On Courts

Wie schön, jeden Tag aufs Neue erkennen zu dürfen, auch unter jenen, die sich keine Sorgen um ihre finanzielle Ausstattung machen müssen, finden sich solche, die das Gesicht der Menschlichkeit bewahren. Manche dienen der Jugend und den Junggeblieben als Vorbild. Gut so. Einer von diesen ist der im Kampf grimmig dreinzublicken pflegende Rafael Nadal, der Tenniscrack, und bis vorgestern Nummer Eins der männlichen Tenniswelt. Jüngst spielte er auf einem Nebenschauplatz, ich konnte nicht erkennen, wo, ein Exhibitions-Doppel mit „Legenden“ der Tennisvorzeit, unter anderem John McEnroe, der mittlerweise komplett weißhaarig auftritt. Das ließ mich sofort staunen. Die Gesichtszüge problemlos wiederzuerkennen, doch die weiße Haarmähne stilisiert ihn zu einem Philosophen des griechischen Altertums. Die anderen zwei Teilnehmer wurden in dem YouTube-Video-Clip nicht genannt oder näher gezeigt, denn es ging bei dem Filmausschnitt um etwas Anderes: Nadal, dieser bullige Athlet, bei dieser Gelegenheit sichtlich entspannt und nicht wie sonst ohne Macken vor dem eigenen Aufschlag, will also servieren, da wird es im Publikum, das praktisch auf Griffweite um den Tennisplatz auf Tribünen steht, unruhig. Die Tribünen an allen vier Seiten waren voll, ich schätze, mit mindestens 1.000 Zuschauern. Eine Frau, Mutter, gerät in Panik, als sie ihr Kind weder in Griffweite noch rings um sich herum wahrnimmt. Sie beugt sich nach vor, rechts und links, kein Kind. Sie ruft den Namen, und dann, als sie die Angst übermächtigt, schreit sie ihn. Ein ungehemmter Mutterschrei. Die Atmosphäre des Spiels war aufgeräumt, entspannt, locker, freundlich, nostalgisch, freundschaftlich. Noble Herren, nobles Publikum. Ich dachte, entweder in England oder in den USA. Unter Umständen Kanada im Sommer. Es war Sommer, Abend, Tageslicht. Nicht drückend heiß. Die Frau schreit. Alle halten inne. Die Frau wird schlagartig zur Hauptdarstellerin. Sie steht auf der obersten Reihe, das ist aber auch nur eine Griffweite von Nadal entfernt, sagen wir, 20 Meter. Die Frau verliert ihre Maske und damit ihre geübte Bewegungskoordination. Nadals Gesicht zerfließt. Es zerfließt richtiggehend. Er wippt mit dem Schläger, dann läßt er sich auf die eigenen Gefühle ein. Er beobachtet. Alle stehen still. Tausend Menschen verharren und registrieren, da stimmt etwas nicht. Ein Kind ist weg. Die Frau ist nicht ohne Grund fassungslos, Andere denken ähnlich. Kindesentführung am helllichten Tag? In den USA kein Ding der Unmöglichkeit. Ein Triebtäter? Nicht unmöglich. Die Alarmsirene der Mutter schrillt in höchsten Tönen wie bei der Atomraketenwarnung auf Hawaii, Honolulu, jüngst. Es wird schlagartig still. Nur eine Brise weht. Alle halten inne. Die Frau ruft den Namen ihrer Tochter. Da antwortet die Tochter mit krächzend heller Stimme aus der Menge linkerhand, etwa 20 Meter entfernt. Die Frau drängt los, alle öffnen ihr den Raum. Die Mutter eilt zu ihrer Tochter mit sicherem Schritt, ruft den Namen, als sie das Kind, ein Tochter von vielleicht fünf, sieht und hebt es unter einem ungehemmten Tränenausbruch hoch, das Kind, von jäher Todesangst, der es tapfer in Starrheit zu widerstehen versucht hatte, bereits ergriffen, heult ebenfalls in einem sicht- und greifbaren Zusammbruch der Nervenspannung los, und der Effekt dieses Ausbruchs der liebenden Sorge, mütterlicher Fürsorge, und kindlicher Hingegebenheit, kreist wie ein Lauffeuer im Geviert, und John McEnroe, den ich immer schon mochte wegen seiner weinerlichen Wutausbrüche, die er offen am Court, wenn ihm etwas mißlang und er mit sich selbst zu hadern begann, nicht unterdrücken konnte, auch bereits vor 38 Jahren, John McEnroe ist also der erste, der sich gleich mal in die Augen greift, weil auch ihm die Tränen hervorschießen, und Nadal, der Tennis-Terminator, zieht nach, mein Gott, wie schmachtet auch dieser muskelstrotzende Bulle unter Tränen, wie ein Vater, der weiß, was diese Frau da gerade durchmachte. Nadal bekennt Farbe: Ja, ich bin auch bereits Vater, liebender Vater, und von McEnroe, dem kritischen Geist, der es sich schon seit einer Weile leisten kann, ohne hemmende Sponsorverträge im Hintergrund seine Meinung nunmehr offen zu bekunden, wissen wir sogar noch mehr, wir wissen, er macht sich über Kindererziehung und Ehrlichkeit große Gedanken. So endet also dieses Intermezzo. Die Mutter hält ihr Kind hochgeschultert, die Tochter hängt an ihr, und die Stehnachbarn heißen die beiden auf ihrem Platz wieder willkommen, und Rafael Nadal darf servieren. Das hat mich gestern abend bewegt.

