Auf der Suche nach dem besten Freund geraet jeder von uns irgendwann irgendwohin. Fuer den einen ist es der Schnaps, das Bier oder der Wein (oder, nach Wilhelm Busch, der Likoer). Der andere geraet in die Rotlichtzone. Jene, die dort nicht gerne gesehen werden wollen, setzen sich hinter den diskreten Internetschirm zuhause. Wieder andere haben ihre Rauchpackungen am Morgenweg zur Arbeit gesichert.

Die, die es nicht so tragisch nehmen, halten sich an den eigenen Magen oder ans eigene Bett. Und die Gluecklichen unter uns, fuer sie ist der beste Freund der eigene Mann oder das Eheweib, oder, auch noch Glueckliche, ein Buch. Und fuer die Wehmuetigen bleibt die Einsamkeit der beste Freund. Fuer einsame Stunden, aber nicht unbeschraenkt. Auf See, im Gebirge, im Wald, am Fluss. Fuer manche sind die Wanderschuhe der Freund. Im Beipack haben sie noch einen weiteren Freund, den vierbeinigen. "Mein bester Freund ist der Schlaf", sagte mir einmal eine liebgewordene Dame. Sie fuehrte ein somnambules Leben, ein beispielgebendes, ich gestehe es. Eigenartig, die Morpheus-Anhaenger sind nicht deckungsgleich mit den Fernseh- und Kinoliebhabern. Keiner, wenn ich’s genau betrachte, redete je vom Fernsehschirm als dem besten Freund. Er ist wohl der Schindknecht im Heim. Protzig, schwer und teuer, oder, mit LCD, protzig und teuer.

Reden wir einmal ueber die Wanderer. Die "Wandervoegel". Die "Boy Scouts". Die "Landser". Die, die 50 Kilometer am Tag gehen. Da war einer, er rauchte und wanderte. Er unterrichtete Latein. Ein Vorzeigemensch, obwohl er das ganz und gar nicht wollte. Wenn ihn der Rappel packte, ging er, egal, wie spaet es war, vor die Tuer und stackste querfeldein. Aus dem Losmarschieren wurden 30 Kilometer. Nach Hause fuhr er mit der Bahn. Werner Herzog ging von Muenchen nach Paris, um mit diesem Opfer Lotte Eisner vom Bett in Paris wieder aufzurichten. Peter Handke machte Parisumrundungen und ueberhaupt Rasterungen. Sicher ein paar Hundert Kilometer.

Dann haben wir noch die "Schnueffelhunde", die auch gut zu Fuss sind, die Pilzsucher. Fuer den Pilz gehen sie meilenweit. (Erinnern Sie sich noch an die"Camel"-Werbung?) Verstuende ich mehr vom Pilz, gut moeglich, dass er ganz oben in meiner Sympathieskala rangieren wuerde. So schaue ich sie mir an und befuehle sie vorsichtig. Wenn es der Geldbeutel zulaesst, schlage ich in der Saison zu. An die Pilzgerichte meines Lebens erinnere ich mich alle.

Was ist mein Koenigreich, fragt das Kind. Der Wald mit seinen Zwergen und dem Wolf? Der Fluss mit den Walfischen, die mich fressen koennen? Die Kuhweiden auf den Almen? "Wo ist mein Koenigreich?" darf sich jeder fragen. Spaeter schreibt man eine Antwort, als Dichter, zum Beispiel. "Der Alpenkoenig und der Menschenfeind".

Fuer die Jaeger in Tamshiyacu – zum Glueck werden es nach und nach weniger – ist es eine Leidenschaft, dieses Toeten der Tiere naechtens. Sie streifen durch den Wald oder sitzen bei Wasserloechern an, um einen Dachs zu erlegen. Ihre Gesichter sind meistens hart, wild und verschlagen. Eine Schlange, die ihnen ueber den Weg laeuft, hat nichts zu lachen. Die altgewordenen Jaeger von Tamshiyacu sind wortkarg. Sie geben ihre Geheimnisse nicht gerne preis, es sei denn, man bezahlt dafuer. Fuer diese Maenner ist der Wald nicht der beste Freund. Zu gefaehrlich ist er. Wenn es schon nicht zu einem Jagdunfall kommt, genug Anderes kann passieren. Die Geister. Der Shapishico. Frueher, dann und wann, auch Indios.

Fuer die Bauern, die alteingesessenen, ist es immer noch ihr Feld, ihre Feldungen. Dort sitzen sie eine ganze Woche oder noch laenger, werden mieselsuechtig und ernaehren sich von Mazato – vergorener Yuca – und dem, was der Boden hergibt. Vegetarianer um den Preis ausfallender Zaehne. Vegetalistas, die Pflanzenmedizin diaetieren, neben der Feldarbeit. Gebeugte, schwerhoerige Vaeter, die lieber mit Geistern reden als mit schusseligen Dorfleuten. Muetterchens, die immer noch 20 Kilo am Kopf schleppen.

Fuer die Kinder ist es das Baden im Regen, das Liegen in den Rinnsalen, das Liegen auf den heissen Steinen, das Baden im Strom. Holt mich die Boa heute?

Jeder, der eine Zeit im Dschungel verbringt, erlebt Seltsames. Gibt es vielleicht doch jemanden, der mich beobachtet, ohne dass ich es merke? Und unsere Verrueckten, Gino el Loco, Loco el Joven, die Namenlosen in den Strassen von Iquitos, die Entwurzelten auf den Lanchas, die Familienlosen, die Ausgestossenen, die Waisen, die jungen Witwer? Oft ist es ein kleines Radio, das sie mitfuehren und im ruhelosen Trubel ringsherum ans Ohr halten, eine Geraeuschquelle mehr. So schlafen sie bei Licht und Radiomusik, traumlos, am Boden, vielleicht, wenn sie Glueck haben, in der Haengematte.

(In diesen Tagen wurde Gabriel "Gabo" Garcia Marquéz achtzig. Fuer die vielen Stunden atemlosen Lesevergnuegens gebuehrt ihm an dieser Stelle Dank. Zehnfacher Dank.)

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