Gründonnerstag

Dieser Feiertag bedeutet mir viel. Wenn ich es bedenke, mehr als Karfreitag (der heutige Tag, 30.März 2018).

Gründonnerstag ist ein Mysterium. Sie feiern das Pesach, das höchste Fest im jüdischen Kalender. Sie feiern es vorgezogen. Pesach fällt auf den ersten Sabbath nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsbeginn. Das ist heuer somit der 31.März 2018. Damals war alles anders. Unvorstellbar anders. Gründonnerstag, der seinen Namen nicht nach einer Farbe, Grün, trägt, sondern weil an ihm das Meßopfer eingesetzt, also gegründet wurde, übertrifft meines Erachtens in seiner Relevanz für uns Menschen vielleicht sogar Ostersonntag, das Fest der Auferstehung des Herrn von den Toten. Freilich, man könnte sofort die kecke Anfrage stellen, welches Geschehen überträfe denn die Auferstehung eines Menschen von den Toten? Demgemäß wäre zu antworten: Die Übergabe göttlichen Leibes zu Brot und Wein, und dies für die Zeit bis zum Jüngsten Tag, auch genannt der Tag des Gerichtes.

Das sind Fundamentalsätze, die uns der Glaube nicht erspart. Und der Glaube ist Teil des Lebens. Also können wir sagen, das sind Fundamentalsätze des Lebens. Mittlerweile wissen wir hinlänglich, an Fundamentalsätzen entzünden sich Weltkonflikte, also dürfen wir uns demzufolge berechtigterweise fragen, welches Interesse hat der Mensch am Morden? Warum lassen ihn Fundamentalsätze nicht ruhig schlafen? Unser Herr, der Nazarener, hat darum genügend gewußt, als er die folgenden Worte wählte: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. 35 Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; 36 und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. 37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. 38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert. 39 Wer das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.“ (Matthäus 10, 34-39)

Das sind Fundamentalsätze. Nun gibt es Menschen, die sich nichts sehnlicher wünschen als die Verbrennung aller Bibeln dieser Erde und die vollkommene Auslöschung aller 2,28 Milliarden Christen, mit anderen Worten: von 2,28 Milliarden Irren, Verführten, Zombies. In den ersten Jahrzehnten nach der Himmelfahrt Christi war es nicht anders. Als Rom erkannte, daß hier eine Sekte am womöglich staatszerstörenden Werken war, wurde die organisierte Christenverfolgung ins Leben gerufen und tausende von Urchristen verloren auf jede nur erdenkliche Weise als Märtyrer ihr Leben. Diese Menschen starben für ihren Glauben an den auferstandenen Messias. Diesen nennt man Christus.

So dumm muß man erst einmal sein, sagen die Gescheiten.

Im Abendmahlssaal waren sie alle versammelt. Wieviel es genau waren, kann man nicht sagen. Vielleicht waren noch Andere als die Apostel zugegen. Judas Ischariot jedenfalls war zugegen. Das sagt mir sehr viel. Es muß eine ungeheure Spannung in der Luft gelegen haben. Eine Hitze wie zu Mittag in der Wüste. Der Schweiß muß ihnen in Strömen von der Stirn geflossen sein. Die Uhr tickte überlaut. Das Denken war vollkommen gelähmt. Die Jünger waren wie blökende, verängstigte Schafe. Sie verstanden ganz und gar nicht, was hier geschah. Sie hörten, doch waren sie blind. Bei einem Siebzehnjährigen, der an der Brust des Herrn ruhte, wie es die Bibel formuliert, fallen die Worte am tiefsten:

Solches redete Jesus und hob seine Augen zum Himmel empor und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrliche! gleichwie du ihm Vollmacht gegeben hast über alles Fleisch, auf daß er ewiges Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden, indem ich das Werk vollendet habe, das du mir gegeben hast, daß ich es tun solle. Und nun verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Ich habe deinen Namen den Menschen geoffenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast; sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. Nun erkennen sie, daß alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt; denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und haben wahrhaft erkannt, daß ich von dir ausgegangen bin, und glauben, daß du mich gesandt hast. Ich bitte für sie; nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast, weil sie dein sind. 10 Und alles, was mein ist, das ist dein, und was dein ist, das ist mein; und ich bin in ihnen verherrlicht. 11 Und ich bin nicht mehr in der Welt, sie aber sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien, gleichwie wir! 12 Als ich bei ihnen in der Welt war, erhielt ich sie in deinem Namen; die du mir gegeben hast, habe ich behütet, und keiner von ihnen ist verloren gegangen, als nur der Sohn des Verderbens, auf daß die Schrift erfüllt würde. 13 Nun aber komme ich zu dir und rede solches in der Welt, damit sie meine Freude vollkommen in sich haben. 14 Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt haßt sie; denn sie sind nicht von der Welt, gleichwie auch ich nicht von der Welt bin. 15 Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nehmest, sondern daß du sie bewahrest vor dem Argen. 16 Sie sind nicht von der Welt, gleichwie auch ich nicht von der Welt bin. 17 Heilige sie in deiner Wahrheit! Dein Wort ist Wahrheit. 18 Gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, so sende auch ich sie in die Welt. 19 Und ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie geheiligt seien in Wahrheit.20 Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden, 21 auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf daß auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast. 22 Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben, auf daß sie eins seien, gleichwie wir eins sind. 23 Ich in ihnen und du in mir, auf daß sie zu vollendeter Einheit gelangen, damit die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast und sie liebst, gleichwie du mich liebst. 24 Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt! 25 Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht! Ich aber kenne dich, und diese erkennen, daß du mich gesandt hast. 26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, auf daß die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen!“ (Johannes 17, 1-26)

