Sacha Mama, Boa Negra, Anakonda der Erde, „Allpa Runa – Diosa de la Tierra“, wie Agustin sie nennt, eine Anrufung:

Heute, wo der Regen unaufhoerlich faellt, majestaetisch und den Laerm der Welt daempfend, wo wir alle hinaus- und hinaufschauen, ein Tag, um an die Freundin zu denken.

„Liver, kennst du jemanden, der die Sacha Mama selbst gesehen hat?“ Ein Abendgespraech in Otorongo.

„Ja, ich selbst, im Ucayali.“

„Nicht wahr!“

„Doch, Doktor, so wahr ich hier stehe. Ich bin Fischen gegangen zu einer Cocha, die bekannt ist fuer die guten Fische, die in ihr stehen, und das Wasser ging gerade wieder zurueck. Es war tief drinnen, nicht am Ucayali selbst. Ich gehe so mit meinem Netz und der Angel, wie ich meinen Augen nicht traue. Es war nicht weiter als, sagen wir, 10 Meter, wie sie vor mir langsam unter einem Riesen durchkriecht, er bewegt sich, weil sie sich unter ihm durchzwaengt. Doktor, ich schwoere dir, sie war so hoch…“ Er misst ueber die Tischkante, wohl um die 1,20. „Deutlich sah ich ihre Musterung am Ruecken. Es hat brilliert. Mir wurde schwindlig. Dann blickte ich nach vorn. Doktor, du kannst es dir nicht vorstellen. Die Augen wie Scheinwerfer. Sooo gross.“

„Was willst du damit sagen? Wie lang war sie deiner Meinung nach. Lueg‘ nicht!“

„Das kann ich dir genau sagen. Wie gross ist unsere Kueche, 11 Meter? Dann war sie 5 mal so lang. Von hier bis zum Stacheldrahtzaun. Wie ich sie gesehen habe, habe ich mich nicht mehr ruehren koennen. Ich habe auch nichts mehr gedacht. Dann habe ich gesehen, wie sie mir den Kopf leicht zuwendet. Sie wusste, dass ich da war, aber sie hat sich nicht stoeren lassen.“

„Na freilich hat sie sich nicht stoeren lassen“, mischt sich Oskar ein, „sie hat keinen Hunger auf dich gehabt.“

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie das war. Die Baeume wackelten. Alles um mich herum war ploetzlich finster. Dann kam ich wieder zu mir und bin gelaufen. Kein einziges Mal bin ich stehen geblieben. Dem alten Fischer, der dort heilt, habe ich es erzaehlt. Er hat mich einen ganzen Tag lang geraeuchert und mir Mapachos zum Rauchen gegeben, sonst waer‘ ich gestorben, sagte er. Er weiss, dass eine dort lebt, aber sie hueten sich alle vor ihr. Am naechsten Tag sind wir mit ein paar anderen hingegangen. Du hast die Rinne sehen koennen. Was fuer ein Gewicht muss das sein!“

„Also, du hast sie wirklich gesehen!“

„Ja, am Ucayali, weil dort gibt es gute Fische.“

Die Abende in Otorongo sind immer gut fuer Schauergeschichten.

„Oskar, wie schnell waere die Boa Negra?“

„Sacha Mama bewegt sich nicht, das weisst du doch, Papa. Sie bleibt ihr Leben lang an einem Fleck, kommt nur mit dem Kopf hoch, wenn sie Hunger hat, und zieht etwas an. Die, die Liver gesehen hat, hat sich in der Cocha eine neue Hoehle gesucht, und ausserdem hat sie gewusst, dass es unser Liver war. Mein Gott, glaubst du, sie haette ihn nicht verspeisen koennen? Einfach so?“

Hollywood hat „Anakonda 1 + 2“ produziert. „Anakonda 1“, mit einem wie immer erinnernswerten Jon Voight, spielt in Brasilien, „Anakonda 2“ auf Celebes. Manche tun die Exemplare aus dem ersten Teil wegen ihrer Laenge – das Maennchen misst etwa 15 Meter – bereits als masslose Uebertreibung ab. Im zweiten Teil kommt es zu einer Massenhochzeit von Sacha Mamas. Natuerlich, die Menschheit siegt, die Monstren werden mit entsprechenden Hasstiraden und Sprengsaetzen ausgeloescht, doch jemand muss tatsaechlich gut recherchiert haben, bei uns wie auf Indonesien. Doch wie muss es sein, wenn „La Diosa de la Tierra“ ihr Haupt erhebt?

„In einer Sekunde ist sie vom Klo dort drueben hier bei uns. Du hast keine Chance, Clemens.“

„Geh‘, das gibt’s doch nicht!“

„Agustin, haben wir noch Sacha Mamas hier bei uns?“

„Na freilich! Glaubst du, nur weil wir sie nicht sehen, existiert sie nicht? Eine ist sicher gerade am Wachsen!“

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