Francesco Forgione wurde am 25.Mai als achtes von 10 Kindern der Maria Giuseppa di Nunzio und des Grazio Forgione, einfachen Bauersleuten, im italienischen Pietrelcina geboren. Fruehzeitig entschied er sich, sein Leben der geistigen Versenkung zu widmen. Am 10.August 1910 wurde er zum Priester geweiht und lebte nach fruehzeitiger Befreiung vom Sanitaetsdienst im Hinterland der Schlachtfelder des ersten Weltkriegs ein Leben als Kapuzinerpater im Kloster San Giovanni Rotondo. Genau ein Monat nach der Priesterweihe erlebte er das Leiden unseres Herrn waehrend einer Messfeier derart intensiv, dass Hautroetungen an Haenden, Fuessen und der Seite auftraten. 1918 brachen die Stigmata offen aus, er war gezwungen, die Wundmale staendig zu verpflegen. Mehrere Untersuchungskommissionen, die aus Skepsis aufgestellt wurden, taten der Beliebtheit des charismatischen, wild dreinblickenden, baertigen Geistlichen keinen Abbruch. Seine Messfeiern dauerten bis zu drei Stunden. Sein Spruch „Eher koennte das All ohne Sonnen existieren als die Erde ohne das taegliche Messopfer“ verdeutlichte denen, die sich von ihm angesprochen fuehlten, nur allzu klar, mit welcher Inbrust dieser Mann seinen Weg ging. Er war dafuer beruechtigt, vielen Beichtenden die Absolution vorzuenthalten, denn er forderte Busse und Reue in Taten, nicht in Worten. Erst dann konnten die Suendigen nochmals kommen. Jenen, die ihn weniger kannten – die Mehrheit -, war er unheimlich, weil er bisweilen einen stierenden Blick aufsetzte, als wolle er die Mauern der Welt einreissen. Aus seiner Zelle drangen, so wird berichtet, immer wieder naechtens Gebruell, Schreie, Stoehnen. Wenn er dann am Morgen gesichtet wurde, das Haar zerrauft, die Kleidung schweissnass, war seine Antwort stets: „Der Daemon ficht mich an.“

Pater Pio, der kompromisslose, wurde der Obrigkeit unheimlich. Sie legten ihm Beichtverbot und schlussendlich sogar Zimmerarrest auf, waehrend draussen tausende von Pilgern warteten. Seinen Beichtstuhl liessen sie mit einem Eisenkaefig umhuellen, um sicher zu gehen. 1947 besuchte ihn Karol Wojtyla oben am Apeninn. Der Moench sagt ihm die Zukunft so wie das Attentat voraus. Spaeter, und immer wieder, sehen sie ihn zu unmoeglichen Anlaessen in der Peterskirche, ein Gespenst. Pio macht kein Aufheben ueber seine Faehigkeit der Bilokation. Genau 50 Jahre nach der Stigmatisierung versiegen dem Ehrfuerchtigen die Wunden – so wie es ihm sein Heiland geweissagt hatte -, Tage spaeter, am 23.September 1968, haucht Francesco Forgione in seiner lebenslangen Wohnstaette, San Giovanni Rotondo, sein Leben aus. 30 Jahre spaeter, unter JP2, seinem Zoegling, die Seligsprechung; nur 3 Jahre spaeter, unter geforderter Akklamation und auf einem ueberfuellten Petersplatz, die Heiligsprechung, eine der letzten dramaturgischen Kraftanstrengungen des Pontifex. Die vorweggenommene Handreichung. Ein Heilsbringer mehr, ja.

Am Morgen des 30.Dezember 2006, dem Hochtag des muslimischen Opferfestes, richtet ein irakischer Scharfrichter den ehemaligen Diktator und Massenmoerder Saddam Hussein an einem in den USA hergestellten, weiterentwickelten Galgen, vor dem geforderten anonymen Zeugentribunal. Ein Akt der Barbarei. Der Moerder, ein wild blickender, geistesgestoerter Baertiger, schreit bis zum Moment des Todes sein Vermaechtnis in die Welt. Es existieren zwei widerspruechliche Filmversionen zu seiner Hinrichtung. Die Leiche wird in den Tagen darauf neben seinen Soehnen beigesetzt. Nur wenige Tage nach der kolportierten Exekution sterben, soweit bekannt, drei Jugendliche durch Strangulation: Ein US-amerikanisches Kind, in Imitation, in seinem Schlafzimmer; in Pakistan zwei Jugendliche aus Protest.

Dies ist nicht gottgewolle Ausloeschung. Sie ist Ausdruck einer abgrundtiefen Ratlosigkeit. Eines Willens, der irgendwann unbegreiflich wird.

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  1. Juengst hielt mir ein junger Gast, kein Jesuit er, eine Kurz-Vorlesung zu Mel Gibsons „Passion“. Er meinte, Mel Gibson, tief glaeubig, habe den Film auf Basis der Visionen einer deutschen Mystikerin gedreht. Visionen vom Leiden unseres Herrn.

    Christus ist unser Bruder und eingeborener Menschensohn. Als solcher ist er den Weg des Leidens gegangen, mehr als die meisten von uns. Diese Qualen sind unvorstellbar und der Film selbst kaum anzusehen.

