Vormals hiess es „Auferstehung des Fleisches“. Die Prediger meinten, der Koerper sei dann transformiert. Aus einem transformierten Koerper erhebe sich die Seele des Toten. In einer uns nicht beschreibbaren Form erheben sich die Toten aus ihren Graebern. Der Tote musste vorhanden sein, um aufzuerstehen. Darum war das Verbrennen in der Inquisition der Ausdruck des Willens, diesen Suender endgueltig zu verdammen, bereits auf Erden fuer alle Zeit vom Heil auszuschliessen. Deshalb der anfaengliche Widerstand der lokalen Kirchenobrigkeit gegen die Verbrennung der Pesttoten, der toten Glaeubigen. Damals war nicht allgemein bekannt, dass Tote verschwinden koennen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Fand man im Wrack der „Titanic“ Tote? Das ist auch der Grund des Abscheus gegen die Kulte des Ostens, der im Christentum festhaengt: Das Verbrennen, das den-Geiern-zum Frass-Vorwerfen.

Der Tod des Herrn war die Vernichtung des Innbilds seiner Gemeinde, Skylla. Charybdis seine Auferstehung und Himmelfahrt. Pfingsten die Ankuendigung seiner Wiederkunft. Darum glaubten und vertrauten sie sosehr, dass der „juengste Tag“, das Weltgericht, noch zu ihren Lebzeiten eintraefe. Die Abrechnung mit den Frevlern, die ihn umgebracht hatten. „Mein ist die Rache“ war das Wort, mit dem sie gross geworden waren. Der Alte Gott. Gott Vater. Gott Sohn, der neue Hierophanos, sollte Rache nehmen am Volk, das ihn umgebracht hatte, an den Pharisaeern, den Hohepriestern des Alttestamentarischen Gottes.

Es war dem Volk der Kontinuitaet essentiell, die Gotthaftigkeit des Laesterers am Kreuz abzustreiten. Des wahren Messias‘ Ankunft erwarten sie im Glauben. Das Volk der Juden hat gelernt, im Glauben die Diskontinuitaet zu ueberwinden. Die Diskontinuitaet der Zerstoerung des Tempels, die Diskontinuitaet der Diaspora, die Pogrome, die Shoah. Der glaeubige Jude unterbricht in der Fremde die Kontinuitaet des Kleidungsverstaendnisses.

Es war essentiell, das Verschwinden Christi aus dem Grab als Grabraub zu deklarieren. So wie England, Frankreich, Aegypten, Amerika im Tal der Koenige die versiegelten Grabkammern aufbrechen, wenn nicht Andere, Wuestenhunde, bereits vor ihnen taetig waren.

Das Verschwinden des Leichnams beunruhigt uns. Die Verwesung ist das Beruhigende. Fuer die Gerichtsmedizin ist die Graboeffnung eine gaengige Prozedur. Die Leichenoeffnung, die Organausbeutung ist ein ekelerregendes Milliardengeschaeft, dem sich nur die „Zeugen Jehovas“ entgegenstellen. Das war Leonardo’s dunkle Seite. Der heimliche Leichenraub mittels angeheuerter Schergen zum Zwecke seiner naechtlichen Studien.

Das Verschwinden des Leichnams hinterlaesst eine leere Stelle. Unsere Yaguas haengten die Leichname ihres Clans unter den Dachfirst, wo sie vom aufsteigenden Rauch konserviert wurden. Die leere Stelle durfte nicht sein. Ausgewaehlte assen sie komplett, auch Knochen und Schaedel, um sie endgueltig zu inkorporieren, d.h. in sich fortleben zu lassen, eine Verschmelzung der Seelen- und Koerperkraft des Verblichenen mit dem Wertvollsten, das sie kannten, dem eigenen Leben.

Christus, so bekennen wir, ging uns voraus. Den Urchristen erschien er danach nicht mehr, er kam nicht wieder, und das verursachte eine katastrophale Bestuerzung. Die Stille und Leere, die er hinterliess, liess seine Gemeinde ueber Dekaden in Dunkelheit stuerzen, bis der Mann auf Patmos die transzendenten Worte des Herrn beim Letzten Abendmahl in Erinnerung rief. Der erste Akt des Auferstanden war die Wanderung mit den zwei Juengern nach Emaus, wo er mit ihnen das Brot zum Abendmahl brach. Da erkannten sie ihn.

Der Leib unseres auferstanden Herrn, den er uns jeden Sonntag anbietet. An jedem Tag. Wenn wir die Letzte Oelung empfangen, nehmen wir den Herrn zu uns. Wir verschmelzen mit ihm und gehen ein in seine Herrlichkeit.

„Zu sterben“, sagt Agustin, „wird das Wundervollste in meinem Leben sein. Welche Reise wird mich erwarten? Ich werde euch berichten.“

Der Schamane, der stirbt, tritt stellvertretend fuer die Menschheit vor die Allmacht unseres Schoepfers. Als Ausgeloeschter bittet er um Vergebung.

Die christlichen Padres, die christlichen Frauen sagen uns, die Liebe Gottvaters des Allmaechtigen, des Ewig Unergruendlichen, sein Erbarmen sei unendlich. Das ist die Auferstehung.

Er ist nicht der sich bis in die Unendlichkeit erstreckende Adler des Nichts, der das Bewusstsein des Verstorbenen, das wie ein Funke zu ihm hinaufschwebt, glatt streicht, um es zu verschlingen.

Dies ist das eine Sehen. Der Nagual aus Sonora.

Das andere ist das vertrauensvolle, kindliche Glauben, das in der Gnade unseres Vaters, im Heiligen Messopfer, zum Sehen wird. Im Licht wie im Dunklen, in Ayahuasca wie in der Kommunion.

