Ayahuasca
Bevor ich nach Peru gegangen bin, hatte ich schon so einiges über dieses Gebräu gehört und gelesen, daher wurde der Ruf in mir immer stärker, Ayahuasca in seiner Heimat einzunehmen. Bis zum zarten Alter von 35 Jahren hatte ich eigentlich keine Erfahrung mit ‚Drogen‘, in meiner Jugend ein paar mal Joints mitgeraucht, aber das kann ich an zwei Händen abzählen und beeindruckt hat es mich nicht besonders. Eigentlich war ich mehr abgestossen vom Gebrauch bewusstseinsverändernder Substanzen, weil ich im Äusseren damit sehr viel schlechte Erfahrungen gemacht und mitbekommen habe. In meiner Familie gab es ein Alkoholproblem was dazu führte, dass ich mit physischer und vor allem psychischer Gewalt in Kontakt gekommen bin. Als Jugendlicher machte ich ebenso persönliche Erfahrungen mit dem Alkohol, aber er hat mir nie geschmeckt und was ich dann noch in meinem Freundeskreis mitbekommen habe, das hat mich nur abgeschreckt. Das galt auch für den Cannabis und wie die Veränderungen meiner Freunde bei mir angekommen sind, so dass ich mit dieser Pflanze ebenfalls keinen weiteren Kontakt mehr suchte. So habe ich schon vor 20, sowohl keinen Alkohol mehr getrunken und bis 35 auch keine andere Art von Substanz eingenommen die mein Bewusstsein verändert.
Lange haben meine damaligen esoterisch-spirituellen Ideen so etwas auch nicht zugelassen, Drogen passten scheinbar einfach nicht zur Suche nach Gott, Licht und Liebe. Erst als ich im Verlauf und meiner Suche nach mehr persönlicher und tieferer Heilung, mit den Büchern von Stanislav Grof in Kontakt gekommen bin, hat diese eine erste Meinungsveränderung bei mir bewirkt. Daraus entstand dann auch der Wunsch, dass ich in einer Gruppe mitmachen kann, die mit der Hilfe und Unterstützung von Substanzen wie LSD tiefer in die eigenen Psyche eindringt, um diese erforschen und ergründen zu können.
Therapien konventioneller wie unkonventioneller Art hatte ich über die Jahre schon probiert und mal mehr oder weniger lang Erfahrung damit gesammelt. Bis zu einem gewissen Grade bin ich damit auch gewachsen und heiler geworden. Ich war damals aber an einen Punkt in meinem Leben gelangt an dem es nicht mehr weiter ging, mein Inneres und mein Äusseres stand Kopf. Viele Gebete sind gen Himmel gegangen, bis mir eines Tages ein alter Bekannter verriet, dass er in einer begleiteten und gut geführten Gruppe mitmacht, die mit Hilfe von Substanz die eigene Psyche erforscht und Heilung und Erweiterung des Bewusstseins anstrebt. Das war für mich eine Offenbarung, es war wie ein Wunder und trotz Widerstand in meiner Familie, bin ich dann ein paar Wochen später das erste mal in dieser Gruppe mit dabei gewesen. Ab da setzte ein Prozess ein, der bis heute angehalten hat und um es kurz zu machen, ich bis heute nichts besseres und tieferes kennengelernt habe!
Auf diese Weise bin ich mit verschiedenen Substanzen in Kontakt gekommen, nie aber habe ich sie zum Vergnügen konsumiert, sondern immer in einem mehr oder weniger geheiligtem Rahmen, zusammen mit einer kraftvollen Absicht und Ausrichtung. Auf einige dieser Substanzen habe ich besser reagiert, andere sind weniger passend mit mir und dem, wer und was ich bin. LSD z.B. geht mir zu lange, ist mir zu anstrengend, ‚künstlich‘ und überflutet mich mit so vielen Bildern, dass es mir zu viel ist. MDMA hingegen hat mir viel Heilung gebracht im Bereich meiner Traumen und psychischen Verletzungen, dasselbe gilt für die heiligen Pilze, die auch sonst der Art meines Wesens sehr nahe sind. ……… und das erste mal Ayahuasca hatte ich dann zusammen mit einem Schamanen aus Kolumbien, in einer Zeit, als diese heilige Substanz in der Schweiz noch nicht verboten war.
Diese Ayahuasca-Erfahrung damals ist mir nicht besonders gut in Erinnerung geblieben. Es waren mir zu viele Menschen die an diesem Ritual teilgenommen haben, eine Art Massenkonsum und es bestand gar kein persönlicher Raum. Ausserdem habe ich nur gelitten, bis ich dann nach längerer Zeit endlich erbrechen konnte. Eine zweite Erfahrung machte ich mit einer Gruppe aus Holland die mit einem Ayahuasca-Analog arbeiteten und das mir tiefe und starke Einsichten brachte. So war ich dann jedenfalls gespannt wie es in Peru sein würde, mit einheimischen Curanderos und Ayahuasca-Schamanen und an dem Ort wo die Pflanzen und der Geist des Ayahuasca zu Hause sind.
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Das erste Ayahuasca-Ritual in Peru machte ich im Hause meines Reiseführers im Dorf Tamshiyacu. Davor hatte er mich schon zu Don Agustin mitgenommen (dazu später mehr) und am Abend lernte ich Don Luis Panduro Vasquez kennen, der das Ritual führte und begleitet. Mit dabei am Ritual waren auch ein paar wenige Dorfbewohner, darunter eine Frau die das erste mal Ayahuasca einnahm und ich staunte, …………. der älteste Sohn meines Reiseführers, der, wenn ich mich recht erinnere, damals um 12 Jahre alt war. Das alleine zeigte mir schon, dass ich es hier mit einer anderen Kultur und auch Sichtweise zu tun hatte und davor hatte ich Respekt, ebenso vor dem jungen Mann, der sich da kraftvoll mitein gab.
Ich meine, schon das Haus selbst war völlig anders als ich es gewohnt war, gegen hinten sehr einfach, offen, Hund, Katzen und Hühner gingen ein und aus, für mich verbetonierter Westler das pure Paradies – aber auch ungewohnt und etwas gewöhnungsbedürftig. Für das Ritual ergab sich für mich damit eine seltsame und interessante Atmosphäre und noch heute fühle ich mich privilegiert, das erlebt haben zu können. Aber diese erste Ritual selbst, war teilweise der nackte Horror für mich; noch nie habe ich mich so gefürchtet während eines Rituales, noch nie habe ich so gelitten.
Den Blick von Don Lucho sehe ich noch heute, wie er mich eingeschätzt und mir dann das Ayahuasca eingeschenkt hat. Ein voller Plastikbecher und ich hatte die Befürchtung, dass das des Guten zuviel sein könnte, denn aus meinen doch ziemlich angesammelten Erfahrungen mit Ritualen wusste ich, dass mein Organismus teilweise auf sehr wenig Substanz schon sehr intensiv reagieren kann. Aber Don Lucho hatte einen schwergewichtigen Mitteleuropäer vor sich und hinterher kam es mir etwas vor, als ob dieser ‚gepanzerte‘ Träumer mit dem Brecheisen geöffnet werden solle. (Später aber musste ich erkennen, dass dies eher eine gewöhnliche Grundportion für einige der Einheimischen war.)
Die Einnahme des Ayahuasca war fast eine kleine Initiation für sich, ich habe nie etwas gräulicheres eingenommen und musste schon zu Anfang dagegen ankämpfen, es nicht gleich wieder zu erbrechen. In der Dunkelheit aber fühlte ich mich wohl, nur noch eine Kerze auf der Toilette brannte und verbreitet ein Schummerlicht. Sehr schnell fing ich die Wirkung und die Kraft der Dschungelmutter an zu spüren und das ‚Tor‘ zeigte sich, jene ‚Türe‘ die ich zwischenzeitlich recht gut kannte und die ich jeweils erwischen musste, damit mich das Sakrament in meine persönliche Tiefe und geistige Welt bringt. Wie aber befürchtet, war für mich und wie ich mich kenne, das Ayahuasca zu hoch dosiert und es gelang mir nur kurz, durch den Türspalt zu blicken und dann rauschte ich am Tor vorbei.
Aus meinen Notizen:
"So sah ich nur kurz durch den Spalt (symbolisch gesprochen) und eines war, dass Bilder der Maya auftauchten, Stelen und dergleichen. Am Anfang und am Schluss des Rituales konnte ich deutlich fühlen und wahrnehmen, dass mich die Mayakräfte beschützen und umgeben, oder immer noch beschützen und umgeben, ich vermute, von meiner Reise und Initiation in Guatemala her. ……………….. Ich konnte fühlen, dass ich erfüllt bin mit vielen Menschen, aber nicht wirklich mit mir selber. Ich sollte aber ausgefüllt sein mit mir selbst, vor allem mit mir, nicht die Verantwortung übernehmen für andere, die müssen für sich selber schauen………… der Tabak ist (noch) nichts für mich, damit soll ich nicht arbeiten."
Der lange andere Rest des Rituales aber ging fast über meine Kraft hinaus und war eines der schlimmsten Dinge die ich je erlebt habe. Ich glaubte sterben zu müssen, es hatte aber nichts mit einer Todeserfahrung zu tun, wie ich sie aus der Arbeit mit Substanz ziemlich gut kenne und die ebenfalls sehr viel Angst auslösen kann. Hier war es für mich ein Sterben durch ‚Vergiftung‘ und ‚Überdosierung‘!
Die Kraft war so stark, dass es mich teilweise immer wieder aus dem Körper herausriss und zwar mit brutaler Gewalt. Ich hatte kaum noch eine Kontrolle über mich und meinen Körper und konnte nur noch stöhnen und immer wieder erbrechen und weiter erbrechen. Wenn Don Lucho seine Icaros sang, dann wurde es zu einer inneren Höllenfahrt und es war, als ob eine Faust in mich hineinstiess, mich und meine Seele packte und endlos schüttelte. Um mich hörte ich auch andere stöhnen, erbrechen und auf die Toilette gehen, aber besonders intensiv schien die Frau zu leiden, die das erste mal an einem Ritual teilnahm.
Irgendwann taumelte ich selbst auf die Toilette, mich kaum auf meinen Beinen halten könnend. In der Hoffnung das Ganze etwas zu mildern nahm ich Notfall-Tropfen (Bach-Blüten) ein und wider Erwarten bewirkten sie genau das Gegenteil, sie verstärkten den Prozess gar noch mehr. Das Ganze schiene endlos zu gehen, bis ich irgendwann spüren konnte, dass die Wirkung nun langsam nachliess – Halleluja, ich würde doch weiterleben! Bei der Frau wirkte es aber immer noch und sie erbrach endlos und stöhnte und quälte sich noch lange, selbst als das Ritual das Ende erreichte. Ich selbst schleppte mich dann nur noch zu meinem Schlafplatz, enttäuscht, desillusioniert und war überzeugt, dass es das für mich gewesen ist und ich nie mehr Ayahuasca einnehmen würde.
Noch die nächsten Tage hatte ich ein seltsames Brennen in meinem Kopf und Gehirn, ebenfalls im Energiefeld um mich, es war, als ob etwas gerissen oder zerrissen war. Mein Körper fühlte sich geschunden und ausgelaugt an und psychisch fühlte ich mich vergewaltigt. Manche mögen nun denken, dass das Wort Vergewaltigung hier nicht angebracht ist, aber ich kennen kein besseres deutsches Wort als ‚vergewaltigt‘, wie ich mich damals gefüllt habe. Das war keine Heilung, sondern in meiner Seele und in meinem Körper hatte etwas stattgefunden das als ein massiven und brutalen Übergriff erlebte und ich wurde in einer Form misshandelt, wie ich es nie gewollt, erträumt und erwünscht habe. Ich bin für Heilung nach Peru gegangen, nicht, dass ich ‚vergewaltigt‘ und misshandelt werde!
Man verstehe mich hier richtig, niemand wollte mir etwas böses und die Menschen dort die wollten das Beste für mich, das steht ausser Frage. Für die Menschen dort war das was ich erlebt habe Reinigung, ich persönlich aber bezeichne es als Überdosierung, eine ‚Vergiftung‘, nicht meine Erste mit einer Substanz, ich hatte damit Erfahrung und das gehört zu diesem Weg, aber noch nie war es so schlimm gewesen. Ich wollte auch an keinen Ritualen mehr teilnehmen, verweigerte mich in dieser Hinsicht, und so richtete ich mich darauf ein, dass ich einfach weiter diätieren würde, mit anderen Pflanzen arbeiten und mal schauen, wie es sich sonst weiter entwickelt.
Text mit Fotos unter www.nebelkraehe.ch.vu