Das sind Fundamentalsätze. Das eigentümliche an diesen Sätzen: Sie sind unvergänglich. Sie bestehen in alle Ewigkeit. Sie haben Wert wie die Worte: „Es werde Licht!“, doch ich meine, sie übersteigen den Genesis Introitus noch an Wert, eben wegen des letzten Satzes der zitierten Passage im Abendmahlssaal: „Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, auf daß die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen!“ (Johannes 1,26)

Das Gründonnerstagsmysterium gibt Antwort auf die brennendste Frage der Gläubigen heutzutage: „Wo ist Christus?“ Die Welt brennt, und vielleicht wird sie sogar bald untergehen, und wir rufen: „Christus, komm endlich!“

„Tauet, Himmel, den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab!“ Also rief’s in dunklen Nächten, als die Hoffnung ward ein Grab.

Die Antwort des Heilands: Am Abend, da er verraten wurde, nahm er das Brot, sagte Dank, brach es und reichte es seinen Jüngern mit den Worten: „Nehmet und esset alle davon. Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird, zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch, dankte wiederum, reichte ihn seinen Jüngern mit den Worten: „Nehmet und trinket alle davon. Dies ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“

Damit ist die Antwort auf die Frage gegeben „Wo ist Christus?“ Eine Frage, die viele bestürzt. Die Antwort: „In uns, da wir ihn in der Heiligen Kommunion empfangen.“ Das ist eine zentrale Herausforderung, die jede Kirchengemeinschaft im Nu atomisiert. Mein allerpersönlichster Glaube, für den ich bereit bin, in den Tod zu gehen. Das darf man so im Angesicht der Heiligen und der Märtyrer formulieren. Gründonnerstag: Das Fest der Einsetzung der Eucharistie. Weltbewegend auf alle Zeiten. Amen.

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  1. Karfreitag

    An diesem Tag, heute, stoßen sich viele. Nicht jene, die nicht wissen, wessen wir heute gedenken. (Gerade vorhin hat mir ein zehnjähriger Knabe auf der Hafenstiege salopp gestanden, er wäre ungläubig) Dieser Tag heute gibt dem Tag in ganz Südamerika eigenes Gepräge, und mir scheint, in Peru ganz besonders. Karfreitag ist der stillste Tag des Jahres. Nichts geht mehr. Alle haben zu, nur nicht die kolumbianischen Cocaleros, die, wie gerufen, im selben Moment, wo ich dies schreibe, mit ihrem schweren LKW auf der schmalen Dorfstraße vorbeifahren. Gut, es ist deren Angelegenheit.

    Karfreitag berührt auf die eine oder andere Weise jeden. Gut so. Wir alle tragen bestimmte Gedächtnistage, die uns etwas bedeuten, mit uns. Doch es sind persönliche Gedächtnistage. Zumeist die der Familie, dann noch vielleicht gewisser Menschen, die uns nahestanden oder mit denen wir uns im Geist verbunden fühlen. Doch für die Weltgemeinschaft der Menschen gibt es kein einziges Datum. Ist dies vielleicht sogar ein etwaiges Indiz für das Chaos, in das der Globus zu schlittern droht?

    Der Tod des Herrn, Jesus von Nazareth, laut Kreuzesinschrift „König der Juden“, ist wegen des Anspruchs, der demselben Tod innewohnt, von allgemeinem Belang. Der Tod Christi, undenkbar, unvorstellbar für seine Jünger, stellt, so sagt es der Glaube, die ultimative Versöhnung Gottes mit den Menschen dar. Die ultimative Versöhnung in Gestalt des Neuen und Ewigen Bundes. Warum Versöhnung? Weil die Tempelklasse des Alten Bundes, jenes, den der Eine und Wahre mit Moses geschlossen hatte, bevor er das Volk der Israeliten aus Ägypten hinausführte, den Glauben durch zynische Regelauslegung und Gesetzeserhebungen ausgedörrt und praktisch umgebracht hatte. Der Sanhedrin, wie er im Tempel zu Jerusalem installiert war, war ein faschistisches System, das mit den Römern kooperierte. Der Glaube war unpersönlich, eine Doktrin. Er war menschenfern und sinnentleert. Die Priesterklasse, die sich als der Gralshüter des Mosaischen Gesetzes verstand, war eine Versammlung von Nihilisten, die Gott zu ihrem persönlichen Instrument pervertiert hatten. Die Priesterkaste praktizierte im Extremfall die Todesstrafe. Der Nihilismus des Hohepriesters Kaiphas, der in unmittelbarer Logik zur Blutrünstigkeit und ungezügelten Lüsternheit des Herodes stand, hätte, wäre Christus nicht aufgetreten, zu einem vollständigen Kollaps des Judentums und dessen Auslöschung geführt. Der Jüdische Krieg von 66 bis 70 wurde, so behaupte ich, durch christliche Unterwanderung abgemildert. Wäre Christus erst hundert Jahre später aufgetreten, hätte die Weltgeschichte einen anderen Verlauf genommen. Das mag frivol klingen, hat allerdings Plausibilitätscharakter.