Der Nächste auf meiner Liste ist der Herr aus der Schweiz, von dem man getrost sagen kann, einer der größten Sportler aller Zeiten, nicht nur seiner Zunft, sondern generell. Roger Federer hat die 36 überschritten und wurde vorgestern, nach sechs Jahren, wiederum Nummer Eins der Tenniswelt. Der Mann ist ein einzigartiges Phänomen, ein Beispiel unerreichter Disziplin, er selbst, natürlich, liebevoller Vater von vier Zwillingen, und einer repräsentativen Gattin, Mirka Federer Vavrinec, von der man sagt, er habe sie, eine ehemalige Schweizer Tennisspielerin, bei Olympia zu Sidney 2000 „am Rande“ kennengelernt. Der Mann hat alleine an Preisgeldern über 120 Millionen Euro gewonnen, ich bin es ihm vergönnt, so wie ich ihm überhaupt alles vergönnt bin. Diesem Mann kann man einfach nicht böse sein. Mag er, wie mein Beichtvater es bezeichnet, „500 Millionen schwer sein“, eins steht fest, er wird kein zweiter Tiger Woods, der sogar Dollarmilliardär war, und auch kein zweiter Maradona, kein Ronaldinho oder sonstiger Zeitgenosse, den die Leidenschaft des Lebens in den Rausch trieb und so beinahe zum Verhängnis wurde. Nein. Roger Federer ist das Maß aller Dinge und somit auch der Konstanz, der Wohlsituiertheit, der Geordnetheit und der Lebensbejahung. Dieser Mann schwebt wie eine Feder über den Platz. Dieser Mann hat jede Minute seines Tages geplant. Er führt eine ideale Ehe. Einfach alles nur bestaunenswert.

„Ich gratuliere Ihnen aus vollem Herzen, Monsieur Federer. Möge Ihnen Gott ein langes Leben bescheren und Sie weiterhin so Vieles zum Besseren der Menschheit beitragen.“

