückliches Volk. Sie kannten auch Sklaverei nicht, im eigenen Land. Wie sie mit den Chinesen in der Mandschurei verfuhren, ist ein anderes Kapitel. Doch vielleicht habe ich Unrecht. Die Kommunikation in Japan ist jedenfalls einzigartig.“ (Ronald D.Laing). „Litten sie (die Japaner) nicht an paranoidem Größenwahn, Sir?“ „Ich verstehe Ihre Frage. Sie hatten eben einen Gottkaiser. Den wird man nicht so schnell los. Doch lassen wir besser dieses Thema. Ich merke, ich habe mich bereits rettungslos verstiegen und weiß nicht mehr vor noch zurück. Ich hoffe, meine Haushälterin hat mir den Fallschirm umgeschnallt und ich kann mich aus der Wand fallen lassen.“ (London, 1979)
     
    Die Daseinserfahrung des Schizoiden oder Schizophrenen ist, so Laing, durch das Gefühl ständigen Bedroht-Seins gekennzeichnet, das er „ontologische Unsicherheit“ nennt, und von der Erlebnisgrundlage anderer Personen zu unterscheiden: „Wenn eine Position der primären ontologischen Sicherheit erreicht wurde, stellen die gewöhnlichen Lebensumstände keine fortwährende Bedrohung der eigenen Existenz dar. Wenn eine solche Lebensgrundlage nicht erreicht wurde, bilden die gewöhnlichen Situationen des tagtäglichen Lebens eine kontinuierliche und tödliche Bedrohung. Nur wenn man sich das klarmacht, ist es möglich zu verstehen, wie bestimmte Psychosen sich entwickeln können.“ Die permanente Vernichtungsangst äußere sich als Angst vor Verschlungenwerden, Implosion (zerstörerisches Eindringen der Realität ins Selbst) oder als Petrifikation (Versteinerung durch Schrecken) und Depersonalisierung. (Zitat Wikipedia).
     
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  2. Ich bin nicht tot

    Madre Ayahuasca:

    „Die Entschlüsselung deiner eigenen Existenz ist dir, wie du bereits zur Genüge weißt, nur möglich im Zustand des Träumens, denn – du erinnerst dich – der Druck der Emanationen des Adlers ist nur im Träumen auszuhalten. Das alles weißt du bereits körperlich.“
     
    „Der Geist ist beständig anwesend, auch wenn es nicht so scheint. Auch ich bin permanent anwesend. Das bringt dich zum Nachdenken, nicht wahr? Ärgere dich bitte nicht schon wieder!“
     
    „Das Verständnis der denkwürdigen Erlebnisse kommt aus einem Zustand der Kraft (das sowieso) und äußerster Nüchternheit. So wie der Nagual sagt: „Du mußt die Münze zehn Mal umdrehen, um zu erkennen, dies war tatsächlich ein denkwürdiges Erlebnis für dein Kriegeralbum.“ Nüchternheit ist für dich, der du zu hysterischen Übertreibungen neigst, eine Latte.“
     
    „Die Welt ist geheimnisvoll und birgt ihre Geheimnisse eifersüchtig in sich. Das soll dich anstacheln. Tut es auch. Doch die Quintessenz dabei ist, du darfst dich nicht ärgern, nur weil du realisierst, es ist die Anstachelung, die dich vorantreibt. Du bist wie ein Pferd, dem man die Sporen gibt. Im Sattel sitzt jemand Anderer. Nicht ich.“
     
    „Das Träumen kommt von höherer Instanz. Diese Instanz ständig wegen deiner Begriffsstutzigkeit zu beschuldigen, hilft dir nur holprig weiter, weil du dich irgendwann für deine eher primitiven Reaktionen selbst zu beschuldigen beginnst. Das ist so wie mit deinen Böcken, die du geschossen hast. Es ist vorbei. Schreib dir das hinter die Ohren. Jetzt ist es vorbei. Endgültig. Akzeptiere wenigstens das! Alles Andere war unvermeidlich. Darin stimmen wir doch überein! Wir könnten dem jeden Tag nachgehen. Wie auf den 64 Feldern.“
     
    „Dein Vater hat, wie wir dir bereits zur Genüge vorgeführt haben, im Jenseits einen Weltzusammenbruch sondergleichen erlebt, doch er hat es mit Zähneknirschen, Rotz und Wasser überlebt, Steher, der er ist. (Hast du ja selbst gesagt). Ähnliches bläut auch dir, wenn du weiterhin den Ignoranten mimst.“
     
    „Wie du richtig bereits erkannt hast, Verzicht ist dein Königsweg. Das gilt bitte für den gesamten Tag. Pausen können wir dir leider keine gönnen. Dazu steht zu viel auf dem Spiel. Deinem Spiel.“
     
