Die Kuechenchefin in Yushintaita, Aurelia, langjaehrige Wegbegleiterin Agustins und Spielgefaehrten aus zarter Kindheit, hat unter anderem einen Sohn, von dem sie nie spricht, doch bei dessen Nennung, wenn man das Gespraech auf ihn lenkt, ihre Augen zart leuchten. Er ist im Dorf gemeinhin nur als „Gino el Loco“ bekannt, so wie eine Handvoll Anderer auch, jene, die an einer Geistesstoerung leiden und die man nicht mehr mit ihrem wahren Namen ruft. Gino el Loco zaehlt heute an die knapp 40, wahrscheinlich; seine hagere, etwas heruntergekommene Erscheinung und der immer verschlossene, scheue Blick verschleiern sein Alter. Die Leute behaupten gemeinhin, er sei im Studium der Schwarzen Magie verrueckt geworden. Er sei sehr talentiert gewesen, die Mutter habe grosse Hoffnungen in ihn gesetzt. Er habe Tag und Nacht in seinen Buechern gelesen. Beim Studium des letzten Bandes habe man ihn dann eines Morgens unansprechbar in seinem Verschlag gefunden, nicht mehr er selbst. Seit damals hat er sich nicht geaendert. Die Buecher habe Aurelia verbrannt. Es habe nichts genutzt.
Gino el Loco bewegt sich wie ein Geist. Man hoert seine Schritte nicht. Er taucht nicht in Menschenansammlungen auf, scheut geradezu die Menschen. Das erste Mal, als der Chronist auf seine Person stiess, vor Jahren, erzaehlten die spielenden Kinder, er solle sich in dem einsamen, zweistoeckigen Holzhaus da gegenueber, ueber dessen Eingangstuer bei helllichtem Tag eine Lampe brannte, aufhalten. „Du darfst da nicht hineingehen. Der da drinnen wohnt, ist gefaehrlich und kann ausfahren.“ Erst Tage spaeter verweisen andere mit leiser Stimme auf seine Herkunft.
Das zweite Mal stiess der Berichterstatter auf den Geist selbst, es war auf dem Rueckweg von Yushin, an einem strahlenden Vormittag, unter dem in leuchtender Bluete stehenden, ausladenden Mangobaum, ein paar Steinwuerfe vom Friedhof entfernt. Es war ein stiller, menschenleerer Vormittag, und er sass darunter. Die einzige Bewegung, die man wahrnehmen konnte, war sein sich zur Brust hinabsenkender Kopf, mit der er sich in einen Schleier huellte. Die unheimliche Stille des leuchtenden Bewusstseins stimmte den Vorbeigehenden unbehaglich, sodass er nicht den Mut fand, sich dem Dasitzenden zuzuwenden.
Das dritte Mal nun war eine Wiederholung an zwei Tagen. Ploetzlich, es ist noch Vormittag, gegen 11 Uhr, die Dorfstrasse leer in der Hitze, als er wie ein Schatten heranschwebt, mit 6 Toronjas im Hemd, aus irgendeinem Garten unreif aufgelesen, zum Verkauf. Er redet nichts, legt sich auf den mit Mosaiken durchsetzten Vorbau, seltsam verkruemmt. Spaeter setzt er sich auf, lehnt sich an die Wand. Noch spaeter steht er auf und betastet die Blaetter des Mangobaums. Am darauffolgenden Tag kommt er wieder, setzt sich in den Ruecken des Lesenden. Kein Mensch weit und breit. Es ist Zeit, die eigene Voreingenommenheit und Nachlaessigkeit abzustreifen. Ein Krug eisgekuehlten Wassers. Im Nu getrunken. Wie wenig muss dieser Mann zu sich nehmen. Die dargebotenen Aepfel verzehrt er nicht, sondern wickelt sie in sein Hemd ein, legt sie in die Ecke des Vorbaus, bedeckt sie mit einem Zweig, geht eine Weile fort, kommt wieder und entfernt sich, lautlos, zwischen Punkt und Komma. Keines der Kinder beachtet ihn. Beim naechsten Augenaufblicken ist er bereits verschwunden.