Der nächste in meiner Sammlung, dem ich danke für seine vorbildhafte Menschlichkeit, ist der 72-jährige Jupp Heynckes, zum wiederholten Male Trainer des FC Bayern München. Der Mann, den alle für eine weitere Saison verpflichten wollen, Spieler wie Vereinspräsidium, weil er den besten aller Väter für seine Starspieler abgibt. Das sagt bereits alles. Frank Ribery, der stolze Franzose und einer der langjährigen Schlüsselspieler des FC Bayern, fällt diesem Trainer um den Hals und läßt sich alles sagen. Dieser stolze Franzose läßt sich von diesem Opa alles sagen. Ja, das ist mein Ideal. Mit 72 voller Leidenschaft im Geschäft. Der Mann, der bereits alles erreicht hat, so wie Federer, gibt nicht auf, obwohl er bereits in Pension war, bei Gattin und Hund, nach dem Gewinn des Trippels im Jahr 2013, Champions League, Meisterschaft und Nationaler Cup. Da erreicht ihn ein Flehanruf aus München, Jupp, mit Ancelotti läuft es nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben, in Paris haben wir drei Eier auf den Kopf gekriegt, bitte tu uns den Gefallen und komm morgen zu uns. Über Geld brauchen wir nicht reden, du nennst eine Summe. Bitte komm morgen! Wir schicken dir eine Blaulichteskorte. Und Heynckes packte seine Sachen, so wie Peter Stöger, das Wiener Urgestein, den sie bereits in Köln abgesägt hatten und der grad bei Mama in Wien zu Weihnachten beisammen saß, als ihn der Dortmunder Chef anruft, Herr Stöger, bitte, bei uns ist Not am Mann, kommen Sie, am besten, gleich noch heute. Peter Stöger entschuldigte sich bei Mama, die vielleicht gram war, aber es verstand, denn es ist doch schön, wenn der Peter ein von den Deutschen gesuchter Mann ist, und stieg in den Privatjet ein, den ihm die Dortmunder kurzerhand nach Schwechat geschickt hatten. Uli Hoeness setzte sich derweilen mit Pep Guardiola, dem Katalanen, an einer Münchner Nobeladresse zum Essen zusammen und ließ die Katze aus dem Sack, und Pep, die Diskretion in Person und wahrscheinlich neben José Mourinho, dem Portugiesen, der bestbezahlte Fußballtrainer der Welt, nickte beifällig. „Die beste Wahl für diese bedauerliche Misere, in der ihr gerade steckt. Er holt euch den Karren aus dem Dreck.“ Die Bayern lagen zu diesem Zeitpunkt drei Punkte hinter Dortmund. Heute führen sie die Tabelle standesgemäß wieder mit 19 Punkten vor Leverkusen an. 23 von 24 Spielen gewonnen. Jupp Heynckes. Chapeau!

Zu Marcel Hirscher, der gerade in Korea im Einsatz ist, kann ich nichts sagen, denn ich schaue Schirennen schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Gründe sind nicht nennenswert, aber allesamt traurig. Ich weiß, er ist ein Tänzer, und ich schätze es doch deutlich, wenn ich von jemandem weiß, er steht auf sicheren Beinen. Das war so bei Franz Klammer und noch mehr bei der Annamirl. Weitere Kommentare erspare ich mir am heutigen Sonntag und verabschiede mich hiermit ergeben.