    „Du siehst bereits zur Genüge, wie es dir weiterhilft, diesen Begriff in seiner Fülle zu würdigen und zu praktizieren. Mach weiter so!“
     
    „Deine Phantasien sind nur Anstöße für eigenes Wundern. Ansonsten sind sie völlig unerheblich, auch wenn es nicht den Anschein hat. Dein Hang zu punktuellem Übertreiben zeigt dir nur eine Facette des Sich-gehen-Lassens. Dies steht in Spannung zur Disziplin eines Kriegers. Damit verstehst du beides besser. Du lernst Hunger von Gier zu unterscheiden, Haß von Zorn und Ärger von Groll. Und daß du dein Leben lang wütend warst, macht dich noch nicht einzigartig. Bei Gott wirklich nicht. Da gab es noch viele andere Spinner, die viel schlimmer dran waren als du. Das kann ich dir zu deiner Beruhigung versichern. Schrecklich, gell? Die armen Teufel. Deine Wut war und bleibt eine Macke, auch wenn du dir einredest, du wärst ihr unschuldig auf Grund verhängnisvoller, schmerzhafter Umstände aufgesessen. Du wirst sie über kurz oder lang über Bord kippen.“
     
    „Pondicherry hat die Tsunami 2004 erlebt und überlebt. Es kamen keine Menschen zu Schaden. Das waren weise Menschen. Hast du es gesehen? Ja, du hast es gesehen. Der freie Strand mit seinem antiken Festungsturm unter voller Sonne, während anderswo über 200.000 Menschen ertrinken. Das ist deinem Meister, diesem seltsamen Kerl Aurobindo, zu verdanken. Gibt dir das nicht zu denken? Ja, ja. Indien, Indien. Willst du drüben weitermachen? Vergiß nicht, was die gewissen Weggefährten dir dazu bereits um die Ohren gerieben haben. Bitte nicht den Dummkopf mimen!“
     
    „Herr Tenzin Gyatso ist für dich nicht von größerem Belang. Du bitte kümmere dich mit mir um die Herren in Weiß und ihre Zitadelle. Die Zitadelle bebt, und es hört nicht auf. Das ist ein Zeichen. Deswegen bist du zeit- und zwangsweise aufgescheucht. Arbeit ruft, mein Guter! Die noblen Frauen deiner Linie haben mir bereits eindringlich erklärt, dein irrlichternes Augenflackern ist, so wie deine angebliche Analinfantilität, nur Theaterspielerei, um deine weibliche Umgebung zu schockieren, wenn sie dich um eine fachgerechte Schockinjektion bitten. Dasselbe war gerade bei der Blitz-WM der Fall. Du hast ja Daniil Dubov beobachtet. Sehr konzentriert, oder? Sehr ergiebig! Und deine Damen, allesamt höchst verrückt, passen perfekt zu dir. Das geht über Raum und Zeit hinaus. Heilbringende Hexen sind Verkörperungen des Mythos. Wissen wir bereits, oder? Deine Frau Janine Steiner, diese Schweizerin aus Genf, ist das beste Beispiel. Eine Meisterträumerin. Oder diese aus dem Krieg importierte Kroatin, Kalanj. Oder diese warzenübersäte Chilenin aus La Tirana, die du nicht vergessen willst. Die besten Marken in deiner Briefmarkensammlung. Wie die Blaue Mauritius. Alle Attribute rettungsloser, segensreicher Verrücktheit erfüllt. Details erspare ich mir. Du weißt es ja sowieso immer besser, doch das tangiert mich nicht. (Ahem. Humor der Mutter.) Damit beginnt der Weg zur Erleuchtung. Kennen wir doch. Erleuchtung in der Minute vor dem Ausbruch des Atomkriegs, so wie in der modernen Baghavad Gita. Diese Damen machen sich deshalb nicht in die Hose. Sie fotzen dich nur ab, weil du den besten Watschendodel im Prater abgibst. Sie sagen sich, „… das ist lachhaft. Dieser mickrige alte Scheißkerl nimmt mir die Angst vor dem eigenen Verrücktwerden und vor dem Verfallen in rettungslose Wolllust, wofür ich ja eigentlich geschaffen wurde. (Stichwort: Ich brauche 5.000 Männer!) Und darüber hinaus quasselt er vom Sterben dieses Jesus, wie lachhaft und peinlich. Doch lustig: frau kann ihm deswegen gar nicht böse sein. Einem Impotenten kann frau ja gar nicht böse sein. Sie kann sich nur selbst böse sein, daß sie dieser Lachnummer auch nur für eine Stunde auf den Leim gegangen ist.“ Ist ja nur wahr.“ „Mutter, das ist peinlich genug!“ „Lügner! Einem Verbrecher und Verräter ist nichts peinlich!“ „Madre, Delia Rosenkranz hat auch so geredet!“ „Na siehst du?“
     
    „Immerhin hast du heute Nacht eine Lektion in Beten erhalten. Bitte laut und deutlich „Danke!“ sagen!“
     
    „Danke!“
     
     
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  3. Kein Irrtum, Herr Nachbar!

