Das, was in Tibet gegenwaertig geschieht, hat weitreichende Auswirkungen. In der empoerten Reaktion der zivilisierten Weltoeffentlichkeit zeigt sich, dass in unserem Bewusstsein das Recht auf Selbstbestimmung als ein weltumspannendes Menschenrecht nach wie vor, und zum Glueck, tief verankert ist. Das gibt Anlass zur Hoffnung.

Doch der Moloch, der das ganze inszeniert, ein seit Jahrzehnten kalt, ja geradezu technokratisch kalkulierendes Militaerregime, das unzaehlige Regimekritiker auf dem Gewissen hat, unter ihnen Studenten, Kuenstler, Christen und eben, im Herzen, Tibetaner, Moenche, Frauen und Halbwuechsige, dieser Moloch wird von aller Welt hofiert, und der Moloch frisst alles, hoeflich grinsend, und was ihm nicht genehm ist, speit er aus, verweist es des Landes.

China heute ist der ultimative Ausdruck des Alles-oder-Nichts-Kapitalismus; die Boersen in Peking, Shanghai und Hongkong mit ihren zaehnebleckenden Brokern der zur Fratze geronnene Inbegriff der Gier. Eine Treibhauswelt der geistigen Art, offenliegendes Plutonium.

Alle haben in China investiert, alle, und alle holen sich jetzt blutige Nasen. Sie haben alle Scham fallen gelassen, in der Meinung, China sei noch ein Entwicklungsland. Sie sahen die Kinderarbeit und die liberalen Arbeitsgesetze, die keine waren. Sie meinten, hier koenne man nach Lust und Laune ausbeuten: Menschen und Natur. Selbst die prinzipientreuen Konzerne, die noch in Familienbesitz stehen, und deren Praesident vielleicht Foerderer des Opus Dei oder der Freimaurer ist, selbst sie gingen nach Fernost. "Stellen Sie sich vor, in China betragen die Arbeitskosten ein Zehntel von dem, was sie in Polen betragen, und in Polen sind sie ein Zehntel von den ….. " (beliebiges Land aus "Kerneuropa" einsetzbar). Die Amerikaner: "Oh boy, 12 Stunden Arbeitszeit, Montag bis Sonntag, keine Gewerkschaften. How do you want to compete with such conditions. They will fray us all." Nike produziert keinen einzigen seiner Schuhe in den U.S., alles in China, aber Michael Jordan hatte einen 5-Millionen-Dollar-Werbevertrag.

Und heute haben sie alles kopiert, und die Kopiermaschine stellen sie frech direkt neben die Auslaender, und dann, in einem Ueberraschungscoup, nimmt die "Volksrepublik" die Produktion auf, und am Tag der Eroeffnung marschiert die vom Westen geschulte Belegschaft geschlossen von der europaeischen Fabrik hinueber in die chinesische. Und die verdatterten Expatriés bleiben alleine in ihren Hallen zurueck. Wo bitte sich beschweren? Vielleicht bei einem Panzergeneral?

Knapp 70% allen Kinderspielzeugs weltweit heute ist chinesischen Ursprungs, teilweise versetzt mit giftigen Materialien. "Toys ‚r us" hat nunmehr einen anderen Sinngehalt. Und auch die Wertlosigkeit hat heute ein Gesicht, – ein chinesisches. Ein Feuerzeug in Peru anzuenden heisst heute, es nach zwei Mal wegwerfen. Ich habe nur chinesische angetroffen. In China hat nur eines Qualitaet, die Ruestung. Sie wollen auf den Mond. Das alte China, das China des Konfuzius, das China des Kung Fu, das China der Espadachins, es ist dahin. Das Zaubertal Suedchinas, es ist im alles verschlingenden Stausee des Jangtsekiang versunken.

Die Moenche des Shaolin, sie sind nur Maquillage.

China zeigt im Jahr der Olympischen Spiele sein wahres Gesicht. Sie scheuen sich nicht, ihr wahres Gesicht sogar als Gastgeber zu zeigen, denn sie haben zurecht kalkuliert, diesen Affront werden die "Menschenrechtsdecadents", wie sie sie nennen (Decadents, weil sie sich nicht mehr vermehren), nicht eingehen. Die Olympischen Spiele abzublasen, das wuerde deren Wirtschaft durcheinanderwirbeln, all die Millionenvertraege mit den Medien- und Sportartikelkonzernen, mit den Sponsoren und den Athleten, die sowieso alle zum rechten Zeitpunkt aufs Maximum hin gedopt sind, das werden sie, der "Westen", nicht wagen. Gerade und eben wegen der gedopten Athleten.

Der Dalai Lama, er setzt bis zum letzten Moment auf Dialog. Er denkt an das chinesische Volk, das unschuldige, ausgebeutete. Das Volk, das von Tibet nichts weiss. Er befuerwortet die Spiele, die EU gibt ihm recht.

Aber zur selben Zeit sitzen namenlose Tibeter in Einzelhaft und zittern vor der bevorstehen Folter. Sadistische Spezialisten werden gottgeweihte Kreaturen aufs Blut peinigen und sie dann entweder wieder wie Hunde auf die Strasse werfen oder ihnen den Gnadenschuss im Genick ansetzen. Wahrscheinlich zur selben Zeit, als wieder ein historischer 100-Meter-Lauf mit farbigen Sprintern ansteht und 1 Millarde Menschen zusieht.