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  1. On courts 2

    Wir wurden gestern in der kalifornischen Wüste von Indian Wells Zeugen eines epischen Kampfes zwischen dem „Größten aller Zeiten“ und seinem argentinischen Herausforderer Juan Martin del Potro. Obwohl nur über zwei Gewinnsätze gespielt, bot das Match alle Facetten des tennisbedingten Nervenreizes. Federer wehrte im Tiebreak des zweiten Satzes einen Matchball ab, um denselben Tiebreak sodann 10:8 zu gewinnen. Im entscheidenden dritten Satz führte er bei eigenem Aufschlag bereits 5:4 und servierte auf das Match. Drei Matchbälle reichten nicht, um den Widerstand des „Turms von Tandil“, wie del Potro auch genannt wird, zu brechen. Was für Nervenstärke. Der Argentinier schlich jedes Mal aufs Neue stoisch zur Grundlinie zurück. Ich verstehe jetzt sein Rezept. Maximale Sammlung in wenigen Schritten. Absolut bewundernswert. Einzigartig. Er fiel und fiel nicht. Das Publikum war großteils gegen ihn, wohl aus Sentimentalität für Federer, und weil Federer eben in jeder Lebenslage den Gentleman abgibt, mag er gerade einen Viertagesbart, der, wie ich finde, ihm ganz und gar nicht steht, kultivieren oder nicht. Federer ist kein Wildwest-Bösewicht, mag er im Westen der Staaten spielen oder nicht. Bei del Potro fällt der Bart nicht ins Gewicht, zumal über seine privaten Verhältnisse nichts verlautet wird. Federers Gattin war anwesend, saß allerdings, ganz aus dem Ei gepellt, am Rand der Zuschauertribüne und hielt sich diesmal sichtlich zurück. Sie wird wissen, warum. Ich weiß zumindest eine Facette, warum, so wie die ganze Tenniswelt, die mit Verstand und klarem Blick dem Kampf folgte. Als Federer das Break zum 5:4 gelang, spielte er einen unfairen Ball, den ich ihm wahrhaftig nicht zugetraut hätte: Del Potro stand am Netz, Federer etwas weiter dahinter. Sie lieferten sich ein Volley-Duell. Da drosch Federer den Ball direkt auf del Potro und traf ihn am Unterschenkel. Del Potro wendete sich bereits in einer Schutzreaktion ab, als er das Projektil auf sich zufliegen sah. Federer wendet sich ohne Entschuldigung ab, del Potro richtet sich auf und blickt seinem Gegner schweigend in dessen Rücken. In dem Moment wußte ich, damit hat Federer etwas ruiniert. Vielleicht nicht in diesem Match, doch in den folgenden. Irgendwann wird die Rache kommen. Del Potro, der 1,95-Riese, kann zum Tier werden. Der Racheenergie dieses Riesen ist selbst der GOAT nicht gewachsen. Das war ein Fehler. Da ritt ein Teufel den Champ. Und das Instant Karma nahm in der Tat seinen Lauf. Dieses dramatische Spiel bei 5:4, bei dem im Publikum die Nerven blank lagen, wird in die Geschichte eingehen. Der Turm fiel nicht, nein, er schaffte das Rebreak. Bei 6:6 eilte er durch den Tiebreak, schon stand es 5:0. Federer bestrafte sich durch zwei Doppelfehler selbst. Das alles läßt mich höchst nachdenklich zurück. Die Sieggeste del Potros ihrerseits war wie schon in New York letztes Jahr, nach dem Sieg gegen Thiem, dem er den Sieg sprichwörtlich nach 0:2 vom Löffel stahl, ungustiös (statuenhaft ausgespreizte Arme und Beine, zum Himmel hinaufblickend, dann ein theatralisches Kreuzzeichen), läßt sich aber verstehen, wenn man das Ausmaß seines Leidenstals kennt, durch das er während vier Jahren und vier Handoperationen, während derer er an das Aufhören dachte, schritt. Del Potro befindet sich in fortgesetztem Traumzustand., ich kann es ihm nicht verdenken Den Sieg widmete er seinem Hund César, einem Neufundländer, der ihn vor dem Versinken in tiefer Depression bewahrt hatte. César, der Gute, war vor wenigen Wochen, wie es heißt, gegangen, heim zu seinem Auftraggeber. Sein Herrchen auf Erden konnte mittlerweile wieder alleine gehen. Latinos danken eben dem Allmächtigen, schlagen das Kreuz und küssen den Ringfinger, sobald sie ein Tor erzielen oder ein Tennismatch gewinnen. Einem kühlen Europäer würde so etwas niemals einfallen. Del Potro hat somit am gestrigen Sonntag gewonnen, kassierte nettes Trinkgeld und darf seinen Frieden schließen mit, wie es ja so schön heißt, Gott und der Welt. Federer wird sich die Niederlage zu Herzen nehmen und zusammen mit Steffan Edberg, der ihn betreut, seine Schlußfolgerungen ziehen. Ehrlich, wie er ist, hat er gestanden, ja, diese Niederlage schmerzt, stand er doch so nahe vor dem Sieg. Dieser Stachel schmerzt. Doch so ist das Leben eines Tennisprofessionals. Will er auf den Gipfel, muß er Größe in der Niederlage zeigen. Das ist nicht jedermanns Toast, doch so ist es eben im Sport. Aus Niederlagen Lernen ist das eigentliche Salz, das einen voranbringt. Wie denn anders? Salz in der Wunde läßt diese schneller sich schließen, auch wenn es brennt. Doch dazu sind wir geboren. Im Dschungel hauen die Arbeiter mit ihren Macheten Schnitte in die Rinde der Bäume, auf daß sie schneller und dicker wachsen. Diese Männer sind nicht zimperlich. Sie wissen, was sie tun. Auch König Federer, Nummer Eins der Weltrangliste und mit Abstand auch der Reichste, wird lernen. Er hat seinen Hilfs-Apparat hinter sich. Er weiß, irgendwann wird sich auch bei ihm die Waage endgültig zurückneigen, so wie bei den Williams-Schwestern. Man nimmt es in Demut an. Auch das ist Lernen.

  2. Wahrer Held

     (Mit Dank der Wikipedia entnommen)

    Arnaud Jean-Georges Beltrame (* 18. April 1973 in Étampes; † 24. März 2018 in Carcassonne) war ein Offizier in der französischen Gendarmerie nationale und stellvertretender Kommandant (Officier adjoint de commandement – OAC) der Gendarmeriegruppe im Département Aude. Er erlangte internationale Bekanntheit, nachdem er sich bei einer islamistisch motivierten Geiselnahme in Trèbes freiwillig gegen eine Geisel hatte austauschen lassen und kurz darauf vom Attentäter getötet wurde.