0 Antworten

  1. Jeanne d’Arc, die Heilige

    Wenig wissen wir über sie, die Nationalheilige Frankreichs, jene, die im zarten Jungfrauenalter von 19 Jahren der Blutgier des sogenannten 100-jährigen Krieges zwischen England und Frankreich geopfert wurde, geopfert zu Rouen am 30.Mai 1431 auf dem Scheiterhaufen, dessen lodernde Flammen das Kind, die Jungfrau, die Kämpferin, die Ritterin verzehren sollten und deren Asche – um keinerlei Reliquien zurückzulassen – in die Seine gestreut wurde. Jeanne d’Arc, die französische Heroine. Johanna von Orléans. Ein bitterer Mythos, eine Heilige. Ein Brandopfer. Das Brandopfer schlechthin. Die Schande der Männerwelt schlechthin.

    [Auszug aus Wikipedia]:

    Kindheit und Jugend

    Weder für Jeanne d’Arcs genauen Tag der Geburt noch für das Geburtsjahr gibt es eine zuverlässige Quelle. Sie wurde während der zweiten Hälfte des Hundertjährigen Krieges zwischen dem König von Frankreich und dem König von England in Domrémy um 1412 als Tochter von Jacques Darc (oder Jacques Tarc, Tare, Dart, Day, Daix) und Isabelle Romée in eine wohlhabende Bauernfamilie geboren. Die üblich gewordene Schreibweise „d’Arc“ taucht erst seit dem 16. Jahrhundert auf, um die Nobilitierung der Familie anzudeuten.

    Im Hundertjährigen Krieg versuchte England aufgrund erbrechtlicher Zusammenhänge seine Ansprüche auf den französischen Thron durchzusetzen. Vorausgegangen war der Tod des französischen Königs Karl IV. Der seit 1328 in England herrschende König Eduard III. erhob als Sohn von Isabelle, der Tochter Philipps IV. „des Schönen“, Anspruch auf den Thron. Französische Rechtsgelehrte akzeptierten diesen Anspruch jedoch nicht, da Frauen und deren Erben von der Thronfolge grundsätzlich ausgeschlossen waren. Schließlich wurde Philipp VI. als Nachfahre der Kapetinger aus der Nebenlinie der Valois am 28. Mai 1328 in Reims zum König gekrönt. Nach der Konfiszierung des englischen Herzogtums Guyenne 1337 durch Philipp VI. landete Eduard III. mit 4.000 Rittern und 10.000 Bogenschützen in der Normandie.

    1415 besiegte der englische König Heinrich V. die Franzosen in der Schlacht von Azincourt und erhob erneut Anspruch auf den französischen Thron. Englische Truppen hatten den Norden des Landes bis zur Loire besetzt. Orléans, der Schlüssel zur Überquerung des Flusses, war von John of Lancaster, einem Bruder Heinrichs V., eingekesselt.

    Mit dreizehn Jahren hatte Jeanne d’Arc laut Gerichtsprotokoll ihre ersten Visionen. In diesen hörte sie die Stimme der hl. Katharina, später kamen die des Erzengels Michael und der hl. Margareta hinzu. Von ihnen erhielt sie den Befehl, Frankreich von den Engländern zu befreien und den Dauphin zum Thron zu führen. Die Erscheinungen wiederholten sich. Am 25. Dezember 1428 verließ Jeanne ihr Elternhaus.

    Wirken im Hundertjährigen Krieg

    Am 1. Januar 1429, im Alter von fast siebzehn Jahren, versuchte Jeanne d’Arc zum ersten Mal, beim Stadtkommandanten der Festung Vaucouleurs, Robert de Baudricourt, vorzusprechen. Beim dritten Versuch bekam sie eine Audienz. Nachdem sie ihn nach einer erfolgreichen Prüfung ihres Glaubens überzeugen konnte, indem sie ein Kreuz küsste, gab er ihr am 22. Februar 1429 eine Eskorte (Jean de Metz, Bertrand de Poulengey; Anhänger des Dauphin) mit, die sie zu Karl VII. nach Chinon begleiten sollte, das sie am 5. März 1429 nach elf Tagen durch Feindesland erreichte. Ein Empfehlungsschreiben Baudricourts kündigte ihren Empfang am französischen Hof an. Sie wurde vom Dauphin empfangen. Jeanne überzeugte ihn, dass sie im Namen des Himmels gekommen sei, um Frankreich aus der misslichen Lage zu retten, und sicherte ihm zu, dass er in Reims zum König von Frankreich gekrönt würde. Niemand weiß genau, wie Jeanne den Dauphin überzeugte; es ist nur bekannt, dass sie sich mit ihm in ein Zimmer zurückzog und ihn angeblich an einer ihrer Visionen teilhaben ließ.

    In Poitiers ließ der Dauphin Jeanne drei Wochen lang von Geistlichen und hochgestellten Persönlichkeiten auf ihre Glaubwürdigkeit prüfen und ihre Jungfräulichkeit von Hofdamen untersuchen. Nach erfolgreichem Bestehen beider Prüfungen beschloss der Kronrat, ihr eine Rüstung anfertigen zu lassen, und stellte ihr eine kleine militärische Einheit zur Seite. Sie machte aus einfachen Räubern Soldaten, wie z. B. aus Étienne de Vignolles, besser bekannt als La Hire („der Wilde“). Ihr erster Auftrag war es, einen Proviantzug nach Orléans durchzubringen. Am 29. April kam ihr Zug in der eingeschlossenen Stadt an. Die Truppen in Orléans wurden von dem Erfolg motiviert und ließen sich überzeugen, einen Ausfall zu wagen. Am 7. Mai ritt Jeanne d’Arc vorneweg. Von einem Pfeil getroffen und vom Pferd geworfen, blieb sie dennoch auf dem Feld. Das beeindruckte ihre Mitkämpfer und steigerte die Kampfbereitschaft des Heeres. Einen Tag später zogen die Engländer von der aussichtslos gewordenen Stellung ab. Bis Juni 1429 waren die Engländer unter der Mitwirkung Jeanne d’Arcs aus den Burgen südlich der Loire vertrieben.

