"Welcome in a world without rules". So der Untertitel zu "The Dark Knight", dem vierten Batman-Film, nach dessen Fertigstellung Heath Ledger, der "Joker", verstarb. 3 Monate später verlieh ihm die amerikanische Filmakademie für diese seine ekstatische Darstellung posthum den Oscar in der besten "Nebenrolle".

"Gravitation und Irrsinn stehen sich nahe", äußert der im Scheinwerferlicht über dem Abgrund Schwebende. "Beide benötigen nur einen Anstoß."

Am 11.September 2001, als die Menschen aus den brennenden Türmen in die Tiefe sprangen, bewahrheitete sich dies.

Ostern 2009 trägt die deutliche Markierung des "Schwarzen Ritters" und seines Gegenspielers, der ihn immer wieder fragt, "Warum an mir selbst leiden? Das Dümmste, was mir passieren könnte! Und Du? Du läßt dich tatsächlich zu keinen niedrigen Taten hinreißen! Es hat den Anschein als würden wir noch eine Weile gegeneinander antreten müssen."

Unser persönlicher Feind ist ein Intimfeind, soviel steht sicher. Einer, der sein Schlachtfeld im großen Stil aufzieht und vor Amokläufen nicht zurückschreckt.

Wenn die Türme brennen und das Fernsehen live dabei ist, hat auch Satan seinen Auftritt als Rauchschwadenchimäre. Wenn sich am Karfreitag um die Neunte Stunde der Himmel verdunkelt und der Vorhang im Tempel entzweireißt (durch wen?), dann zählen wir die Stunden bis zur "Gloriole des Karsamstag". Keine biblischen drei Tage – gemach! -, nur 30 Stunden brauchen wir bürdenschwer in der Kasteiung zuzuwarten, um die Glocken wieder schellen zu hören, und weitere 12 Stunden, um endlich wieder einen alten Herrn im Prunkgewand auf der Ballustrade einer ebenso prunkvollen Basilika ritualgemäß die Hand heben zu sehen, ehe er selbst, so wie alle anderen, zum Festmahl schreitet. "Tod, wo ist dein Stachel?" Diese dichterische Frivolität darf bekanntlich jeder ob der vielfältigen Geschehnisse verunsicherte Christ am schnell herbeigeholten Ostersonntag formulieren als von der Obrigkeit eingefordertes Lippenbekenntnis. "Das ist doch unser Glaube, oder?"

Doch das alles, diese Qual, sieht Heath Ledger, der Joker mit zerschnittenen Mundwinkeln und weißgeschminktem Gesicht am Seil über dem Abgrund eines Wolkenkratzers, nicht mehr, und mit ihm Millionen andere ebensowenig.

Und wir, die immer noch übrig Gebliebenen, dürfen einmal mehr die Stirn in die Hand legen und ins Grübeln verfallen, oder wir schultern unser Wams und treten hinaus auf die Brüstung, die Klippe, den Grat, vor uns die Ferne, die uns einer, ein Unschuldiger, so plötzlich zur Nähe gebracht hat.

Vergeßt nicht, liebe Freunde, wir sind nie allein, und da ist etwas, das alles sieht! Oder können wir es uns leisten, zu sagen, "einer"?

Dank zu Ostern euch allen!

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  1. In der Tat ist es erleichternd, anstatt des Feierns und nachdauernden Ostereierpeckens einmal zu meditieren. Einige Dinge haben sich angestaut, unter anderem, das darf man sagen, auch die Eindrücke zu besagtem Batman-Film, der von der schauspielerischen Leistung des verstorbenen Heath Ledger – aber nicht nur davon – zehrt. Der niedergeschossene Filialleiter der ausgeraubten Mafia-Bank hält dem Masken-Clown vor, "Früher waren Gangster noch Männer mit Ehre, doch Du glaubst wohl an nichts mehr", und der Joker zieht seine Clown-Maske vom Gesicht und zum Vorschein kommt diese verstörende Schminke, und mit abwesendem Blick erwidert er ihm: "Ich glaube daran, daß das, was mich nicht umbringt, nur fremdartiger macht."

    Ein Geistesgestörter, dem der eigene geisteskranke Vater den Mundwinkel in der Kindheit aufgeschlitzt hatte, kann nur so reden. Und damit sind wir beim eigentlichen Osterthema: Vergebung. Das ist zwar ein vielstrapazierter Begriff, aber er gehört nunmal zu den sieben Worten Christi am Kreuz. "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."