    Laufbahn in Militär und Gendarmerie

    Seine militärische Laufbahn begann Beltrame mit der Vorbereitungsklasse an der Militärakademie Lycée militaire de Saint-Cyr. Er verließ 1999 die Akademie als Jahresbester. Bereits dort wurde seinen Ausbildern Arnaud Beltrames Kampfgeist hervorgehoben. Seine Ausbilder beschrieben ihn als jemanden, der niemals aufgebe. Nach Abschluss seiner Ausbildung wurde er von 2002 bis 2006 in eine Escadron (Teileinheit) der gepanzerten mobilen Gendarmerie-Gruppe von VersaillesSatory versetzt. Dort befehligte er einen Zug von VBRG (Véhicule blindé à roues de la Gendarmerie – Radpanzer).

    Im Jahr 2003 wurde Beltrame in die GSIGN (Groupement de sécurité et d’intervention de la Gendarmerie nationale) aufgenommen, eine Spezialeinheit der Gendarmerie mit dem Einsatzschwerpunkt Terrorismusbekämpfung. Zwei Jahre später wurde er zum Einsatz in den Irak kommandiert. Für seine Verdienste im Auslandseinsatz wurde er 2005 mit dem Croix de la Valeur militaire ausgezeichnet und im Brigadebefehl lobend erwähnt. Am 1. August 2005 wurde er zum Capitaine befördert, nachdem er in diesem Jahr im Irak im Laufe einer Operation einen französischen Staatsangehörigen retten konnte. Von 2010 bis 2014 leitete er die Gendarmerie von Avranches.

    Im Jahr 2015 besuchte er die Europäische Schule für Wirtschaftsinformatik in Versailles (L’École européenne d’intelligence économique (EEIE)), an der er 2016 den Abschluss als Wirtschaftsinformatiker ablegte. Am 27. November 2015 wurde er zum Lieutenant-colonel befördert. Am 28. März 2018 wurde er posthum zum Colonel befördert.

    Arnaud Beltrame hatte laut der Tageszeitung La Dépêche du Midi am 14. Dezember 2017 zusammen mit der Präfektur und der lokalen Feuerwehr in Carcassonne eine Anti-Terrorübung organisiert: Dabei wurde ein Angriff auf einen Supermarkt simuliert.

    Tod

    Beim Anschlag von Carcassonne und Trèbes schoss der 26-jährige Täter Radouane Lakdim am Morgen des 23. März 2018 in Carcassonne auf die Insassen eines Autos. Er tötete den Beifahrer mittels Kopfschuss und verletzte den Fahrer. Kurze Zeit später schoss er auf eine Gruppe von Polizisten der Compagnies Républicaines de Sécurité und verletzte einen von ihnen. Anschließend fuhr er in das nahe gelegene Trèbes, überfiel einen Supermarkt der Kette Super U, verschanzte sich und nahm Geiseln. Im Supermarkt erschoss er den Fleischverkäufer und eine weitere Person. Den meisten Kunden und Angestellten des Geschäfts gelang die Flucht.

    Arnaud Beltrame bot sich als Austausch für die letzte verbliebene Geisel an. Er ließ sein Telefon mit einer bestehenden Verbindung auf einem Tisch im Supermarkt liegen. So konnten die Kräfte außerhalb des Supermarktes hören, was sich im Inneren des Gebäudes abspielte. Beltrame blieb alleine mit dem Terroristen zurück. Gegen Mittag schoss Lakdim auf seine Geisel. Daraufhin stürmten GIGN-Spezialkräfte der Gendarmerie nationale den Supermarkt. Bei der folgenden Schießerei wurde der Geiselnehmer erschossen.

    Beltrame wurde nach der Befreiung des Supermarktes mit lebensgefährlichen Stich- und Schussverletzungen in ein Krankenhaus überführt. Den Ärzten war zu diesem Zeitpunkt klar, dass Beltrame nicht überleben würde. Auf Wunsch von Beltrame und seiner Ehefrau, Marielle Vandenbunder, wurde Pater Jean-Baptiste, der das Paar im Juni kirchlich vermählen sollte, geholt. Der Geistliche gab den beiden am Sterbebett seinen kirchlichen Segen.