    Am 17. Juli 1429 konnte der Dauphin, wie von Johanna von Orléans prophezeit, in der Kathedrale von Reims als Karl VII. gekrönt werden; Jeanne nahm, mit der Siegesfahne neben dem Altar stehend, an der Feier teil. Der Ruhm Jeanne d’Arcs war auf dem Höhepunkt. Ihr Vater erhielt vom König als Zeichen der Dankbarkeit die Steuerfreiheit. Die königlichen Ratgeber unterminierten den Einfluss Jeanne d’Arcs. Immer wieder bat sie den König, nach Paris vorstoßen zu dürfen – erst nach etlichen strategischen Fehlentscheidungen gab er im September 1429 ihrem Drängen nach. Der Versuch am 8. September 1429 misslang jedoch und Karl VII. wandte sich von ihr ab. Er wollte nun lieber Frieden schließen, entließ Teile der Armee und versagte ihr die Unterstützung in ihrem Bemühen, die Engländer restlos vom Festland zu vertreiben.

    Festnahme und Inquisitionsprozess

    Die von Jeanne d’Arc betriebene Befreiung von Paris blieb erfolglos. Durch Verrat wurde sie am 23. Mai 1430 bei Compiègne von Johann von Luxemburg festgenommen und den Burgundern ausgeliefert. Der Herzog von Burgund wiederum verkaufte Jeanne nach zwei Fluchtversuchen am 18./19. Juni und sieben Monaten in Gefangenschaft für 10.000 Franken an John of Lancaster, den Herzog von Bedford.

    Dieser übergab sie der katholischen Gerichtsbarkeit in Rouen, behielt sie aber in der Burg Bouvreuil, Sitz der englischen Macht in Frankreich, gefangen, wo sie fünf Monate lang in einem Turm eingesperrt war. Nach einem drei Monate währenden Prozess unter dem Vorsitz des Bischofs von Beauvais, Pierre Cauchon, wurde sie „wegen ihres Aberglaubens, ihrer Irrlehren und anderer Verbrechen gegen die göttliche Majestät“ – so ein Gutachten der Universität – verurteilt. Jeanne musste darin ohne rechtlichen Beistand gegen dialektisch und rhetorisch geschulte Kleriker argumentieren. Auf die Fangfrage „Johanna, seid ihr gewiss, im Stande der Gnade zu sein?“ antwortete sie „Wenn ich es nicht bin, möge mich Gott dahin bringen, wenn ich es bin, möge mich Gott darin erhalten!“ Hätte sie behauptet im Stande der Gnade zu sein, wäre ihr das als ketzerische Anmaßung ausgelegt worden, hätte sie es geleugnet, so hätte sie ihre Schuld zugegeben.

    Trotz ihrer einfachen Herkunft und mangelnden Bildung, erwies sie sich als rhetorisch sehr geschickt. Dennoch befand man sie am 19. Mai 1431 in zwölf von 67 Anklagepunkten für schuldig. Die ursprünglichen Anklagepunkte beschuldigten sie unter anderem des Feenzaubers, des Gebrauchs der Alraunenwurzel, der Häresie, der Anbetung von Dämonen (mit Bezug auf die von Jeanne gehörten Visionen, bei denen sie niederkniete) und des Mordes (da Jeanne nicht als Soldat anerkannt wurde, waren alle Männer, die sie in Schlachten besiegte, als Mordopfer zu betrachten). Gefährlich wurden Jeannes gerichtliche Aussagen zudem, weil sie sich dem Urteil der Kirche zunächst nicht unterwerfen, sondern nur ein direkt von Gott stammendes Urteil anerkennen wollte.

    Tod

    Als man ihr nach der Urteilsverkündung eröffnete, der Scheiterhaufen erwarte sie, wenn sie ihren Irrglauben nicht einräume, schwor Jeanne ihren Überzeugungen ab. Vermutlich geschah dies aus spontaner Furcht vor dem Feuertod, wie sie auch in ihrem späteren Widerruf des Geständnisses selbst erklärte. Am 24. Mai 1431 wurde auf dem Friedhof von St-Ouen die Exkommunizierung Jeanne d’Arcs vollzogen, die sich in einem öffentlichen Geständnis in allen Anklagepunkten für schuldig befand. Nach ihrem Abschwören verurteilte man sie als Ketzerin zur lebenslangen Haft, was unter normalen Umständen bedeutet hätte, die Schuldige nun in ein kirchliches Gefängnis zu überstellen.

    Aus politischen Gründen war dieses Urteil für die Anhänger des englischen Königshauses unbefriedigend – war der Prozess doch in Gang gebracht worden, um Karl VII. beim geistlichen und weltlichen Adel als Unterstützer einer Ketzerin zu denunzieren und so politisch zu entmachten. Zudem bestand die Gefahr, dass die Anhänger Karls sie aus einem kirchlichen Gefängnis in Frankreich hätten befreien können, um einen erneuten Schlag gegen die englischen Truppen anzuführen.

    Der einzige Ausweg bestand darin, Jeanne d’Arc erneut einen Prozess zu machen, der sie als unbelehrbare Ketzerin ausweisen musste. So wurde ihr nachgewiesen, dass sie in ihrer Gefängniszelle erneut Männerkleidung angelegt hatte. 1450 äußerte sich Jean Massieu dazu zurückhaltend, möglicherweise aufgrund seiner früheren Stellung als Gerichtsdiener. Jeanne habe ihm erzählt, dass man ihr die Frauenkleider weggenommen und Männerkleidung hingeworfen habe, worauf es mit den Bewachern zu einem länger andauernden Streit gekommen und ihr nichts anderes übrig geblieben sei, als die Männerkleidung anzuziehen, da man ihr keine anderen mehr gegeben habe. Von den schweren sichtbaren Misshandlungen nach ihrem Widerruf, die ein Augustiner bezeugte, erwähnte er nichts. Ladvenu, einem Bettelmönch, dem ihr wohl am nächsten stehenden, vertraute sie an, furchtbar gequält und misshandelt worden zu sein. Ein Edelmann habe versucht, ihr Gewalt anzutun, was sie auch öffentlich so angab. Zum Schutz ihrer Tugend habe sie die Männerkleidung wieder angelegt. Zudem widerrief sie das Geständnis, das sie wenige Tage zuvor auf dem Friedhof bekundet hatte.