    „Wann geht das Boot?“ Der Junge blickt auf seine Uhr. „Um acht!“ Die schnelle Antwort verdutzt mich, denn es ist bereits 8 Uhr 15. Ich nähere mich dem Jungen, um einen Blick auf seine Billigsdorfer Uhr zu erhaschen. Die Uhr zeigt in der Tat etwas nach 2. Die Armbanduhr ist für den Jungen nur Staffage für unschuldiges Protzen.

    „Wann geht das Boot?“ „Dann, wenn es voll ist.“ „Wann wird das ungefähr sein?“ „Das kann ich heute nicht sagen, denn die Leute, seltsam, kommen heute und gehen wieder. Weiß der Teufel, wo sie der Schuh drückt, oder vielleicht hat sie der Hunger überkommen und sie sind nochmal zurückspaziert.“

    „Wann geht das Boot?“ „In ein paar Minuten.“ „Was meinst du damit?“ „Dann, wenn es so sein soll.“ „Das hilft mir nicht viel weiter, amigo.“ „Wozu die Eile, Doktor? Leg dich nochmals aufs Ohr und komm dann wieder zurück. Wenn du mich dann noch vorfindest, hatten wir beide Glück, denn der liebe Gott will dann offenbar, daß wir heute beide gemeinsam reisen. Nur mit der Ruhe, Doktor!“ „Deine Rede bringt mich zur Weißglut, Landsmann. Ich habe heute noch ein Flugzeug, nur damit du es weißt.“ „Das ist noch nicht das Ende der Welt, Doktor. Nimm halt ein anderes. Vielleicht stürzt das erste ab und du bist nicht an Bord. Dann bekomme ich bitte ein paar Prozent deines gerade heute laufenden Geschäftes.“

    „Don Guido, wie oft richten Sie Ihre Uhr?“ „Dann, wenn ich auf den Gedanken komme. Das passiert aber nicht oft.“ „Warum tragen Sie überhaupt eine?“ „Das ist als Dorfrichter Pflicht, und außerdem habe ich zeitweise Termine.“ „Das ist alles?“ „Nun, wenn Sie mich so genau fragen, Doktor, dann deshalb, weil ich mir weniger nackt vorkomme, wenn ich Übeltätern gegenübersitze. Weniger hilflos. Denn wie wir dem Übel in unserem Dorf beikommen sollen, ich finde keine Antwort. Leider. Sie verstehen mich.“

    „Marlene, red‘ nicht zu laut! Du siehst ja, der Doktor schläft grad auf der Treppe. Du kannst sicher sein, er schläft nicht aus Anstrengung, weil er so wie ich die Nacht durchgearbeitet hat. Er schläft, weil er ein notorischer Faulpelz ist und für seine nächste Rolle als Faulpelz probt.“ (Agustin Rívas, bereits im Schnellboot; die beiden die Einzigen einstweilen)

    „Dr.H., gut, daß ich Sie hier in der Pascana treffe. Bitte erklären Sie mir, wieso schimpft Don Agustin öffentlich vor der Gruppe sosehr über Sie und erklärt Sie für verrückt? Sie wären schizophren, sagt er.“ „Danke für die Eröffnung, doch es wundert mich nicht. Sie wissen doch, der Mann bezeichnet sich selbst als Hexer, ja sogar als Anhexer. Haben Sie diese Begriffe schon einmal gehört? Wenn ja, dann haben Sie eben erlebt, wie ein solcher Mann agiert. Wie das tapfere Schneiderlein. Motto: „Sieben auf einen Schlag.“ Bei Ihnen waren es noch mehr, nehme ich an.“ „Ja, zwölf. Wir waren alle irgendwie sprachlos. Schockiert. Ich meine, niemand von uns kennt Sie persönlich und Sie sind ja auch nicht der Papst. Wie kommen wir zu der Ehre?“ „Das hat Sie verstört, nehme ich an.“ „Gelinde gesagt, ja.“ „Und jetzt fliegen Sie zurück.“ „Ja, wir alle, und was da alles passiert ist, das müssen wir erst verdauen.“ „Und am Tag vor Ihrer Abreise läuft Ihnen persönlich beim Frühstück in der Pascana noch der fragliche Schizophrene über den Weg, von dem der Großmeister Sie gewarnt hat.“ „Ja, genau. Wirklich seltsam. Ich frage mich die ganze Zeit, wovor wollte er uns warnen? Sie verspeisen ja keine Deutschen zum Frühstück. Oder vielleicht bezweckte er etwas ganz Anderes.“ „Sie haben es richtig erkannt, Herr Kollege. Und wenn Sie Angst vor heimlichen Schizophrenen haben sollten, darf ich Sie beruhigen. Vertrauen Sie Ihrem Gefühl und wagen Sie einen direkten tiefen Blick in die Augen des Gegenübers. Dann wissen Sie, ob der Mann ein Inkognito-Joker ist oder sogar versteckte Rasiermesser bei sich trägt. Schizophrene – das nur als Leitlinie – haben keinen Humor und sind zu spontanem Lachen unfähig.“ „Ja, das hilft. Herzlichen Dank!“