    Nach Autopsiebericht verstarb Beltrame am 24. März an den Folgen der Schnittverletzungen im Bereich der Kehle.

    Würdigungen

    Staatspräsident Emmanuel Macron kündigte am 24. März 2018 an, dass Lieutenant-colonel Beltrame eine nationale Ehrung erhalten soll. Innenminister Gerard Collomb sprach von Beltrames Tapferkeit und Heldentum. Die französischen Flaggen und Banner der Gendarmerie und der Nationalversammlung wurden auf Halbmast gesetzt.

    In einem Tweet vom 25. März 2018 schrieb der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump: „Frankreich ehrt einen großen Helden.“

    Am 26. März 2018 sagte Papst Franziskus, er „ehre besonders die großzügige und heroische Geste von Oberstleutnant Arnaud Beltrame, der sein Leben gegeben hat, um die Menschen zu schützen.“

    Am 28. März 2018 wurde Beltrame mit einem Staatsakt und militärischen Ehren im Hof des Hôtel des Invalides geehrt, nachdem sein Sarg zuvor im Panthéon aufgebahrt worden war. Bei der staatlichen Zeremonie waren Präsident Macron, Angehörige der Streitkräfte, Politiker und Ehrengäste anwesend. Nach seiner Rede beförderte Macron Beltrame posthum zum Colonel der Gendarmerie und zeichnete ihn mit dem Komturkreuz der Ehrenlegion aus.

    In einer Lobrede am Sarg sagte Präsident Macron:

    „Sterben zu wollen, damit unschuldige Menschen weiterleben, das ist das Herz eines Soldatenversprechens.“

    Seine Mutter sagte kurz nach dem Tod ihres Sohnes im Radiosender RTL:

    „Ich kenne Arnaud nur als so loyal, mutig, uneigennützig. Seit er ganz klein war, war er für andere da. Er hat oft gesagt: mein Vaterland, das kommt noch vor der Familie.“

    Ihr Sohn hätte nicht gewollt, dass man tatenlos bleibt. Wenn sie nun spreche, so seine Mutter, dann nur, „[…] damit seine Tat dazu führt, dass wir etwas menschlicher, etwas toleranter werden. Für eine bessere Welt […].“

    Privatleben

    Beltrame interessierte sich für die Geschichte Frankreichs und die christlichen Wurzeln der französischen Kultur.

    Seit August 2016 war Beltrame standesamtlich mit einer Tierärztin verheiratet. Das Paar war kinderlos. Ab dem Alter von 33 Jahren praktizierte er den katholischen Glauben und empfing 2008 seine Kommunion und Firmung.

    Arnaud Beltrame war seit 2008 Freimaurer. Seine Loge Jérôme Bonaparte, die unter der Jurisdiktion der Großloge Grande Loge de France konstituiert ist, hat ihren Sitz in Rueil-MalmaisonNanterre. Der Großmeister Philipp Charuel bezeichnete in seiner Pressemitteilung Beltrame als Helden.

     

    Arnaud Beltrame während einer Militärzeremonie in Aude (2018)

  3. On courts 3

    John McEnroe, BBC-Kommentator in Wimbledon, einen Tag vor dem Viertelfinale der Herren: „Wir haben uns wie selbstverständlich bereits an die Idee gewöhnt, oder sind nahe daran, zu meinen, der unbesiegbare Altmeister, Roger Federer, wird morgen wieder auf den Platz treten, dort wie auf Geisterfüßen herumschweben und mit seiner magischen Hand alle Unannehmlichkeiten ausräumen. Doch da drüben wartet einer von drei Herren, die einem den Tag miserabel gestalten können. Da drüben steht der 6 Fuß 8 Zoll hohe Kevin Andersson oder, noch schlimmer, der 6 Fuß 10 Zoll hohe John Isner, die einem die Bälle wie Geschosse herüberschicken können. Geschosse, die dir das Racket aus der Hand blasen können. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber in Gestalt von einem der drei (McEnroe erwähnt den „Turm von Tandil“ Juan Martin del Potro, Sieger über Federer heuer im Frühjahr bereits in Indian Wells, nicht mit Namen) lauert größerer Schaden am Horizont.“