    Vier Tage später wurde Jeanne erneut der Prozess gemacht und das endgültige Urteil unter der Regentschaft von John Lancaster gefällt: Verbrennung als „notorisch rückfällige Ketzerin“ auf einem Scheiterhaufen auf dem Marktplatz von Rouen. Am nächsten Morgen, dem 30. Mai 1431, wurde Jeanne verbrannt und ihre Asche in die Seine gestreut, um ihren Anhängern keine Möglichkeiten zu geben, ihre Überreste als Reliquien zu bergen. Dadurch sollte einer Verehrung als Märtyrin Einhalt geboten werden. Dennoch tauchten gegen Ende des 19. Jahrhunderts angebliche Reliquien in Tours auf. Ein Rippenknochen und ein Kleidungsrest wurden 1867 von einem Apotheker an das Erzbistum übergeben. Bei einer Untersuchung in den Jahren 2006 bis 2007 stellte sich jedoch heraus, dass es sich bei dem Rippenknochen um einen Teil einer ägyptischen Mumie aus vorchristlicher Zeit handelt. Ebenso fanden sich Holzstücke und der Oberschenkelknochen einer Katze. Der Kleidungsrest stammt zwar aus dem 15. Jahrhundert, weist jedoch keinerlei Brandspuren auf.

    Jahre nach ihrem Tod gaben mehrere Frauen an, eigentlich Jeanne d’Arc zu sein. Eine dieser Frauen war Jeanne des Armoises.

    Rehabilitierung

    Jeannes Mutter bemühte sich darum, den Prozess neu aufzurollen. 24 Jahre später, am 7. November 1455, eröffnete Karl VII. vor dem Hintergrund veränderter politischer Verhältnisse in der Kathedrale Notre-Dame de Paris einen Rehabilitationsprozess. Karl wollte, nachdem der Hundertjährige Krieg weitgehend zugunsten Frankreichs ausgegangen war, seine Position stärken und der anhaltenden Kritik wegen des Todesurteils gegen die immer noch populäre Jeanne d’Arc ein Ende setzen. Am 7. Juli 1456 wurde das Urteil verkündet: die vollständige Rehabilitierung – allerdings ohne diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die ihren Tod verursacht hatten.

    Heiligsprechung

    Am 18. April 1909 wurde Jeanne d’Arc von Pius X. seliggesprochen und am 16. Mai 1920 von Benedikt XV. heiliggesprochen. Sie ist Schutzpatronin von Frankreich, Rouen und Orléans, für die Telegrafie und den Rundfunk.

    Jeanne d’Arc als nationaler Mythos

    Im 19. Jahrhundert wurde die Gestalt des heldenhaften Bauernmädchens zu einem Nationalmythos der Franzosen verklärt. Sie wurde zum Stoff von Romanen, Theaterstücken und Gesängen, die teilweise in die Weltliteratur eingingen. Da Jeanne sich selbst „la Pucelle“ („die Jungfrau“) nannte, nahm ihr Heimatort diese Bezeichnung in seinen Namen auf und nannte sich Domrémy-la-Pucelle. Ihr Geburtshaus ist erhalten, daneben ist ihr ein Museum gewidmet. An ihrer Hinrichtungsstätte in Rouen steht heute ein Denkmal, daneben eine 1979 eingeweihte und nach ihr benannte Kirche. Auch viele Historiengemälde verklärten sie, zum Beispiel von Dominique Ingres (1780–1867), Paul Delaroche (1797–1856) oder Jules Eugène Lenepveu (1818–1898), der ihr im Pantheon einen ganzen Zyklus von Wandgemälden widmete.

    Die Beliebtheit des Mythos erklärt sich daher, dass Jeanne von beiden Richtungen des stark zerstrittenen politischen Spektrums instrumentalisiert werden konnte: Während die katholischen Monarchisten ihre tiefe Frömmigkeit betonten und Parallelen zur Jungfrau Maria zogen, verwiesen die antiklerikalen liberalen Republikaner auf ihren Mut gegenüber der Obrigkeit, ihren Patriotismus und ihre Herkunft aus der Unterschicht. Während des Zweiten Weltkrieges figurierte sie als Symbolfigur des Widerstandes gegen die deutsche Besatzung, aber auch das Vichy-Regime und der Nationalsozialismus beriefen sich auf sie.

    Seit 1945 wird Jeanne d’Arc wegen ihres Widerstands gegen die fremden Besatzer besonders von der extremen Rechten als Ikone verwendet; so begeht der Front National jährlich am 1. Mai in Paris einen eigenen Gedenktag für die Nationalheilige. In der übrigen französischen Bevölkerung genießt sie zwar weiterhin eine gewisse Beliebtheit, ihr politischer Mythos ist aber weitgehend verblasst.

    (Zitat Wikipedia Ende)

    Mit 16 verläßt das Kind sein Elternhaus, am Weihnachtstag, einem sicherlich bitterkalten. Das Kind hat Visionen. Ja, sie hatte Visionen. Carl Theodor Dreyer stellt sie in seinem so beeindruckenden Stummfilm als Mystikerin dar. Mehr als alles andere stellt er sie in diesem bedrückenden, berührenden Hymnus in Schwarz-Weiß als Mystikerin dar, dieses junge, unschuldige Kind, das zum Schwerte greift, wie ihr der Erzengel befiehlt. Befiehlt er? Er legt es ihr klar. Was für eine bedrückende Vision. Was für eine Kraft, diese auszuhalten. Die Erscheinung des Erzengels, des Feuerkämpfers. Satans Widersacher. Ein Titan. Ihn hält das Kind aus. Ein Kind, Gott übergeben. Ein Engel auf Erden. Ein gefundenes Fressen. Ein gefundenes Fressen. Sie laben sich an dem Kind. Sie laben sich an diesem himmlischen Wesen, all diese Teufel ringsum, alle in Männergestalt. Sie verzehren das Kind in Raten, und alle beteiligen sich. Sie verzehren das Kind bei lebendigem Leib. Sie kosten sein Leiden, seine Todesschreie im Feuer bis zum letzten Laut aus, bis nichts mehr übrig blieb von diesem gottbegnadeten Wesen, und angesichts dieser zum Himmel schreienden Sünde wird klar, Johanna von Orléans verschmolz mit dem Feuer und wurde zum Himmel hinaufgetragen, als wahre Heilige, auf Michaels Armen. Wer zweifelt daran?