    „Don Guillermo, warum schenken Sie dermaßen starke Medizin aus? Das zerreißt ja die Leute!“ „Eine gute einfache Frage, Doktor. Endlich fragt mal jemand das Richtige. Die Antwort kennst du aber bereits. Also ist es eine Scheinfrage. Du willst wissen, wie ich rede, um mich zu überprüfen, weil du mit Indios noch nicht zu tun hattest, nicht wahr?“ „Absolut, Don Guillermo. Das ist mein Kindheitstraum. Mit Indios leben.“ „Und ein Indiomädchen zur Frau nehmen…“ „Bin schon verheiratet, mit einer Mestizin. Eine ehemalige Boxerin. Wenn sie Amok läuft, schlägt sie einem Peruaner mit der Machete den Kopf ab.“ „Das tun unsere Frauen nicht. Die rufen einen Beschützer, auch wenn sie vielleicht schon blutend am Boden liegen.“ „Wie rufen sie?“ „Mit gellender, heller Stimme.“ „Und dann kommen deine Leute.“ „Ja, dann kommen sie. Wie die Otorongos.“ „Hast du das schon selbst erlebt?“ „Nein. Kriege schon, aber einen Überfall auf eine Frau durch Mestizos nicht.“ „Ich verstehe.“ „Gut so. Du mußt wissen, die Mestizos sind geborene Feiglinge. Diebe sind immer Feiglinge. Räuber auch. Meistens. Du hast ja bereits zur Genüge erlebt, die Peruaner trinken die purga nicht. Aus Angst. Sie wissen genau, sie haben Dreck am Stecken, und fürchten sich vor der Strafe. Das tut ihr Gringos nicht. Ihr nehmt die Sache ernst und seid bereit zu lernen. Auch wenn die meisten von euch hoffnungslose Großmäuler sind. Aber ihr habt ein Gewissen, ein Ehrempfinden. Das kennen die cholos nicht. Also: die Medizin ist nicht stark. Sie ist nur gerecht. Für Todgeweihte maßgeschneidert.“

    „Wolfgang, weißt du, daß La China Buben von der Straße aufliest und sie bei sich im Frisiersalon schlafen läßt? Manchmal überläßt er zweien sogar das eigene Bett und schläft auf dem Boden. Niemand im Dorf weiß davon. La China ist ein Heiliger. Die Arme wird bald an AIDS sterben, und dann wird sie Gott sehen. Und das passiert mitten im Dorf, direkt neben dem Hauptplatz.“ „Wolfgang, La China ist vorgestern gestorben, in Iquitos. Ich bin sicher, ohne Schmerzen. Er ist verwelkt, innerhalb von Stunden. Angeblich wollte er ein Wasserbegräbnis. Ob sie ihm das gestattet haben, weiß ich nicht. Hätte er gewollt, daß ich ihn pflege, hätte ich das sofort gemacht. Und ihn im Garten begraben wie Bauxi. Wolfgang, das tut wirklich weh.“

    „Verspielen ist nicht verlieren, Wolfgang, und Trinken ist nicht immer trinken, so wie Rauchen nicht immer rauchen ist. Wo ist der Richter?“ „Nirgendwo, Alexander.“ „Besser so. Denn ich brauche keinen, der mir dreinredet. Auf der anderen Seite, schau dir diese Gehässigkeit überall an. Ohne Justiz wären wir morgen im Chaos versunken. Schau dir die Rennfahrer an: Ayrton Senna, Jochen Rindt und all die anderen. Meinst du, ich lebe so wie die, und sterbe so wie sie?“ „Sicher nicht, Alexander. Du fährst zwar Jaguar, aber wie ein Pensionist.“ „Das nennt man bekannterweise Luxus.“ „Und schenkst Gucki auch einen. Das nenn ich großzügig.“ „So hat sie was, über das sie sich an mich erinnert.“ (Alexander P., Wien 18, ich vermisse ihn).

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