    Das New Yorker Orakel hat recht. Einen Tag später: Federer führt gegen Andersson bereits mit 2:0 Sätzen und hat bei 5:4 und eigenem Aufschlag Matchball. Er vergibt ihn. Der Südafrikaner gewinnt den dritten Satz mit 7:5, den vierten mit 6:4 und schlußendlich den entscheidenden fünften mit 13:11, als sich Federer bei eigenem Aufschlag von der plötzlich unmotiviert aufjubelnden Menge und einem über Court Nummer Eins hinwegfliegenden Flugzeug bei zwei Schlagvorbereitungen gestört fühlt und prompt das entscheidende Break hinnehmen muß. Höhere Gewalt, wie nicht anders zu erwarten. Gott greift eben auch hin und wieder ein, erst recht bei diesem Herren aus der Schweiz, der irgendwo in 50 Kilometer Höhe über den Wolken residiert. Andersson seinerseits liefert sich am übernächsten Tag mit John Isner das zweitlängste Duell in der Geschichte der Grand Slams und bezwingt den amerikanischen Titanen (der dafür gestern Atlanta gewann) im fünften Satz, der alleine über zwei Stunden dauert, mit 26:24. Dieser geschichtsträchtige und denkwürdige Satz reicht ansonsten bereits alleine für vier Sätze. Das Match selbst dauert über sieben Stunden. Der programmierte eigentliche Hammer zwischen Djokovich und Nadal muß wegen hereinbrechender Dunkelheit auf den nächsten Tag verschoben werden. Djokovich besiegt Evergreen Nadal, dem ich die längste Zeit unrecht getan habe, weil ich insgeheim meinte, der Spanier würde dopen, in einem weiteren Fünfsatzer, und gewinnt schlußendlich im Finale in souveräner Art in drei Sätzen gegen den Südafrikaner. Charismatische Dankesgesten an das britische und internationale Publikum. Überaus schätzenswert. Gutes Karma, Herr Djokovich!

    Bei den Damen derweilen souveräne Vorstellung von Angelique Kerber, die polnische Vorfahren hat, gegen die ewig gefährliche und unkalkulierbare, trotz ihrer jüngsten Mutterschaft sphinxhafte Serena Williams. Das Damenturnier war ein tägliches Favoritensterben ungesehenen Ausmaßes. Nach der ersten Woche war nur noch eine Top-10-Gesetzte im Feld, Karolina Pliskova. Die weiblichen Superstars implodierten aus rätselhaften Gründen, doch vielleicht war alles nur eine Folge dieses unerträglichen, unbekannten Föhns, der London wie von Geisterhand mit Macht niederdrückte. In Flushing Meadows im September steht dann mit dem vierten und letzten Grand Slam-Turnier des Jahres der große Showdown an, drei Wochen der Spannung sind garantiert.

    Und, um es nicht zu vergessen, auch wenn es einen eklatanten Themenwechsel darstellt, an dieser Stelle „Chapeau!“ für Robert de Niro, mehr brauche ich nicht zu sagen. Dieser unerträgliche Kranke im Oval Office kann uns im Handumdrehen in den Orkus führen. Ich werde es so wie Wim Wenders praktizieren, und diesen ungustiösen Typen nicht mehr beim Namen nennen.

    Zurück zu Federer: Es ist ja klar, das ist ein Mann von Kultur, ein Emblem des vordersten Ranges, noch vor Lionel. Er hat vor wenigen Tagen 15 Millionen Euro für ein Schulprojekt in Afrika gespendet. Ein Zweizeiler in der Gazette.

    Den Franzosen gratuliere ich, sie haben es verdient. Den Kroaten, den Schweizern und den Isländern auch. Deutschland liegt derweilen darnieder und wird nicht so schnell wieder auferstehen. Hier schwelt massiver Krieg. O weh o weh! Der Größenwahnsinnige in Ankara, der sich über seine nett über ganz Europa verteilten Agenten freut, zündelt nach Kräften vorsätzlich. Und der amerikanische Golfblödel hat sich nach seinem Treffen mit dem nordkoreanischen Serienmörder noch immer nicht die Hand gewaschen.

    True Love, das sind alle Mütter, die ihre Kinder alleine groß ziehen, und alle Witwer, die ihre Gattin früh verloren. Schönen Urlaub allerseits! True Love, das ist jede Sekunde, in der ich die Kinder höre und vor meinem geistigen Auge sehe, so wie alle Verstorbenen, wie sie mich anlächeln. Oh mein Gott.

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