    Die Frage, die man sich dennoch und jederzeit stellen darf, auch als Christ, ist jene: Sind wir mit Gott versöhnt? Bin ich mit Gott versöhnt? Frage Nummer Eins. Frage Nummer Zwei: Bin ich durch Jesu Tod mit Gott versöhnt? Frage Nummer Drei: Bin ich durch Jesu Tod mit Jesus versöhnt? Die angesonnene Beantwortung verlangt mir Besinnung ab. Ich verstehe in ihr die Aussage: „Jesus wurde den Menschen in allem gleich, außer der Sünde.“ Der Satz erscheint mir keineswegs überheblich. Ganz und gar nicht. Dieser Satz sagt mir, Jesus war somit auch sterblich. Die Menschwerdung Gottes bezog auch dessen Sterblichkeit ein. Genau dieser Gedanke klang den Griechen, die ja bereits seit Jahrhunderten einen Pantheon an Göttern unterhielten, durch und durch häretisch. Das war Gotteslästerung. Einem Gott Sterblichkeit zuzuschreiben, kann nur einer Gotteslästerung gleichkommen. Erst später verstanden sie die scheinbare Dialektik und Wegfähigkeit dieses Glaubens.

    Karfreitag ist Leiden und Sterben in äußerster Qual, in absoluter Ekstase. Ekstase. Nicht Exstase. Die sieben letzten Worte unseres Herrn am Kreuz gaben allen Mysterikerinnen der Geschichte Anlaß zu lebenslanger Meditation. Der Herr entäußerte sich. Der Mensch ist fähig, sich im Angesicht des Todes zu entäußern. Martin Luther King ist dafür ein Beispiel, Johannes Paul II. ebenfalls. Maximilian Kolbe, Edith Stein. Entäußerung und Tod. Im Folgenden der Bericht der Bibel, wie er auf Johannes zurückgeht.

    1 Jesus ging mit seinen Jüngern hinaus, auf die andere Seite des Baches Kidron. Dort war ein Garten; in den ging er mit seinen Jüngern hinein.

    2Auch Judas, der Verräter, der ihn auslieferte, kannte den Ort, weil Jesus dort oft mit seinen Jüngern zusammengekommen war.

    3Judas holte die Soldaten und die Gerichtsdiener der Hohenpriester und der Pharisäer, und sie kamen dorthin mit Fackeln, Laternen und Waffen.

    4Jesus, der alles wusste, was mit ihm geschehen sollte, ging hinaus und fragte sie: + Wen sucht ihr?

    5 Sie antworteten ihm:  Jesus von Nazaret.  Er sagte zu ihnen: + Ich bin es.  Auch Judas, der Verräter, stand bei ihnen.

    6Als er zu ihnen sagte: Ich bin es!, wichen sie zurück und stürzten zu Boden.

    7Er fragte sie noch einmal: + Wen sucht ihr?

    8Sie sagten: Jesus von Nazaret. Jesus antwortete: + Ich habe euch gesagt, dass ich es bin. Wenn ihr mich sucht, dann lasst diese gehen!

    9So sollte sich das Wort erfüllen, das er gesagt hatte: Ich habe keinen von denen verloren, die du mir gegeben hast.

    10Simon Petrus aber, der ein Schwert bei sich hatte, zog es, schlug nach dem Diener des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab; der Diener hieß Malchus.

    11Da sagte Jesus zu Petrus: + Steck das Schwert in die Scheide! Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat – soll ich ihn nicht trinken?

    12Die Soldaten, ihre Befehlshaber und die Gerichtsdiener der Juden nahmen Jesus fest, fesselten ihn und

    13führten ihn zuerst zu Hannas; er war nämlich der Schwiegervater des Kajaphas, der in jenem Jahr Hoherpriester war.

    14Kajaphas aber war es, der den Juden den Rat gegeben hatte: Es ist besser, dass ein einziger Mensch für das Volk stirbt.

    15Simon Petrus und ein anderer Jünger folgten Jesus. Dieser Jünger war mit dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesus in den Hof des hohepriesterlichen Palastes.

    16Petrus aber blieb draußen am Tor stehen. Da kam der andere Jünger, der Bekannte des Hohenpriesters, heraus; er sprach mit der Pförtnerin und führte Petrus hinein.

    17Da sagte die Pförtnerin zu Petrus: Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieses Menschen? Er antwortete: Nein.

    18Die Diener und die Knechte hatten sich ein Kohlenfeuer angezündet und standen dabei, um sich zu wärmen; denn es war kalt. Auch Petrus stand bei ihnen und wärmte sich.