    Zurück blieben die Schänder, die Mordlüsternen, die Henkersknechte. Zurück blieben die Stiere, die Stierblökenden, in all ihrer Häme. Die dem Tod Übergebenen.

    An Johanna von Orléans wurden alle schuldig, alle Männer. Doch im Himmel wurde sie mit einer Fackel ausgestattet, ja, einer Fackel, dem Licht der Hoffnung, das sie in die Höhe reckt, sie, die Freiheitsstatue, die Heroine der Freiheit. Keine Frau mehr Symbol der Hoffnung auf Freiheit, keine Frau mehr Verkörperung des todesmutigen Kampfeswillens um Freiheit, dem höchsten Gut des Menschen.

    Ihr Leid war bitter. Sie war eine Märtyrerin. Die eigene Kirche vergriff sich an ihr. Blutschande auf 10 mal 10.000 Jahre. Eine Frau für Äonen. Eine Frau auf Äonen. Wer kommt ihr gleich? Wer kommt ihm gleich, diesem Kind? Jeanne d’Arc: Ein Geschenk, ein gänzlich unerwartetes, im abendlichen Sinnen. La Madre beschert eine ihrer Töchter. Eine ihrer größten. Amen.

  2. Scott Peterson

    Scott kam nach Tamshiyacu etwa um dieselbe Zeit wie Gary Miller und dessen Frau, es muß so um 1995 gewesen sein. Er war US-Amerikaner aus New Mexico, ein Selfmade-Abenteurer, die typische Ausgabe eines furchtlosen Haudegens, der sich durchzuschlagen versteht und dabei keinen Dollar liegen läßt. Scott war eine Art von Schakal. Er war schmalgesichtig, hochgewachsen, drahtig, Hakennase, schmale Lippen und blondes, gekraustes Haar, so wie seine Augenbrauen. Er hatte eine eher schnarrende Stimme, sprach immer Spanisch mit mir, nie Englisch, und er machte sich in seiner typischen Manier nichts daraus, daß seiner Aussprache eben der untilgbare amerikanische Slang innewohnte. Sein Spanisch war das eines rauhbeinigen Cowboys, der zum Wochenende zum Tanzen und Trinken in die Stadt kommt. Scott trug immer Jeans und immer Cowboyboots und nichts anderes. Das war sein unverwechselbarer Auftritt. Er sprach langsam und sah einem dabei direkt in die Augen. Er sprach keinen Unsinn. Er vermied die amerikanischen Unsitten, aber in seinem Sprechen war etwas Anschleichendes, etwas Vorsichtiges, ohne daß er jedoch jemals in seinem Redefluß gezögert hätte.

    Scott kam allein. Seine Frau, eine Bolivianerin, lebte mit den drei Kindern bereits in den Staaten. Sie hatten zwei Häuser, eines in Bolivien (in der Sierra) und eines in der Wüste, in den Staaten eben. Scott war, neben Anderem, Skilehrer. Er kannte Aspen wie seine Westentasche und wußte, wer von den dortigen Skilehrern etwas taugte und wer eine taube Nuß war. Er kannte auch alle dortigen “Men from Austria”, die emigrierten Skilehrer eben. Das war eine unserer anfänglichen Conncetions: Die ungefährlichen Berg- und Naturliebhaber “from Austria”. Irgendwann, so gestand er mir nebenbei, ödete ihn alles an und er beschloß, das Land, aber nicht die Szene zu wechseln. Und so ging er nach Bolivien. Die dortigen Mädels waren bei weitem problemloser als die kaprizioesen US-Girls. Er heiratete jene Frau, die er geschwängert hatte. Er war ein Mann von Ehre. Nach dem dritten Kind zogen sie in die Staaten, doch Scott hielt es nicht dort. Er hatte den Geruch der Freiheit geatmet, Sierra und Dschungel, beides in Bolivien noch intakt. Doch er ging nicht zurück nach Bolivien. Er verkaufte das Haus und kam nach Iquitos, und mit dem Riecher eines instinktgeleiteten Geschäftmannes zog er nach Tamshiyacu, in die Quebrada Tamshiyacu hinauf, eine damals entlegene, vollkommen ursprüngliche Flußgegend. Er nannte sein Anwesen “Retiro Altiplano”, wohl aus Nostalgie. Als gefuchster Amerikaner wußte er um die Risiken der Medizin. Ayahuasca kann man nicht jedem Amerikaner so ohne weiteres vorsetzen, doch mit der Zeit verstärkte er diese Schiene und so konnte es nicht ausbleiben, daß er mit Don Agustín zusammentraf. Der lehrte ihn einiges, doch beide schwiegen sich zeitlebens aus, was der Gegenstand ihrer Zusammenarbeit schlußendlich war.

