Heute ist Sonntag, der gerechtfertigte Tag fuer eine Totenrede.

Vergangene Woche starb Wanda Popp-Nowak, eine Aerztin und herzensgute Seele, Mutter von 3 noch nicht erwachsenen Kindern, mitten aus dem Leben.

Heute starb die Gattin meines Neffen bei der Geburt ihres ersten Kindes, einem Maedchen. Sie war 27.

Don Santiago Guerra hat einen Schlaganfall ueberwunden, aber er aergert sich immer noch.

Sein Schwiegervater, Don Hilario Tananta Muyuna, 94, steht nicht mehr auf, daemmert langsam hinueber.

Ein anderer Patient, der im Dorf Hilfe suchte, ein Nobler und Edelmuetiger, schaffte es gerade noch, zu seiner Frau nach Kanada zurueckzukehren, wo er in ihren Armen starb.

Wahrlich, das Fundament, auf dem wir zu stehen scheinen, existiert nicht. Das Leben ist uns keine Rechenschaft schuldig.

Absurd wird es, wenn wir Menschen aus der Antizipation des Unpersoenlichen ebensolches fuer die menschliche Gemeinschaft ableiten. Die Rechtfertigung der sozialen Kaelte. Das Ende waere der Kaeltetod.

(Doch wie sagte der Nazaraener? "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!" Ist er das Fundament? Ist er es?)

Ueber den Tod gibt es nichts zu sagen, da sich keiner ueber ihn erheben kann. Das einzige, was wir sagen koennen, ist, wir sind noch am Leben. Wie sagte es juengst der ehemalige oesterreichische Box-Nationalheld Hans Orsolics? "I bin immer no net tot!" Der Mann ist ehrlich. Er gefaellt mir. Vor ihm ziehe ich meinen Hut, nicht nur, seit er sein Leben ein "patschertes" nannte.

Wie gestalten wir unser Leben, bis wir sterben? Koennen wir es ueberhaupt gestalten?

Die Medizin sagt und lehrt, das Ideal sei die Schmerzfreiheit, und sei es um den Preis der Anaesthesie oder der Indrogation. Die Medizin amputiert, doch es bleiben die Phantomschmerzen. Der Energiekoerper, das was die Medizin nicht andenkt, bleibt intakt.

Wir haben eine Herdenmentalitaet, wie die Karibus im Hohen Norden. Sie jagen uns vom Hubschrauber aus und wir stieben in die eine, dann in die andere Richtung. Irgendwann brechen wir vor Erschoepfung zusammen, wenn uns nicht vorher ein Projektil getroffen hat, ein wahllos abgeschossenes. So wie es die Amerikaner schon wieder in Afghanistan tun. Fuer die amerikanischen Befehlshaber sind die Araber, Afrikaner und Latinos letztendlich Untermenschen. Sie bereinigen ihre Statistiken um den Preis von Menschenleben, die sie nicht interessieren.

Das ist das Wesen der Statistik, die so viele Wissenschaften dominiert. Der Einzelne zaehlt nicht, nur das Ganze. Wenn das Ganze nicht gross genug ist, sprechen sie von statistischer Fehlerquote. Eine abscheuliche Schande! Aber der Schmerz liegt im Einen, in mir, in Dir. Und trotzdem trenne ich genauso ab. Der Schmerz des Anderen ist nicht meiner. Nur ja kein Schmerz, der mich in meiner Wohnung ueberfaellt.

Eine Zeit lang rettet mich meine Putzsucht, meine Pedanterie, mein minutioeser Tagesplan. Morgen kann es anders sein. Ich verursache einen Blechschaden und begehe Selbstmord.

Das Leben hat keine Zeit und keinen Grund, ja nicht einmal Raum. Der Raum besteht fuer sich und ist alles. Nichts erhebt sich ueber Zeit und Raum. Die, die mit Gott zum Sonntagskaffee per "Du" sind, die betrachte ich scheel. Sie sind bezahlte Sonntagsredner mit geregelten Sprechstunden. Dieses Leben fuehren sie, wie wir alle, geregelt, 40 Jahre, und erheben Pensionsanspruch. In der Kirche arbeiten Sie bis 70 und darueber hinaus. Sie predigen das, was der Bischof als Leitlinie verordnet. Ihr Gehorsam macht sich bezahlt. Doch dann klopft die Krankheit an. Wieviele Frauen, ins Alter gekommen, habe ich gehaessig ueber Priester reden gehoert. Lebenslange Luegen haetten sie verbreitet. Von etwas geredet, was sie nicht verstuenden.

Auch die Kirche hat lange genug Wuerfel gespielt mit dem Teufel, wenn es um das Sich-Durchwiegeln in Zeiten des feudalen Absolutismus ging. Eine Menschenseele wog nichts, die des Mannes in der Reichskanzlei, in Versailles, in Madrid oder in Rom jedoch viel.

Das Leben ist hin- und zureichend. Jeder stirbt fuer sich allein und handelt seinen Prozess alleine ab.

"Niemand kuemmert sich um den Anderen, keiner beruehrt seinen Nachbarn. Jeder kuemmert sich um seinen eigenen Prozess!" Das die Aufforderung fuer eine Mesa-Nacht. Wir hoeren den Saal sich erbrechen, bis wir selbst drankommen. Manche packt es grimmiger her und sie beginnen zu stoehnen. Andere drehen durch, weil sie den Speibkuebel nicht finden. Schlussendlich entleeren sie sich auf den Holzboden. Eine Mesa-Nacht ist menschliche Solidaritaet. Eine zarte und schwache, aber sie wiegt. "Weisst Du, ich bin hierhergekommen, um hier zu sterben", sagte mir Walter, der Dompteur.

Das Leben ist eine Schlacht, und der, der uns vorantreibt, es ist der Tod. So sagt es Don Mariano. Doch was ist der Tod? Nichts und Alles. Nur das Ende einer Illusion und das Aufbrechen einer Wahrheit. Das Ende vielleicht der einzigen Wahrheit, die wir erkannten, der des Schmerzes.

Erster Sonntag im Juli, Zeit, die Kappe zu lueften.

"Vater, was machst Du, wenn dein Flugzeug in 10.000 Meter auseinanderbricht?"

"Ein Kreuzzeichen."

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