    19Der Hohepriester befragte Jesus über seine Jünger und über seine Lehre.

    20Jesus antwortete ihm: + Ich habe offen vor aller Welt gesprochen. Ich habe immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen. Nichts habe ich im Geheimen gesprochen.

    21Warum fragst du mich? Frag doch die, die mich gehört haben, was ich zu ihnen gesagt habe; sie wissen, was ich geredet habe.

    22Auf diese Antwort hin schlug einer von den Knechten, der dabeistand, Jesus ins Gesicht und sagte: Redest du so mit dem Hohenpriester?

    23Jesus entgegnete ihm: + Wenn es nicht recht war, was ich gesagt habe, dann weise es nach; wenn es aber recht war, warum schlägst du mich?

    24Danach schickte ihn Hannas gefesselt zum Hohenpriester Kajaphas.

    25Simon Petrus aber stand am Feuer und wärmte sich. Sie sagten zu ihm: Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern?

    26Er leugnete und sagte: Nein. Einer von den Dienern des Hohenpriesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte, sagte: Habe ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen?

    27Wieder leugnete Petrus, und gleich darauf krähte ein Hahn.

     28Von Kajaphas brachten sie Jesus zum Prätorium; es war früh am Morgen. Sie selbst gingen nicht in das Gebäude hinein, um nicht unrein zu werden, sondern das Paschalamm essen zu können.

    29Deshalb kam Pilatus zu ihnen heraus und fragte: Welche Anklage erhebt ihr gegen diesen Menschen?

    30Sie antworteten ihm: Wenn er kein Übeltäter wäre, hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert.

    31Pilatus sagte zu ihnen: Nehmt ihr ihn doch, und richtet ihn nach eurem Gesetz! Die Juden antworteten ihm: Uns ist es nicht gestattet, jemand hinzurichten.

    32So sollte sich das Wort Jesu erfüllen, mit dem er angedeutet hatte, auf welche Weise er sterben werde.

    33Pilatus ging wieder in das Prätorium hinein, ließ Jesus rufen und fragte ihn: Bist du der König der Juden?

    34Jesus antwortete: + Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt?

    35Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein eigenes Volk und die Hohenpriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan?

    36E Jesus antwortete: + Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.

    37Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: + Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.

    38Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit? Nachdem er das gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: Ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen.

    39Ihr seid gewohnt, dass ich euch am Paschafest einen Gefangenen freilasse. Wollt ihr also, dass ich euch den König der Juden freilasse?

    40Da schrien sie wieder: Nicht diesen, sondern Barabbas! Barabbas aber war ein Straßenräuber.

    Darauf ließ Pilatus Jesus geißeln.

    2Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und legten ihm einen purpurroten Mantel um.

    3Sie stellten sich vor ihn hin und sagten: S Heil dir, König der Juden! E Und sie schlugen ihm ins Gesicht.

    4Pilatus ging wieder hinaus und sagte zu ihnen: S Seht, ich bringe ihn zu euch heraus; ihr sollt wissen, dass ich keinen Grund finde, ihn zu verurteilen.

    5Jesus kam heraus; er trug die Dornenkrone und den purpurroten Mantel. Pilatus sagte zu ihnen: Seht, da ist der Mensch!

    6E Als die Hohenpriester und ihre Diener ihn sahen, schrien sie: Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz mit ihm! Pilatus sagte zu ihnen: Nehmt ihr ihn, und kreuzigt ihn! Denn ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen.

    7Die Juden entgegneten ihm: Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muss er sterben, weil er sich als Sohn Gottes ausgegeben hat.

    8Als Pilatus das hörte, wurde er noch ängstlicher.

    9Er ging wieder in das Prätorium hinein und fragte Jesus: Woher stammst du? Jesus aber gab ihm keine Antwort.

    10Da sagte Pilatus zu ihm: Du sprichst nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen?

    11Jesus antwortete: + Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre; darum liegt größere Schuld bei dem, der mich dir ausgeliefert hat.

    12Daraufhin wollte Pilatus ihn freilassen, aber die Juden schrien: Wenn du ihn freilässt, bist du kein Freund des Kaisers; jeder, der sich als König ausgibt, lehnt sich gegen den Kaiser auf.

    13Auf diese Worte hin ließ Pilatus Jesus herausführen, und er setzte sich auf den Richterstuhl an dem Platz, der Lithostrotos, auf hebräisch Gabbata, heißt.

    14Es war am Rüsttag des Paschafestes, ungefähr um die sechste Stunde.

    15Pilatus sagte zu den Juden: Da ist euer König! Sie aber schrien: Weg mit ihm, kreuzige ihn! Pilatus aber sagte zu ihnen: Euren König soll ich kreuzigen? Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König außer dem Kaiser.

    16aDa lieferte er ihnen Jesus aus, damit er gekreuzigt würde.

     16bSie übernahmen Jesus.

    17Er trug sein Kreuz und ging hinaus zur so genannten Schädelhöhe, die auf hebräisch Golgota heißt.

    18Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, auf jeder Seite einen, in der Mitte Jesus.

    19Pilatus ließ auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der König der Juden.

    20Dieses Schild lasen viele Juden, weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe bei der Stadt lag. Die Inschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst.

    21Die Hohenpriester der Juden sagten zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden.

    22Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.

    23Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war.

    24Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus.

    25Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.

    26Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: + Frau, siehe, dein Sohn!

    27Dann sagte er zu dem Jünger: + Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sic

    28Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: + Mich dürstet.

    29Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund.

    30Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: + Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf.

    31Weil Rüsttag war und die Körper während des Sabbats nicht am Kreuz bleiben sollten, baten die Juden Pilatus, man möge den Gekreuzigten die Beine zerschlagen und ihre Leichen dann abnehmen; denn dieser Sabbat war ein großer Feiertag.

    32Also kamen die Soldaten und zerschlugen dem Ersten die Beine, dann dem andern, der mit ihm gekreuzigt worden war.

    33Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht,

    34sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus.

    35Und der, der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres berichtet, damit auch ihr glaubt.

    36Denn das ist geschehen, damit sich das Schriftwort erfüllte: Man soll an ihm kein Gebein zerbrechen.

    37Und ein anderes Schriftwort sagt: Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben.

    38Josef aus Arimathäa war ein Jünger Jesu, aber aus Furcht vor den Juden nur heimlich. Er bat Pilatus, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen, und Pilatus erlaubte es. Also kam er und nahm den Leichnam ab.

    39Es kam auch Nikodemus, der früher einmal Jesus bei Nacht aufgesucht hatte. Er brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund.

    40Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit Leinenbinden, zusammen mit den wohlriechenden Salben, wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist.

    41An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war.

    42Wegen des Rüsttages der Juden und weil das Grab in der Nähe lag, setzten sie Jesus dort bei.

    (Karfreitag, 30.März 2018, 13:25. Dank sei Gott, dem Herrn +)

  2. Die Osternacht

    Angelegenheiten in Iquitos, das seinen normalen Betrieb wieder aufnimmt. Auch die Banken öffnen wider Erwarten. Unser Kommunalboot, „Meerwasser“ getauft und neu in Dienst gestellt, ist voll. Ich zähle gute 60 Erwachsene und mindstens 15 Kinder. Weitere Passagiere flußabwärts, die mit Stofftüchern wacheln, können nicht mitgenommen werden. Der spiegelglatte Fluß glänzt in neuem Licht, einen Tag nach Vollmond. Nach Jahren der Untätigkeit hat die Stadtverwaltung von Iquitos den provisorischen Hafen Láo, ein Floß, erweitert und neu gestaltet. Der luxuriöse Tourismushafen El Huequito wird wegen der immensen Anlegegebühr von niemandem angefahren und steht seit seiner Einweihung, von der auch nie breiter berichtet wurde, luxuriös still, seit Jahr und Monat, wie ein leeres Sanatorium oberhalb von St.Moritz. Die Taxifahrer haben ebenfalls, so scheint es, einen Entwicklungsschritt in Sachen Höflichkeit getätigt, ohne daß es deshalb einer konzertierten Aktion bedurft hätte. Schon seit langem versucht mich keiner mehr mit dem Fahrpreis übers Ohr zu hauen. Im Gegenteil: Die freundliche Begrüßung geschieht nunmehr beinahe schon obligatorisch, und ich selbst scheine auch nicht mehr den alten Miesepeter von früher abzugeben. Grüssen und höfliche Zielortangabe sind mittlerweile eingefleischt. Ja, irgend etwas muß da gewirkt haben. Gar österlicher Friede, vor- und nachgezogen?

    In der Osternacht kümmern sich die Christen um das Weihwasser und das Feuer, zwei Elemente, die rituell geweiht werden. Dann wird die Osterkerze entzündet. Die Osternacht von Karsamstag auf Ostersonntag war immer schon die längste Meßfeier, geschlagene zwei Stunden. Als Kinder schliefen wir regelmäßig in ihr ein. Uns interessierte nicht die biblische Erzählung des Auszugs der Israeliten aus Ägypten. Das hatten wir bereits gelesen und uns zur Genüge phantasmagorisch vorgestellt. Weshalb es also jedes Jahr wiederholen? Dieselbe Frage stellten wir uns erst recht zu Karfreitag. Warum jedes Jahr aufs Neue von diesem gräßlichen Mord hören? Als Kinder empfanden wir gerecht. Das hier hingegen war langatmige Quälerei des Kirchenvolkes.

    Die Ostersonntagserzählung ist da aus anderem Holz geschnitzt. Pure Freude. Sonnenaufgang. Eine kosmische Sonne, die zugleich eine persönliche ist, geht auf. Das Ganze gemahnt an eine himmlische Staatsverschwörung. Das läßt man sich als Kind nun doch gefallen. Räuber und Gendarm. Die Bösewichte können dem Herrn nichts mehr anhaben. Er kommt in gleißendem Weiß daher, doch keiner sieht es vorerst. Alle scheinen mit Blindheit geschlagen. Göttliches Walten. Wie kann das sein? Sogar Maria von Magdala, die ihn sosehr liebte, erkannte ihn zunächst nicht, hielt ihn für den Gärtner. Den Gärtner! Dabei trieb er doch gar keinen Mummenschanz. Die Trauer machte sie alle blind, so auch die Emmaus-Jünger, die morgen dran kommen. Diesen guten Leute, die zu seiner engsten Entourage zählten, wurde wahrhaftig Einiges zugemutet. Sie ziehen mit ihm durch das Land, erleben Unbeschreibliches, Wunder, Totenerweckungen, und dann wird dieser Gott auf Erden hingemeuchelt, und er läßt es noch dazu freiwillig geschehen. Petrus, der Arme, kann das nicht mitansehen, er muß in Gethsemani gleich mal zum Schwert greifen. Schwert oder Messer, egal, er wäre bereit, sich mit der Tempelwache ein Gemetzel zu liefern, und sei es er allein. Nur über meine Leiche bekommt ihr den Herrn! Mummenschanz da schon wieder: „Wie erkennen wir den Fraglichen?“, fragen die Häscher. „Ich werde ihn euch zeigen, durch einen Kuß“, antwortet Judas Ischariot.

    Ostern ist in einem fort mit solchen Kanarienvogelpieksern übersäht. Woher wußten die Evangelisten davon? Diese Frage ist eine ganz und gar typische für unsere Zeit. Eine Zeit, die nun schon 50 Jahre anhält. Solche Fragen stellen gewöhnlich nur die Spuckbereiten und jene, die kein Problem mit der Selbstüberhebung als gelebtes Beispiel der Freiheitsanmaßung haben. Woher wußten die Evangelisten von der Rede Maria Magdalenas mit dem Auferstandenen? Die Gläubigen hingegen, die sich ihren Glauben im zähen Ringen bis zur Reife erkämpft haben, wissen um die Antwort, denn Ostern ist bereits die Ankündigung des Heiligen Geistes. Ostern ist die Feuerprobe des Glaubens. Petrus, der dreimalige Verleugner, weint bitterlich, als er seine knochentiefe Feigheit erkennt, und flüchtet in die Dunkelheit hinaus, so wie Judas, dem sie die dreißig Silberlinge klimpernd auf den Steinfließenboden hinwerfen, als sein Herr bereits in Fesseln vorgeführt wird. Petrus wird mit aller Wucht klar, was ihm der Hahn bekundet. Der gottgeführte Hahn. Verleugnung.

    Pontius Pilatus hingegen war kein Lügner. „Ich finde keine Schuld an ihm…“ Er redet mit ihm, ganz normal. Ich wäre gern dabei gewesen. Mehr noch, ich hätte es durchgezogen. Ich gestehe es. Mich wurmt die Feigheit des Pilatus. Was für ein Eklat. Er läßt sich von den Pharisäern und deren Hohepriester erpressen. Das ist unabgeschlossener Stoff für weitere Erörterungen in Ayahuasca. Die Person des Pontius Pilatus. Sein letztes überliefertes Wort: „Was ich geschrieben habe, steht geschrieben.“ Dann verschwindet er aus der Geschichte. Spurenlesungen nach ihm finden sich wenige: „Obwohl es relativ häufig, vor allem in den Legenden um Pilatus, behauptet wird, gibt es keinerlei Hinweise dafür, dass er sich jemals vor Tiberius für das Urteil über Jesus rechtfertigen musste. Als Pilatus nach seiner Abberufung in Rom eintraf, war Tiberius bereits tot, sodass unbekannt ist, ob es zu einem Verfahren um ihn kam und was weiter mit ihm geschah. Unter Berufung auf das Zeugnis heidnischer Chronisten bzw. Olympiadenschreiber schreibt der Kirchenvater Eusebius Anfang des 4. Jahrhunderts, Pilatus sei unter Caligula in solche Bedrängnis geraten, dass er im Jahr 39 Selbstmord beging. Laut Orosius habe ihn der Kaiser sogar dazu gezwungen. Beide Autoren erblicken darin die strafende Hand Gottes. Allerdings gibt es in der Kirchentradition vor Eusebius keine Nachrichten über einen Suizid des Pilatus. So weiß etwa Origenes anscheinend nichts davon, denn er hat dem Einwand des Philosophen Kelsos, dass Jesu Richter nichts dem Schicksal des Pentheus Ähnliches erlitten habe, nur entgegenzusetzen, Pilatus sei gar nicht Jesu Richter gewesen, die Juden seien von dem Fluch getroffen worden.“ (Wikipedia)

    Die Auferstehung des Herrn ist das Zentralelement des christlichen Glaubens. Auferstehung und Himmelfahrt. Bezeichnenderweise ist ein solcher Bericht in den verschiedenen religiösen Überlieferungen nicht einzigartig. Er klingt nur so, ist es aber nicht. Es gibt auch andere Zeugnisse, aus anderen Zeiten, aus anderen Winkeln der Erde. Lakota, Hopi, Tibet, Indien. Das muß man sehen. Doch deswegen sind diese Zeugnisse nicht weniger heilig als die Berichte der Auferstehung und Himmelfahrt des Nazareners. In all diesen Berichten geht es ja um das Wirken Gottes. Niemand steht alleine von den Toten auf. Das ja wohl nicht. Das ist verständlich. Hier wirkt Gott unmittelbar. Doch genau da setzen alle Spucker an. „Das ist doch im allerhöchsten Maße ungerecht! Seinen Sohn holt der Alte natürlich wieder zu sich, doch uns arme Würmer läßt er verrecken und vermodern! Mit den Juden war es nicht anders! Seht ihr denn das nicht, ihr bigotten Wahnphantasierer?“

    Solche Rede werde ich immer würdigen, doch geht sie mir nicht unter die Haut, denn sie ändert ganz und gar nichts an der Todesfurcht des Herren selbst. Christus starb im Schrecken, in tiefster Verzweiflung. In allertiefster Verzweiflung. Das gehört zum Karfreitag. Doch dann überschritt er mit seinen letzten Worten alles, auch Schmerz, Grauen und Schrecken. Das ist der wahre Mensch.

    „Es ist vollbracht!“

    „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!“

    Diese Worte sind keine Lüge. Diese Worte erfuhren ihre Antwort. Heute.

    Gelobt sei Jesus Christus, in Ewigkeit, Amen. Ostersonntag.

  3. Ground Zero, Tag Zwei

    Die Atombombe war explodiert. Sie nahmen den Leichnam vom Kreuz. Das Kreuz war sicherlich keine geometrische Form, sondern knorriges Holz. Ein wenig so wie das Kruzifix von Karol Wojtyła. Das Holz werden sie wieder verwendet haben, vielleicht sogar für denselben Zweck, den nächsten Delinquenten. Die Abnahme des Leichnams geschah durch Männer wie Simon von Cyrene, jenem, der Jesus das Kreuz zu tragen geholfen hatte, ein Stück den Hügel hinauf zur Schädelstätte. Auf der Schädelstätte muß es Schädel gegeben haben, die offen herumlagen. Letzte Reste, zerkleinert, ohne Gehirn. Die Geier hatten bereits alles gefressen. Wahrscheinlich gab es Kleidungsfetzen. Das ganze Ambiente eine Schauderstätte zum Magenumdrehen. Sie nahmen IHN also ab. Das machten sie mit Leitern und mit Zangen. Sie brauchten einen, der ihnen eine Zange lieh, einen Tischler, einen Faßbinder, einen Bootsbauer. Und die Leiter, woher auch immer. Die Römer verstanden sich nicht als Leihanstalt. Sie waren schon weg. Als sie den beiden noch röchelnden Schächern die Gebeine und den Brustkasten mit einem massiven Schlögel zertrümmert hatten, stachen sie, „als sie sahen, daß er schon tot war“,  dem Nazarener mit einer Lanze in die Seite („… und heraus floß Blut und Wasser“), nur um sicherzugehen. Dann zogen sie ab. Josef von Arimathäa ließ mit Genehmigung von Pilatus den Leichnam abnehmen. Unbenannte machten sich ans Werk. Noch oben, wie er auf der Leiter steht, nimmt er ihm die Dornenkrone ab und wirft sie hinunter. Irgend einer nimmt sie vorsichtig auf und trägt sie ins Gebüsch oder wirft sie in den Abgrund. Sie hämmern und ziehen die Nägel heraus. Das alles machen sie in der Vertikalen. Das Kreuz durften sie nicht umlegen. Das leere Kreuz blieb stehen. Die beiden Schächer wurden noch am Kreuz von den unzähligen, gierigen, kreischenden Geiern zerhackt. Da war ER schon fort. Sie zogen also die Nägel heraus. Ein Anderer, vorne, vor ihm, an der Brust, stützt IHN ab und fängt ihn ab. So lassen sie ihn heruntergleiten. Eine Puppe. Jeder, der ihn von Nahem sieht und berührt, oder vom Leichnam berührt wird, sieht das Blut und die offenen Wunden. Der Körper zeigt hundert und mehr offene Wunden. Das rechte Schlüsselbein liegt teilweise blank. Pures, offenes Fleisch. Das Gesicht nicht widerzuerkennen. Eine violette, rostbraune Masse. Sie schließen ihm die Lider. Sie legen ihn auf einen Eselkarren und fahren humpelnd mit ihm fort. In Gethsemani waschen sie ihn mit Kübeln von Wasser. Vielleicht waren sie nicht zimperlich, und schütteten im ersten Anlauf das Wasser aus Schaffeln über ihn, als er noch am Boden lag, im Freien. Dann legen sie ihn auf einen Tisch, möglicherweise war es ein Tisch aus dem Abendmahlssaal. Die Frauen beginnen ihn mit nassen Lappen zu reinigen. Lazarus, der von den Toten Erweckte, reinigt ihm die Geschlechtsteile. Die Frauen weinen in einem fort. Seine Mutter strotzt von Blut. Ihr Gewand ist staubig und schmutzig. Sie geht barfuß, so wie alle anderen Frauen auch. Als der Leichnam sauber da liegt, betteten sie ihn in das erste Laken. Nikodemus, ein Priester des Sanhedrin und heimlicher Gefolgsmann des Herrn, ließ 50 Pfund Öl aus Myrrhe und Aloe kommen, eine Kostbarkeit. Mit dieser Kostbarkeit ölten sie ihn komplett ein. Der Leichnam schwamm und duftete im Öl. Fünfzig Pfund. Dann wickelten sie ihn ein, mehrfach, in öldurchtränktes Leinen, und legten ihm das Gesichtstuch auf. Dann umwickelten sie auch den Kopf. Eine Mumifizierung. So trugen sie ihn in das frische, jungfräuliche Grab hinein, wo sie ihn auf eine Steinplatte legten. Die letzte Abschiednahme. Die Mutter bricht zusammen. Sie tragen sie hinaus und bringen sie fort, wo sie liegen und endlich, wenngleich in völliger Verwirrung, dem Wahnsinn nahe, ausruhen kann. Die Männer, hartgesichtig, wälzen den Stein vor und gehen in die hereinbrechende Dunkelheit fort. Sie zerstreuen sich aufs Erste. Keiner weiß, wo er gerade hinstolpert. Die Granate hat eingeschlagen, das Haus liegt in Schutt und Asche. Die wenigen Überlebenden stolpern und humpeln mit schreckgeweiteten Augen fort. Irgend ein arabischer Vater trägt im Wahnsinn sein totes Kind auf den Armen. Der Sabbath fordert seinen Tribut. Stille kehrt ein. Sie senkt sich herab vom bleigrauen Himmel. Die Tempeldiener betrachten ungläubig den zerrissenen Vorhang. Die Zeugen, seine Begleiter, liegen verstreut. Manche in ihrem Bett, manche in der Streu, manche im Gebüsch, manche am staubigen Boden. Wir wissen von niemandem, wo er war. Dann, am Samstag, nach 18 Uhr, sieht man Gestalten durch Gassen stolpern. Sie lehnen sich immer wieder an die Hausmauern. Manche erbrechen. Manche weinen. Ein Engel führt sie in den Abendmahlssaal. Niemand spricht. Keiner weiß, wie er selber heißt.

    Dann die Morgendämmerung des Ostersonntag. Der Himmel öffnet sich. Unermeßliches Licht. Niemand versteht auch nur das Geringste, auch nicht die Mutter.

    Dann also die zwei Emmaus-Jünger. Es ist Ostermontag. Sie sind am Boden zerstört. Demoralisiert. Da kommt der Wandersmann zu ihnen. Treuherzig fragt er sie, warum sie trauern. Die beiden antworten, wie es ihr Sinn ist: „Ja weißt du denn nicht…?“ Dann kehren sie ein. Er tut so, als wolle er weitergehen, in die Dunkelheit hinein. Sie bitten ihn hinein. Mit anderen Worten, sie laden ihn ein. Eine Taverne am Weg. Dort bricht er das Brot. Daran erkennen sie ihn. Das Herz bleibt ihnen stehen, sie glotzen ihn an, dann schreien sie: „Meister!“ Sie schreien unkontrolliert. Am Brechen des Brotes erkennen sie ihn. Das heißt, sie waren mit ihm bereits im Abendmahlssaal gewesen. Dort, wo er die Eucharistie eingesetzt hatte. Er hatte die Eucharistie nicht zuvor eingesetzt. Nein, erst dort, vor vier Tagen. Dort war er erschüttert. Das Brechen des Brotes jetzt öffnete ihnen in einem umfassenden Sinn die Augen. Sie wurden erleuchtet. „… und noch in derselben Stunde eilten sie zurück und berichteten, was sie erlebt hatten. Daß er ihnen erschienen war.“ Die Menschen im Saal strudeln noch immer am Boden herum und röcheln. Thomas, der Eiferer, verspätet hereinplatzend, sieht die Bescherung und kommentiert schnoddrig. „Ihr seid ja alle meschugge! Seht euch doch an! Ihr kugelt am Boden herum und speibt in der Gegend herum! Seht euch doch nur in den Spiegel! Ein einziges Desaster! Ihr seid ja schon nicht mehr bei Sinnen! Nicht mit mir, bitte schön! Bevor ich nicht meine Finger in seine Wunden gelegt habe, könnt ihr mich alle kreuzweise. Für mich ist das Kapitel geschlossen. Tschüss!“ Es vergeht nicht eine Woche, da wird es Ernst auch für ihn. Johannes 20, 19-29 berichtet:

    „Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.

    Thomas, genannt Didymus (Zwilling), einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus – hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

    Thomas, der sogennante Ungläubige, der Überlieferung nach gestorben um das Jahr 72 im indischen Mailapur, einem Bezirk des heutigen Chennai. Noch einer, dem das Zeugnis Flügel verlieh. Amen.
     
    Das leere Grab
    ein grab greift
    tiefer
    als die gräber
    gruben
    denn ungeheuer
    ist der vorsprung tod
    am tiefsten
    greift
    das grab das selbst
    den tod begrub
    denn ungeheuer
    ist der vorsprung leben
     
    (Kurt Marti)
     

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