    Scott hatte schnell Erfolg. Er promotete sein Anwesen in den Staaten konsequent. Scott war die Konsequenz pur. Hatte er sich für eine Linie entschlossen, ging er diese ohne Zögern und investierte. Er installierte Satelliteninternet und konstruierte Baumhütten. Das rechtfertigte seine Hochpreispolitik, 200,- $ pro Tag, und seine Landsleute zahlten diesen Preis, ohne mit der Wimper zu zucken. Und er kaufte systemmatisch Land, das bereits tituliert war. Der Schutz der Natur war ihm ein Anliegen. Allen Anrainern war klar, die Existenz dieses “Gringos” an einem dermaßen abgelegenen Ort kann für zwielichte Gestalten auf die Dauer nur eine unwiderstehliche Provokation bedeuten, und in der Tat, so war es: So wie Scotts Landsmann Gary Miller an der Quebrada Collpa eines Nachts, am Wochenende, von dessen eigenem, doppelt vermummten Vorarbeiter und dessen Bruder samt einem dritten, bis heute unbekannt gebliebenen Komplizen überfallen und niedergeschossen wurde (Gary Miller fällt zu Boden. Seine Gattin schreit auf und läuft in das Wohnhaus, ein mehrstöckiger Holzbau; hechtet die Stiegen hinauf, ohne Lampe, es ist Mondnacht, der Spießgeselle, unter seiner Maske hechelnd, ihr nach; Laura Miller erreicht den vierten Stock, das oberste Geschoss, ihr Schlafzimmer (darunter Wohnraum, Eßraum und Bibliothek); sie greift nach ihrer Waffe, eine 12-Schuß-Smith & Wasson, wirbelt herum, zwei Schüsse auf den Verfolger, bumm, bumm, der Mann ist auf der Stelle tot, Laura Miller schnellt zur Brüstung, zwei Schüsse in die Tiefe, der zweite taumelt und humpelt davon, der dritte ist bereits fort. Ja, so war es, 1995, an der Quebrada Collpa, kein berühmtes Kapitel für Tamshiyacu, der eigene Vorarbeiter, ein Familienvater, mit angerußtem Gesicht, Kaputze und künstlichem Schnurrbart, im eigenen Blut bis zum Morgengrauen, bis zu jener Stunde, als Laura Miller ihren Mann, dem zum Glück nur ein Fingerglied fehlt und der sich im Schock einfach fallen hatte lassen, allein lassen konnte, um Hilfe zu holen, und so kommt Kommissar Vinzenz auf dem Motorrad mit ihr angerauscht – die weitere Polizeikompanie zu Fuß erst später hinten nach – Vinzenz examiniert den Toten, er sieht, der Spießgeselle ist nicht nur vermummt, er hat rußgeschwärztes Gesicht und einen künstlichen Schnurrbart, er wäscht alles mit einem Kübel Wasser schwuppdiwupp kurzentschlossen hinweg, Laura Miller schreit auf und muß sich setzen, “José!”, der Vorarbeiter, “Wieviel Männer waren es, Señora?”, “Drei!”, “Aha!”, Kommissar Vinzenz steigt auf das Motorrad. “Sie bleiben hier, Señora, und kümmern sich um Ihren Gatten, ich mich derweilen um den Fall", und er rauscht ab, sofort zum Haus des Bruders des Attentäters, Vinzenz tritt, die Waffe in der Hand, die Tür ein, einfach so, total verschrockenen Kinder blcken ihn großäugig an und eine Frau mit tränenverschmiertem Gesicht auf dem Boden, im Bett eine weitere Leiche im eigenen Blut. “Das hat er sich selbst zuzuschreiben, dieser Narr! Und Du, hast Du davon gewußt?”, und das Weib bricht schluchzend wimmernd zusammen. Und am nächsten Tag wird der Freund der Brüder, ein im Dorf nicht unbekannter Herr, in dessen eigenem Haus hochnotpeinlich befragt, doch dieser Herr ist mit allen Wassern gewaschen, er hat ein stichfestes Alibi, er lag bei einer Frau, sie beschwört es, und Kommissar Vinzenz weiß bis zum heutigen Tag nicht, dieser Mann, wenn er es war, der fürchtete weder Gott noch den Teufel, und so blieb der dritte Mann bis zum heutigen Tag unaufgedeckt), und Scott Peterson sagte sich also zeitgemäß: “Nun, ich habe nicht das Glück, mit einer medaillengeschmückten US-Meisterschützin, die ihre Waffen griffbereit und geladen bereit hält, verheiratet zu sein, ich muß da selber Vorsorge tragen”, gesagt, getan, Scott Peterson beschafft sich das geeignete Arsenal und rüstet sich mit mehreren tausend Schuß Munition aus, und vergangenes Jahr bietet mir einer der Arbeiter eine Hi-Tec-Pump-Gun, ein schweres Ding, aus Scotts Nachlaß an, Listenpreis 1.500,-$, sagt er, “für Sie um 800,-$”. Das Riesending liegt mitten auf dem Eßtisch. “Nein” sage ich, “unsere Politik ist: Null Waffen!”, und der ehemalige Arbeiter erwidert: “Ja, vielleicht besser so, vor dem Gringo hatten alle Angst. Er hatte alle Waffen aus den USA, alle lizenziert. Mehrere tausend Schuß Munition, alles importiert, nicht von hier. Keiner hielt ihn für einen Verbrecher, aber es stimmt, was man sich von ihm erzählt, er trug immer einen oder manchmal sogar zwei Revolver im Holster, und er zielte auf einen, wenn er wütend war und schoß in die Luft. Und es gibt ja das Gerücht, daß auch er einmal überfallen wurde, am Anfang, er war ganz alleine im Camp, ohne Wächter, am Wochenende, man hat auf jeden Fall im nächsten Caserio Schüsse gehört, aber keine Leichen gefunden. Der Gringo hat ab da alle Wächter mit “Retrocargas” ausgestattet. Damals wurde José Raoul Huanaquiri Vorarbeiter, Sie wissen ja davon.” Das ließ mir dann doch keine Ruhe und ich fragte Marcelo Lomas, meinen Vorarbeiter, um seine Meinung. Marcelo war an der Quebrada geboren und zählte neben dem verstorbenen Manuel Ahu zu den versiertesten Dschungeltrappern. Seine Antwort war kurz und vielsagend: "In Peru hast Du ein Problem, Sahib: Was machst Du mit der Leiche? Denn die Polizei will Bakschisch, egal, wie der Fall gelagert ist. Aber Scott war mit allen Wassern gewaschen. Was essen wir gerade, Sahib?" Mein Blick fällt auf meinen Teller. Der goldbraun geröstete Grillfisch schmeckt köstlich. Das Maul des Pirañas ist impressionant. "Ich habe einmal gesehen, wie sie eine Kuh verzehrt haben, Sahib. Eine Schußwunde genügt. Von der Kuh blieb nichts übrig." Marcelo grinst mich über den Tisch breit an, und Carlos Lomas, der Jaguar-Jäger, sein ältester, kann sich ein beinahe irres Feixen nicht verhehlen. "Nichts, Sahib!" Damit war alles klar.

