Ein Besuch bei einem Meister verlaeuft immer anders als man es sich vorgstellt hat. Meist bekommt man bereits bei Tisch eine Schelte oder versteht alsbald die Welt nicht mehr. Bei einem Schamanen, besonders bei einem, der sich selbst als "Hexer" bezeichnet, geraet die Welt schnell aus den Fugen. Die Besucher zerstreuen sich und geraten einander in die Haare. Wahrlich, man sollte sich den Mund zukleben und nur zusehen, wie die Granaten ringsherum einschlagen.
Der Besuch bei einem Meister ist nervenaufreibend und zermuerbend, denn der Meister erlaubt sich alles. Im besten Fall erklaert man ihn zur Rettung der eigenen Integritaet als verrueckt. Damit liegt man bereits richtig.
Der Besuch bei einem Meister ist nichts Anderes als sich Vorbereiten auf das Sterben. Alles zuruecklassen. Auch die Gedanken kommen an ein Ende. Die Essenz kommt zum Vorschein.
"… und binde ihn an", raet Silvio Manuel seinem Gefaehrten, als jener mit dem Zauberlehrling in den Hof hinausgeht und ihn kurzerhand, zum unglaeubigen Staunen des Zoeglings, mit einem Lederseil am Pfosten festmacht. Der findige Knoten zieht sich am Hals zu, und unser Zauberlehrling knurrt vor Wut. Schlussendlich schabt es das Lederseil am Pfosten durch und stuerzt, als er sich mit den Fuessen abstemmt, polternd in den Patio, wo er wutschnaubend die drei Hexer kurzerhand verwursten will, unfaehig, ein Wort zu ergreifen. "Friedliebend bist Du garantiert nicht", sagen sie ihm auf den Kopf zu.
Ja, die Friedlichkeit muss man erst selbst begreifen, bei aller Hoffnungslosigkeit, dass sie je bemerkt wird. So wie der kleine Leibeigene eines Lokalfuersten im feudalistischen Japan ("Shogun"): Er weigert sich, den Kopf zu senken, und dieser wird ihm im Handumdrehen mit einem hasserfuellten Blick abgeschlagen. Die Ungeheuerlichkeit eines, der sich erlaubt, seine einzige Tat der Kraft im Leben zu entaeussern, im Wissen, dass es zugleich seine letzte ist.
Der Besuch beim Hexer geraet zu einer fuerchterlichen Kopfwaesche. "Niemand auf dieser Welt ist gesund!" Noch der Abschied geraet zu einer Feuertaufe. "Passt erst auf, wenn man mich reizt. Ich kann die Leute verhexen." Das ist die Kehrseite der Medaille. "Ich glaube nicht an Verhexung. Nur an die Liebe Christi. Die Leute sind zu eingebildet. Sie sehen gleich den Teufel, denn das ist es, was sie am besten kennen." Die Kinder, die Zeuge werden, staunen. Spaeter weinen sie wegen der vielen Sonnenbrillen vor den Augen und unverstaendlicher Botschaften aus unbekannten Muendern.
So kann man sich nur zuruecklehnen und staunen. Oder das Herz des Rasenden befuehlen, der Rasende, der zurueckweicht.
"Du kannst dein Wort nicht mehr zuruecknehmen, nicht in unserer Welt. Du weisst es", sagt die uralte Frau, so wie es John Alocca Zartoz unserem "Brujo" gesagt haben mag, er selbst ein Zeuge des Untergangs seiner Heimat, 30 Lichtjahre von hier.
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Agustín Rívas: "Schuld ist etwas Antikes. Auf dem Boden der Vorfahren und deren Vorfahren geboren. Nicht ich bin schuld, und Sie auch nicht. Sie meinen sich schuldig fühlen zu müssen, doch die wahren Gründe für Ihr Tun kennen Sie nicht. Ich mußte um mein Leben kämpfen, und das mußte ich, indem ich für meinen Indio-Stamm in den Krieg zog und dort Krieger des anderen Stammes tötete. Das war am Río Morón, 1952. Hätte ich das nicht getan, hätte mich der Stamm, zu dem ich mich beim Jagen verirrt hatte, getötet. Es waren Kannibalen.
Das menschliche Los ist eine Bürde, ein kollektives Schicksal. Die Freiheit zu wählen, doch die letztendlichen Gründe kennt man nicht."
Ein Schüler: "Doch bei Ihren Operationsakten in den Ayahuasca-Zeremonien beten Sie, wie sie selbst sagen, das katholische Glaubensbekenntnis, in welchem von persönlicher Schuld die Rede ist."
"Sie haben Recht, doch nicht endgültig. Schuld ist etwas Unergründliches, so wie menschliches Verhalten, dessen Gründe man nie endgültig kennen wird. Gleichwohl ist Reue angebracht. Deswegen ja auch das Opfer in Ayahuasca. Man leidet darin nicht nur an sich selbst, sondern an der menschlichen Bedingung schlechthin. Und die menschliche Bedingung ist eine desaströse, die nur im Orkus, im Kataklysmo enden kann. So wie es tausende von irdischen Vernichtungen gegeben hat. Hunderttausende. Hätte es die Menschheit von Anbeginn an gegeben, wäre sie hunderttausend Mal vernichtet worden. Doch der Mensch, der heutige, wandelt erst seit 15.000 Jahren auf Erden, 7.000 Jahre nach der letzten globalen Zerstörung, jener von Atlantis.
Die menschliche Bedingung ist eine schreckenerregende. Alle sterben, ob schuldig oder nicht schuldig. Selbst Säuglinge sterben. Der Tod kennt kein Alter. Er vernichtet alles, auch das größte Menschenwerk. Das sind beklemmende Aussichten, die auch mich betreffen.
Doch wir haben Ayahuasca, die Mutter. Das, was sie uns zeigt, ist wahr. Sie bringt uns Christus näher, den Erlöser. Den, der sich mit der Menschheit auf ewig solidarisiert hat. Er ist es, vor dem ich mich ohne zu zögern niederknien und mein Haupt entblößen kann. Er vergibt mir, dem Sünder. Er lehrt mich glauben. Das ist das Heil, das er uns immer wieder bringt. Einen Glauben, den niemand zu fassen vermag. Außer bestimmte Heilige, die auf Erden unerkannt herumwandeln.
Wir stehen im Spannungsfeld von Mächten, die den Menschen umschließen und ihn bei weitem überragen. Kosmische Mächte, die das Schicksal der Menschheit in Händen halten."
(Yushintaita, März 2012)