    Die Folter ist das ureigenste Menschenbekenntnis, erst recht die Folter am „Gesalbten“. Gott zu toeten, – Gott im Menschen; auf welche Art auch immer. Das ist das Menschenbekenntnis, das Bekenntnis der Bestie, die der leidenden Kreatur ihre Fratze entgegenbleckt.

    Ein geifernder Folterknecht, auch wenn er bereits technisch-medizinisch-kalt aus einer Steuerkabine heraus einen Folterroboter handhabt, glaubt nicht an das Leben nach dem Tod. Er glaubt daran, dass er fuer die Auftraggeber unverzichtbar und damit teuer wird. In diesem Ambiente eines maschinellen Operationssaals, wo das Opfer digital gefilmt und seine Lautaeusserungen auf Band aufgenommen werden, regiert nur mehr die nuechterne medizinische Freilegung von Nerven. Nicht mehr das Mit-Faeusten-ins-Gesicht-Schlagen. Die eigentliche medizinische Barbarei findet in den Experimentierzellen der entlegenen Gefaengnisse statt: Auf Guantanamo, in Nordkorea, in China, vielleicht sogar in Europa, sicher in Afrika.

    Die Folter beginnt bei der Misshandlung der Kinder, in der wir uns zeitweise alle ueben. Wenn wir einen Krieg anzetteln, so unter dem Motto „Bringen wir’s hinter uns.“ So wie im schlussendlichen Gegenuebertreten von Charles Bronson und Henry Fonda in „Spiel mir das Lied vom Tod“. Fonda, den Boesewicht und Killer, interessiert nur die Identitaet des Stummen, der ihn zum Duell herausfordert. Bronson wiederum nur die Rache seines Vaters. So war es auch mit Wild Bill Hickock, der von einem Juengling hinterruecks in einer Bar erledigt wurde. Dieser raechte nur seinen Vater (und wurde dafuer gehaengt), nicht die Dutzenden Anderen, die der Pistolero aus dem Weg geraeumt hatte.

    Das „Bringen wir’s hinter uns, dann haben wir beide Ruhe“, war immer schon ein Dialog, wenn es ans Blutvergiessen ging. Ein menschlicher Dialog, ein haemischer, einer, in dem das Nihilistenlied angestimmt wird. „Hoer auf mit dem Unsinn, an Gott zu glauben. Er hilft dir nicht beim Sterben. Kaempfe wie ein Mann!“

    Darum die Haeme, die sie ihm, dem Friedlichen, entgegenspucken. „Wo ist dein Heer, Koenig der Juden?“

    Wenn wir Christen sein wollen, muessen wir unsere Allmachtsphantasien aus dem Weg raeumen und bereit sein, eines schoenen Tages ins Feuer zu gehen.

    Wenn wir hohle Hoerner sein wollen, muessen wir schweigen lernen, ausgebrannte, ausgemergelte, ausgedoerrte Steinefresser, die mit Skorpionen und Spinnen schlafen gehen. Kreaturen, die bereits gestorben sind. So seltsam und unmoeglich das klingen mag.

    In Gethsemane legten sie Hand an ihn. Er war bereits tot wie das Pascha-Lamm. Ein Menschenkind wie wir alle.

  2. "Mein Gott, was war mein Leben vor dir in diesen Tagen, als dichteste Finsternis mich ganz ergriffen hatte! Und wie wird meine Zukunft aussehen? Ich weiß nichts, ansolut nichts. Doch ich werde nicht aufhören, des nachts meine Hände zum heiligen Ort zu erheben, und ich werde dich immer preisen, so lange noch ein Hauch in mir ist.

    Ich flehe zu dir, o mein gütiger Gott, daß du mein Leben, mein Schiff und mein Hafen sein mögest. Du hast mich auf das Kreuz deines Sohnes steigen lassen, und ich versuche, und ich versuche, mich so gut wie möglich anzupassen: Ich bin überzeugt, daß ich nie mehr davon heruntersteigen und nie mehr einen klaren Himmel sehen werde.

    Ich bin überzeugt, daß man unter Donner und Wirbelstürmen zu dir reden muß und daß es sich geziemt, dich im brennenden Dornbusch zu schauen, zwischen den Flammen der Dornen; doch um das zu tun, sehe ich, daß es notwendig ist, sich von allem zu entblößen und gänzlich dem eigenen Willen und den eigenen Gefühlen zu entsagen.

    Ich bin zu allem bereit, doch wirst du dich eines Tages auf dem Tabor zeigen, beim heiligen Abendrot? Werde ich die Kraft haben, ohne zu ermüden, zur himmlischen Schau meines Heilands emporzusteigen? Ich fühle, daß die Erde unter meinen Füßen nachgibt. Wer wird meinen Schritt stärken? Wer, wenn nicht du, der du der Stecken für meine Schwäche bist? Erbarme dich meiner, o Gott, miserere! Laß mich nicht mehr schwach werden.

    Dein Glaube erleuchte noch einmal meinen Verstand, Deine Liebe erwärme mein Herz, das vor Schmerz zerbricht bei dem Gedanken, es könne dich in der Stunde der Prüfung kränken!

    Mein Gott, wie bohrend ist dieser furchtbare Gedanke, der mich nie verläßt! Mein Gott, mein Gott, laß mich nicht mehr so nach dir schmachten! Ich ertrage es nicht mehr! […]" (Pater Pio von Pietrelcina, Briefe I, op.cit., Brief Nr. 368.)

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