    Ich fragte deshalb Scott einmal, ob er ein Nachtsichtgerät habe. “Selbstverständlich!”, war seine lapidare Antwort. Ich betrachtete seine Augen und verstand, daß er verstanden hatte, was ich eigentlich wissen wollte. Und ich verstand, daß er verstanden hatte, daß seine Antwort bei mir in ein stilles Grab fallen würde. Und daß wir in diesem Moment überhaupt gleich tickten. Das war der Anfang unserer Wildwest-Freundschaft.

    Wie auch immer, Scott verstand es auf magische Weise, die richtigen Medizinmänner anzuziehen, und nach einem Startintermezzo mit den Mestizen vor Ort – so auch Luis Panduro und Don Agustín -, begann er systematisch Shipibos aus Pucallpa anzuheuern. Er legte Wert auf Ursprünglichkeit. Was jedoch niemand wußte: in den Staaten galt er als der große Schamane. Scott, der Ayahuascero, der Pionier im peruanischen Dschungel, der auf You-Tube “kristallklar” die Eigenschaften der “Madre” zu erklären versteht. Scott verstand etwas von Marketing, und skrupellos war er sowieso, wenn es darauf ankam. Er kannte seine Pappenheimer, und wie! Ja, Scott war erfolgreich. Er hatte sein eigenes blaues Schnellboot, einen Johnson-Außenbordmotor mit 150 PS, für das leichte Boot “oversized”, aber so gefiel es ihm: dahinzurasen in eleganten Kurven, hoch und weit ausschwappende Seitengischt, die arme Kanuisten, die ihm die erhobenen Fäuste nachzeigen, voll abduscht, und dabei lässig ein Schluck aus der Papptüte, wie es in den Staaten üblich ist, wenn man öffentlich trinkt. Seine Fahrmanieren hätten ihm eines Tages um ein Haar das Leben gekostet, denn auf der Quebrada schoß man am helllichten Tag, als er gerade wieder mal vorbei fuhr, auf ihn, offenbar ein Racheakt. Die Schrotladung prasselte hinter seinem Schädel vorbei, Scott lachte nur. Bericht von José Raoul. Der faßte sich ein Herz und erklärte ihm, “Scott, bitte in der engen Quebrada langsam fahren! So gewinnst Du keine Freunde!” “Auf solche Freunde kann ich verzichten!”, war seine Antwort.

    Scott war jähzornig gegenüber den Peruanern. Sie waren dumme “Cholos”, Unkultivierte. Eines Abends zertrümmerte er mitten auf dem Maleccon, der Uferpromenade in Iquitos, einen Telefonposten, weil der nicht funktionierte und ihm das Münzgeld nicht zurückgab. Die heranschlendernden Polizisten kanzelte er rabiat ab, und als diese sich diesen Ton nicht bieten lassen wollten und zu einer “Amtshandlung” voranschreiten wollten, steigerte sich Scott nochmals und wurde über alle Maßen ausfällig, sosehr, daß den beiden Amtsherren das Herz in die Hose fiel und sie den verrückten Gringo verrückt sein ließen und abzogen. “In diesem Land funktioniert nichts”, so sein Kommentar, “nur die “Coima”.

    Seltsamerweise war Freund Scott mir gegenüber das Lamm in Person. Wir hatten guten Kontakt, jedes Mal. Einmal, er kommt gerade aus der Bäckerei von Don Sheshico, ich schlendere gerade heran, pumpt er mich um 20,- Soles an. Etwas ungewöhnlich für Scott, aber damals lief gerade das Gerücht, er bezahle seine Arbeiter aus Geldmangel nicht. In ein paar Tagen habe ich es wieder zurück. Er habe gerade nichts eingesteckt. Nach vier Tagen hatte ich es wieder, so als hätte er auf mich gewartet, laufen wir einander wieder über den Weg. Um jene Zeit war es auch, als ich Agustín zum ersten und einzigen Mal zu Scott sprechen sah, wieder direkt vor Sheshico, Agustín bringt gerade eine Gruppe von gicksenden und gluckernden Besuchern zum Hafen, sieht Scott und mich palavern und knöpft ihn sich ungeniert vor: “Vergiß nicht, Du hast noch eine Rechnung bei mir offen, Scott! Wie lange willst Du noch warten?”

    Scott war kein Ayahuascero. Er nahm an den Zeremonien teil, doch er trank stattdessen Coca Cola und Rum. Wer jemals die Medizin der Shipibos gekostet hat, weiß, warum. Und Scott überzeugte sogar den Oberhäuptling der Shipibo-Conibo, “Kestembetsa”, bei ihm aufzutreten, als dieser von Pucallpa nach Iquitos flüchtete. Wer hätte das jemals gedacht? Der berühmte Don Guillermo Arévalo Valera tritt bei Scott Peterson, nur einen Steinwurf von des "Intimfeindes" Don Agustins Yushintaita fern, für Gringotouristen auf und serviert Hardcoremedizin, die den Unvorbereiteten schon mal über den Jordan schicken kann! Don Guillermo blieb nur eine gewisse Zeit. Sie stritten sich um das Honorar, verständlich. Der Meister serviert fünf Mal die Woche, während Scott aus der eigenen Flasche anderweitige Medizin zu sich nimmt. Aber was meinem Freund Kestembetsa wohl gar nicht geschmeckt haben wird, war wohl der Revolver unter Scotts Kissen, mitten in der Zeremonie. Scott rechnete immer mit Überfällen, erst recht während der Zeremonien. Und auch Guillermo lernte von Scott. Deshalb sind bei Guillermo die Betreuer der gehunfähigen Zeremonialteilnehmer die eigenen Wächter, bewaffnete Männer, die zwei Schüsse in die Dunkelheit abzufeuern haben, als Warnung an mutmaßliche Übeltäter.