Die Europaeer verstehen nicht, dass der strategisch angeplante Genozid des Buddhismus in weiterer Folge ein Angriff ist auf jeden religioes denkenden, friedlichen Menschen. Sie glauben nicht, dass die Chinesen bis zum Genozid gehen koennten. Und dabei war es im Kambodscha Pol Pot’s, unter chinesischem Einfluss, gerade soweit gekommen, das als nicht moeglich Gedachte geschehen. Kambodscha ist bis heute nicht aufgearbeitet, sowenig wie Srebrenica unter Karadzic, und Srebrenica liegt immer noch vor unserer Haustuere. Zeigt denn nicht die Shoa, was moeglich war, bis in die letzten Tage des Infernos?

Europa laesst sich einlullen, denn in Teilen der Welt hat man begriffen, die Sesselohrensofa-Pfeifenraucher werden aus Schuldgefuehl keinen Krieg mehr vom Zaum brechen. Wir brauchen nur die Presse auszuschalten, dann haben wir freie Hand.

Tibet zu Ostern 2008 wird sich noch zu einem schicksalshaften Menetekel mausern. Die Schrift an der Wand wird lauten: "Wacht auf! Wir leiden! Sie werden uns vernichten! Wir sind die Hueter des wahren Friedens! Sie wollen uns vernichten! Denn sie wollen Krieg! Seht uns an, wir flehen euch an! Tut etwas!" Nur die Hopis werden dieses Menetekel klaren Auges lesen, von weitem. Doch die in edle Anzuege gekleideten Konferenzteilnehmer des Christlichen Abendlandes werden in Verlegenheit auf ihre Manschettenknoepfe und Breitlings und Montblancs starren und dafuer votieren, eine Petition abzuschicken. Und sie werden die "Krot" schlucken, doch die werden sie diesmal nicht verdauen. Ein Restfett wird ihr Herz angreifen, und dieser Infarkt wird Kreise ziehen. Und der alte Mann im Vatikan, der ebenso erlaucht gekleidete, er wird in diesem Moment seine Machtlosigkeit bedauern. Und da waere er gut beraten, seinen Kollegen aus Dharamsala einzuladen, um diesem die Hand zu reichen. Unverzueglich, denn es brennt!

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  1. "Eure Heiligkeit, ich hielt es für natürlich, daß Sie den Chinesen gegenüber Groll hegen. Doch Sie haben mir gesagt, das sei nicht der Fall. Aber verspüren Sie nicht ihnen gegenüber, zumindest manchmal, ein tiefes Gefühl der Feindseligkeit?"

    "So gut wie nie", antwortete der Dalai Lama. "Die Sache ist die: Wenn ich gegenüber denen, die mir Leid zufügen, negative Gefühle entwickle, zerstört das nur meinen Seelenfrieden. Aber wenn ich ihnen vergebe, empfinde ich innere Ruhe. Was unseren Kampf für Freiheit angeht: Wenn wir ihn statt mit Zorn und Haß mit wahrer Versöhnung führen, wird er umso effektiver sein. Ein Kampf mit Gelassenheit, mit Mitgefühl. Die analytische Meditation hat mich vollständig davon überzeugt, daß destruktive Gefühle wie Haß wertlos sind. Inzwischen empfinde ich keinen Zorn oder Haß mehr. Aber manchmal bin ich ein bißchen verärgert."

    Wann immer der Dalai Lama über Versöhnlichkeit spricht, führt er als Beispiel gerne die Geschichte von Lopon-la an, einem Mönch aus Lhasa, dessen Bekanntschaft er vor der chinesischen Okkupation gemacht hatte.

    "Nachdem ich aus Tibet geflohen war, wurde Lopon-la von den Chinesen ins Gefängnis geworfen", erzählte mir der Dalai Lama. "Er blieb dort achtzehn Jahre. Als er endlich frei war, kam er nach Indien. Ich hatte ihn zwanzig Jahre nicht gesehen. Aber erschien sich nicht verändert zu haben. Natürlich sah er älter aus. Aber er war körperlich gesund. Sein Verstand war nach so vielen Jahren Gefängnis noch immer scharf. Er war noch immer derselbe freundliche Mönch. Er erzählte mir, die Chinesen hätten ihn gezwungen, seinen Glauben zu verleugnen. Sie folterten ihn sehr oft im Gefängnis. Als ich ihn fragte, ob er je Angst gehabt habe, antwortete Lopon-la: ‚Ja, vor einer Sache hatte ich Angst. Ich hatte Angst, mein Mitgefühl für die Chinesen zu verlieren.‘ Das hat mich zutiefst gerührt und auch sehr inspiriert."

    Der Dalai Lama hielt inne. Er zupfte seine kastanienbraunen Gewänder zurecht und schlang sie sich eng um den Körper.

    "Nun. Lopon-la. Seine Versöhnlichkeit hat ihm während der Zeit im Gefängnis geholfen. Sie sorgte dafür, daß seine schrecklichen Erfahrungen mit den Chinesen nicht noch schlimmer wurden. Mental und emotional hat er nicht allzu sehr gelitten. Er wußte, daß er nicht entkommen konnte. Deswegen beschloß er, die Realität zu akzeptieren, statt durch sie traumatisiert zu werden."

    Der Dalai Lama ist davon überzeugt, daß die Macht der Versöhnlichkeit Lopon-la half, all die Jahre im Gefängnis ohne bleibenden seelischen Schaden zu überstehen. (Dalai Lama: Die Weisheit des Verzeihens, Bergisch Gladbach 2007, S.49-51)

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