    Selbst wenn das Verbrechen mit derartiger Lust ausgekostet wird, wie es der Skriptverfasser Christopher Nolan dem Joker in den Mund legt (er rutscht auf einem Millionenberg hinunter, zündet ihn an und läßt den mexikanischen Gangsterchef von den eigenen Rottweilern zur Zerfleischung abführen), es schreit umso mehr nach Gerechtigkeit. Gerechtigkeit kommt von Rechtschaffenheit. Etwas richtig machen. Mich rechtschaffen ausrichten auf etwas, das Gute. Ist das Gute unserem Gewissen eingepflanzt? Gibt es eine Stimme des Gewissens, die uns zuflüstert: "Tu’s nicht!" Wessen Stimme ist sie? Ist es nicht nur Einbildung, kindlicher Aberglaube? Die Selbstbesänftigung eines domestizierten Kindes? Der Joker, der ungeniert in die Mafiarunde mit scharfen Handgranaten im Revers hineinplatzt, sagt von sich, "Nein! Nein, ich bin es nicht (verrückt)" und hinterläßt der Runde seine Joker-Karte mit Telefonnummer, für den Fall, daß sie die Angelegenheit etwas ernsthafter behandeln wollen. Und er äußert gegenüber dem im Gesicht verunstalteten Staatsanwalt am Krankenbett sein weiteres, scheinbar ultimatives Credo: "Ich kenne das Chaos nur allzu genau. Ich will dir sagen, wie es riecht: Nach Scheiße." Und drückt dem am Rande des Wahnsinns stehenden Staatsanwalt den Revolver in die Hand und den Lauf an die eigene Stirn, und Harvey Dent darf die Münze seiner toten Verlobten werfen. Ultimatives Credo, so wie es der verrückt gewordene Staatsanwalt in der Schlußszene akklamieren darf. Der Zufall ist das einzig gerechte Prinzip im Universum. Das, was wir aus der Welt gemacht haben, ist nur ein Verbrechen. Und er wirft wieder die Münze für den eigenen Suizid.

    Man muß kein Ayahuasca-Trinker (ich wünschte, mein verstorbener Onkel wäre einer gewesen) sein, um zu merken, daß etwas in der Luft liegt. Gestern unterbrach mich mein Sohn beim Zähneputzen. Er ist fünf. Er zäumte seine Sache folgendermaßen auf: "Papa, wieso ist Gott gut? Warum hat Jesus sterben müssen, wenn sie eine Woche davor mit ihm gefeiert haben? Papa, was passiert, wenn mich Graf Dracula in der Nacht beißt? Hat Gott auch Graf Dracula gemacht?"

    Ich weiß nicht, wie ich auf andere wirke, nicht einmal bei meinem Sohn. Ich weiß nicht, was er, abgesehen von meinen Fußtritten für die Katze, noch an mir beobachtet. Welche Gewalt, welchen Zorn? Auch er verpaßt der Katze bisweilen einen Tritt, und es dreht mir den Magen um.

    Was ist das für ein Spiel in der Welt? Zu Weihnachten gab es Krieg, zum ungezählten Mal, in Palästina, die Israelis bombten Zivilwohnungen nieder. Jetzt, zu Ostern, verhungern hunderttausende vergessene Afrikaner im Sudan und in Zentralafrika, während rund um sie Soldaten, von China aufgerüstet, aufmarschieren. Das alleine macht diese Supermarkt-Ostern so unerträglich.

    Wie schaffen wir es, über unseren Schatten zu steigen und von unserer Einsamkeit zu sprechen? Alles wird von den Festtagsbraten niedergestampft. Bis zum letzten Abdruck. Sogar die Dahinsiechenden, ja beinahe schon Röchelnden werden mit einer Weinflasche abgespeist.

    Und während ich dies in meiner Stube schreibe, spielt der Sohn meiner Nachbarin auf dem Dielen-Boden, ein Jahr ist er alt. Und der imposante Hund meiner Schwägerin, der verlauste und verkretzte, der gerne den Untermieter spielt, beäugt den Kleinen von nahe, und du kannst nur staunen, ja, du hörst es aus seinen treuherzigen Augen: "Hallo, Menschenkind!" Während die Freunde abhanden kommen, fangen die Tiere an zu reden, sogar die Schmetterlinge. Wie das?

    Annerlsonntag, 19.April 2009, mit Gruß an all die vielen Unbekannten.

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