    Scott Peterson war traurig. Seine Freundin, ein für Peru ganz und gar untypisches, im Englischen fließendes Vorzeigestarlett, tröstete ihn nicht darüber hinweg, daß er, so scheint es mir heute, ohne Heimat lebte. Zeitweilig fuhr er nach Bolivien Skifahren. Seine Familie sah er praktisch nie. Und so trank er und rauchte.

    Es war vergangenes Jahr im Februar, Freund Lukas war gerade zu Besuch. Es ist Vormittag, ein grauer Tag, ein Eilbote hechelt ins Haus. “Scott ist tot, sie haben ihn im Boot hergebracht. Unten am Hafen liegt es.” Wir marschieren die paar Meter hinunter zu Gibachos Hafen. Gut 150 Personen haben sich bereits versammelt. Tatsächlich, Scotts eigenes Schnellboot, “Refugio Altiplano“, darin eine aufgelöste Frau, schräg verrenkt hingekauert. Seine letzte Freundin, eine Belgierin, so sagt man. Jorge Rengifo, der Gouverneur des Distriktes, und der Dorfrichter Hilber Tananta stehen vorne. Jorge hat die Leiche kurz inspiziert. Auf den ersten Blick keine Gewaltanwendung feststellbar. Polizeichef Vinzenz wird nicht gebraucht. Jorge ordnet eine Überstellung nach Iquitos an, Routineobduktion, für den Fall der Fälle. Allem Anschein nach Tod durch Selbstverschulden. Leichnam urinierte in trunkenem Zustand von der Balustrade seines Wohnturmes, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe, Genickbruch, keinerlei Schädelzertrümmerung feststellbar. Ich erkläre Lukas, wer Scott Peterson war, und beten das Vater unser. Farewell, Scott.

    Ich habe anfangs, nach Scotts Tod, eine Zeit lang gerungen, über ihn zu schreiben, denn er war es wert, doch die Zeit war nicht reif. Etwas hielt mich davon ab. Immer, wenn ich zuhause, bei den Schwiegereltern, auf der Toilette sitze, sehe ich das scharf geschnittene Rabengesicht eines Schamanen im Steinboden. Ein Schamane im Fell mit dem Kopf eines Babyhippopotamos auf dem Fellkopf. Stechende Augen. Ich erinnere mich nicht an die Träume von heute Nacht. Doch dann, mit dem Besteigen des Frühmorgenbootes von Eugenio Bazan, stand er plötzlich vor mir, dezent und unaufdringlich, der “Conquerer of the Andes and the Jungle”, der von einem “Retiro” auf dem Altiplano träumte und der das Duell nicht scheute. A true Westerner by himself.

    P.S. Vergangenen November lernte ich Scotts Witwe kennen. Sie weilte wegen des Anwesens im Lande. "Refugio Altiplano" und rund 450 Hektar titulierter Besitz, Wald, stehen zum Verkauf, die Dame nannte 3,5 Millionen Dollar. Leider.

    Scotts Leichnam wurde, so die Insider, in die Staaten überführt.

  3. IHM folgen

    Mein Gehör hat sich verändert. Ich höre Flüstern. Ich sehe alle Blicke, und sie sprechen. Ich höre den Flügelschlag der Eulen im Vorbeifliegen. Es gibt eine große Stille. Der Atlantik bei Nacht, kein Mond. Die Oberfläche spiegelglatt. Nicht einmal ein Krausen, und dunkel. Stille senkt sich über Europa, so wie die Stille im Sarg. "Die Stille einer Gruft", sagt eine Dame. Die Stille des Zum-Stillstand-Kommens. Stille von höherer Gewalt.

    Die Welt hörte für die Frauen und Männer des Herrn – jene, die ihm die knapp drei Jahre hinweg gefolgt waren – an jenem bleigrauen Karfreitagnachmittag auf zu existieren. Es war die neunte Stunde, als der Vorhang im Tempel entzwei riß. Der Mensch gewordene Gott starb am Kreuz und stieg in das Reich der Toten hinab. In das Reich jener Toten, die auf ihn seit Ewigkeit gewartet hatten. Er brachte ihnen die Erlösung. Denn die Auferstehung ist nichts Anderes als Erlösung. Erlösung vom Tod.

    Wir sehen unmittelbar: Diesem Glauben kann sich niemand entziehen. Und von diesem Glauben leitet sich alles Andere ab, alles, auch die Nächstenliebe.

    Glauben zu können, so sagt man, ist Gnade, Geschenk. Eines Tages senkt sich diese Gnade auf uns herab und wir werden ruhig. Nach und nach verstehen wir, was das heißt: Das Erlsöungswerk des Herrn, gekrönt von seiner Auferstehung. Das ist Ostern. Wir sind immer noch in der nachösterlichen Zeit. Heute, morgen, und über Pfingsten hinaus. Ewiglich.

  4. Die Buben von Srebrenica

    Ihr Kinder von Srebrenica, ihr Buben, ihr Jünglinge. Was haben Sie an euch verbrochen! Ihr Väter, ihr Männer, ihr Greise, so wehe, wie sie euch auslöschten, eigenmächtig, ein Mord, ein Verbrechen, gegen euch und die Schöpfung.

    Ich höre euch klagen, ich höre euch weinen. Dieses Verbrechen wurde nie gesühnt, und es gibt nur einen, der Sühne fordern wird, der Sühne einleiten wird. Und ob er verdammt, wie geschrieben steht, ist göttliches, und nur göttliches Recht.

    Sie haben euch getötet wegen eures Glaubens, wegen eurer Abkunft. Sie haben euer Land besudelt, eure Heimstätte. Sie haben eure Familien zerrissen. Niemand wird hier auf Erden dieses Vergehen, dieses zum Himmel schreiende Vergehen heilen können, sosehr er auch gewillt sein mag. Hier hilft nur Gebet, im Stillen, wie in den Kirchen und Moscheen.

    Ihr Menschen von Srebrenica, ihr Buben, Burschen, Jünglinge: Vergebt den Lebenden, daß sie leben. Ihr seid im Licht, ihr seid im wahren Leben. Ihr seid in der göttlichen Gerechtigkeit, Amen.

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel