Als die „Gruendervaeter“ des Dorfes sich vor 123 Jahren fuer diesen Ort entschieden, lag dies an seiner bevorzugten, geschuetzten, weil erhoehten Lage. Es bedarf schon einer Jahrzehnteueberschwemmung wie zuletzt 1985, damit die Fluten des Flusses an der Trutzburg Tamshiyacu’s lecken koennen. Das Dorf erstreckt sich ausschliesslich am rechten Ufer, dem oestlichen. Das westliche linke, Schwemmland, blieb bis zum heutigen Tag unbewohnt, – von Menschen. Jede hoehere Flut dringt bis ins Hinterland vor. Das huegelige Hinterland, das sich 40 Kilometer tief erstreckt. Unerschlossenes Gebiet, undurchdringlich. Allen stechenden Insekten vorbehalten: Pferdebremsen und normalen Bremsen, Tabanos, Mantas blancas und den diversen Spielarten der Moskitos. Tuempel und Teiche, nie gesehene, – Heimstatt der Aligatoren und Boas, der Pekaris und der Wasserschweine, der Kroeten und Libellen. Die Baeume exotisch, urwuechsig, saftig, stachelbewehrt (wogegen?), mit einer eigenen Klasse von Lianen. Alles, was drueben waechst, ist faehig, im Wasser zu verharren. Der Fluss, wenn er im Winter ab Dezember steigt, bringt die Mineralstoffe aus den Anden, eingebettet im Schlamm. Kostbarster Duenger. Es wird neu ausgesetzt, und schon schiessen die Feldfruechte in die Hoehe. Auf der „Banda“ haben nur die wirklich Arbeitsamen ihre Besitzungen. Walter Mu?oz, der verarmte Ziegeleibesitzer, im hohen Alter. Nadir del Aguila, der Vereinsamte, Arbeitswuetige, der nach 28 Jahren Ehe entdecken musste, dass die Halfte seiner Kinder nicht von ihm, sondern von seinem Bruder stammen. Agustin Rivas, der mehr und mehr seinem Grossvater aehnelt, mit einem neuen Monsterprojekt: Ein Abenteuergelaende fuer amerikanische Bootstouristen. Aussteigen und Alligatoren bei Nacht besichtigen. Wer will, auch mit ein bisschen Ayahuasca. Man sollte sich das Lachen verbeissen, schuften doch 40 Tagloehner in der unwegsamen Einoede, um Suempfe trocken und andernorts Seen anzulegen. Ein 37 mal 10 Meter-Longhouse auf 1,70 Meter hohen Betonpfaehlen mit Petroleumrosette gegen Ameisen und Termiten. Dort wo die bulldozeraehnlichen Maenner mit Machete und Axt rackern, sollte man mit dem Trittsetzen vorsichtig sein. Es gluckert und quatscht unter der Laubdecke.

Auf der anderen Seite war es, von wo aus sich die Boa Negras in der Vorzeit in den Fluss waelzten. Tonnenschwere Naturwunder, die den Indios als Goetter galten.

Heute stehen wir auf der Anhoehe der Hafenstiege und blicken hinueber. Kilometerlange Pflanzeneinsamkeit, oft vom leichten Schleier des Flussdunstes eingehuellt; Ende August, zu Santa Rosa, vom Morgennebel. „Unbegangen. Von Menschenauge nie besehen.“ So charakterisiert Agustin diesen Landstrich, in den er sich verliebt hat. Die Unwetter, die vom Osten kommen, entladen sich bisweilen erst ueber diesem Stueck Erde. So wie die vom Sueden dem Bootsfahrer entgegenziehenden, schwarzen Sturmbaenke, die fuer 15 Minuten, das aber ausgiebig, vorhalten.

Steht man dann drueben, liegt das Dorf unter einer drueckenden Sonnenglast. Vormittag. Zeitlos. Kein Laut dringt die 500 Meter herueber. Man koennte sich in den schwarzgrauen, trockenen, fruchtbaren Schlamm legen, und wegsterben, in aller Ruhe. Keiner wuerde einen stoeren. Am andern Ufer.

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel