1997 erhielt er in Cannes „die Palme der Palmen“ als „bester lebender Filmregisseur aller Zeiten“. Woody Allen zaehlt zu seinen Bewunderern, ebenso Lars von Trier. In „Manhattan“ nimmt sich Allen die Zeit, Margaux Hemingway kurz eine Werterelation zu offenbaren. Manches koenne man nicht in Zweifel ziehen: Nicht Gott, nicht Bergmann.
Bergmann lebt nun schon seit vielen Jahren auf Faroe, allein. Naechstes Jahr wird er 90. Er will niemanden mehr sehen und nichts hoeren, Fernsehen vielleicht. Er hat sich aufgemacht auf die lange Reise, von der es kein Zurueck gibt. Er schweigt.
1963, gut 10 Jahre, nachdem er sich fuer das Kino entschieden hatte, drehte er „Tystnaden“, „Das Schweigen“. Ein Film vom Balkan. Ein kafkaeskes Hotel. Panzer auf Zuegen. Eine Koitusszene im Theater. Eine Vision unter greller Sonne, vom Schweigen wie unter einem Wattebausch abgedruckt. Ein Film, den man ausgeplaettet somnambul erfinden kann, ohne Zugestaendnisse an den Konsum. Ein Manifest der Einsamkeit, dem nur die auf den Hotelgaengen herumstehenden Toten fehlen. Der Bub irrt auf den kommunistisch ausgelegten Fluren auf der Suche nach einer Toilette herum, bis er seinen Urindrang nicht mehr beherrschen kann. Ingrid Thulin, lungenkrank und eifersuechtig, masturbiert im Bett, waehrend ihre Schwester einem Zufallsabenteuer nachgeht. „Die Frauen sind Bergmanns Schicksal“, sagte mal einer. Was kostet ein solches Schicksal, wenn er nordische Jeanne D’Arcs im Dutzend in seinen Orbit zieht?
Spaeter sagten sie, Bergmann sei zurueckgekehrt zum Gesicht als der Landschaft der Seele. Die Nahaufnahmen mit Erland Josefsson und der goettlichen Liv Ullmann, die ihm Sven Nykvist, sein langjaehriger Freund, mit der Kamera bescherte.
Aber Bergmann ist die Autoritaet des diesseitsueberwindenden Schweigens; der verschlungenen Dialoge, die zum Schweigen fuehren. Wie im „Schlangenei“, Hitlerdeutschland vor dem Krieg. Die Dialoge, die in den „Szenen einer Ehe“ zur gegenseitigen Zerfleischung fuehren, sie liess er zurueck; wie auch die Monologe an die aufgebahrten Muetter.
Bergmann agiert vor einem leeren Altar, dem Altar seiner lutheranischen schwedischen Kindheit. Ueber dem Altar schwebt der kalte Hauch des Weltengeistes, Bergmanns Wort hinaus in die Dunkelheit. Meine Plattform, meine kleine, ein Altar vielleicht. Meine Kirche, die kalte und leere, in der ich mir den Tod holen will nicht.
Am Schluss, wo es nichts mehr zu sagen gibt, nicht den Mitnotierenden und nicht den Freunden, denn weggestorben sind sie ihm alle, bleibt nur noch Dank. Der Weg des Filmemachers, ein magischer. Sie bilden eine Gilde, eine weissgelichtete, aber sie – wie wir – haben den Blick nach Norden, erhoben das Haupt. Faroe. Hitchcock, Lynch, Lumet, Coppola. Es war unsere Zeit, in der er lebte, der Titan.