Als ich im Jänner 1996 nach Lourdes fahren durfte (die Muttergottes erschien an diesem Ort in Frankreich 1858), war ich in einem ziemlich schlechten Zustand: Körperlich fühlte ich mich schwach und ohne Abwehrkräfte und spirituell war ich in einer Sackgasse. Es war erstaunlich, denn damals hatte ich mein Leben schon Jesus in der charismatischen Erneuerung übergeben, hatte Erfahrung in der Leitung von Gebetsgruppen, betete mit viel Glauben für Heilung und Befreiung und war in der Nachfolge Jesu, indem ich in die Gemeinschaft der Seligpreisungen eintrat. Ich war der festen Überzeugung, daß Jesus genügt. Doch eines fehlte meiner "Schatzkiste": Die Muttergottes. Ich verehrte sie zwar als Mutter Jesu, zweifelte nicht an ihrer Würde und Heiligkeit und gab ihr auch einen Platz hoch oben auf einem Podest als die Allerheiligste und Königin des Himmels. Doch lebendig begegnet war sie mir nicht, und ich wollte auch nicht, daß sie mir als Mutter zu nahe kam, denn ich wollte keine Mama, die mir in meine Pläne dreinredet und mir meine Freiheit raubt! So kam es, daß dieser Mangel mich nach Lourdes führte.
Als ich spätabends im Heiligen Bezirk ankam, es war ein regnerischer Jännerabend, spürte ich sofort eine sanfte, diskrete Zärtlichkeit, die mich umgab, und ich ging gleich zur Grotte. Doch zu meinem Erstaunen war keine Statue oben, und auf einmal wurde mir bewußt, was meinem Leben fehlte: Die mütterliche Gegenwart Marias. Diese leere Grotte war ein Sinnbild meines Herzens, das Maria keinen Platz gab, und in diesem Augenblick wurde ein Schrei in mir geboren: "Mama, bitte komm‘ in mein Leben!" Und um meiner Bitte Nachdruck zu verleihen, versprach ich ihr: "Du, ich komme morgen noch einmal. Dann mußt Du etwas tun! So kannst Du mich nicht nach Hause fahren lassen!"
Der nächste Morgen war erfüllt von Sonnenlicht und Freundlichkeit, und beim Informationszentrum empfing man mich ganz strahlend mit den Worten: "Sie kommt!" Was sollte das wohl bedeuten? Und da geschah wohl eines der tiefsten und berührendsten Ereignisse meines Lebens: Sie brachten die Marienstatue auf einem Kranwagen liegend! Ich verstand sofort: Sie kam zu mir persönlich, als Mutter, die den Schrei ihres Kindes gehört hat und die jede Distanz überwindet, um ihr Kind in den Arm nehmen zu können. Trotz der Menge, die sich versammelt hatte, trotz Kameraleuten und Journalisten, schmiegte ich mich an die Muttergottes und weinte mir meine Seele frei. Ich sagte zu ihr: "Ab heute bist Du meine Mutter, und ich bin dein Kind!"
Der nächste Schritt auf dem Weg der geistigen Kindschaft waren die Bäder. Vorher nahm ich eine Tauferneuerung vor und bekannte zu Maria: "Ich erneuere heute meine Taufe, aber ich möchte in Dir neugeboren werden!" Ich glaube, daß ich damals so etwa wie ein ein zweites Geburtserlebnis hatte, und es waren die liebevollen Arme der Helferinnen, die mich aus dem Wasser hoben und mich in Tücher wickelten. Noch immer ist der Eindruck dieses Erlebnisses eingeschrieben in meine Seele.
Der dritte Schritt war die Rosenkranzbasilika, wo ich alle Rosenkranzgeheimnisse durchbetete. Als ich aber zum Pfingstgeheimnis kam, stand ich wie unter der Dusche des Heiligen Geistes, und ich erkannte mit einem Mal den Platz Marias in der Kirche. Eine tiefe Gewißheit überkam mich, daß die Kirche auf ein neues Pfingsten der Liebe zuging, und dies in dem Maße geschehen werde, wie die Kirche und jeder Einzelne Maria ins Innerste seines Herzens aufnimmt.
Noch heute, zwölf Jahre später, erlebe ich eine tiefe Ergriffenheit, wenn ich zu diesem Tag zurückblicke, der mein Leben zutiefst geprägt hat.
Die Muttergottes hat ihre Mutterschaft ernst genommen und mich nach Medjugorje geführt, ein kleines Dorf im Süden des ehemaligen Jugoslawien, wo es seit 27 Jahren täglich Marienerscheinungen gibt, und wo ich nun schon seit fast sieben Jahren in ihrem Dienst stehe und zu den Pilgern über ihre Botschaften sprechen darf. Wenn ich dann die Zeugnisse der Pilger am Ende ihrer Wallfahrt höre, kann ich nur voller Staunen sagen: "Ja, es ist wahr! Das unbefleckte Herz Mariens wird in dieser Welt voller Sünde triumphieren! Selig, deren Augen sehen, was wir jetzt schon seit 27 Jahren sehen, und selig, deren Ohren hören, was wir seit 27 Jahren hören dürfen!"
Sr.Teresia Benedicta vom Kreuz
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Autofahrt zum Nordpol
Schwester Teresia Benedicta ist mir eine Referenzperson. Als solcher möchte ich heute bei ihr Rast machen, um einige Höflichkeiten an sie und zu ihr anzubringen.
Die gute Frau lebt seit nun gut 25 Jahren im Kloster. Sie ist also eine Gottes-, eine Christus- und eine Menschendienerin. Das zeichnet sie zuvorderst aus. Sie lebt ein beschauliches Leben des Gebets, ohne materiellen Anspruch. Solche Menschen nehmen in meinem Weltbild schon immer eine hervorragende Stellung ein. Menschen, die dem Mammon nicht nachrennen. Nichts ist mir verhaßter als das. Dieses Laufen, erst recht in Manhatten, der Welthauptstadt des Kapitalismus, wo alle Leute hasten. "Time is money!" Ein Ausspruch des Teufels. Er hat mehrere Sager auf Lager. Alle situationsangepaßt.
Teresia Benedicta ist sauber. Ihr Gesprächsgegenüber ist zu allererst Christus. Mit ihm redet sie über alles. Ich bekam eine Ahnung, wie Christus ausgesehen haben könnte, als Benedicta mir löblicherweise den Hinweis auf den Schleier von Manoppello zuschubste. Das brachte gewisse Dinge ins Rollen. Das war auch bei Benedikt XVI. so. Er fühlte sich von dieser Reliquie, die von den Kapuzinern (Pater Pio war auch Kapuziner) seit dem 17.Jahrhundert in ihrer Kirche "Santuario del Volto Santo" aufbewahrt und ausgestellt wird, geradezu magnetisch angezogen.
"Papst Benedikt XVI. pilgerte als erster Papst am 1. September 2006 auf einer privaten Wallfahrt nach Manoppello, um nach dem Empfang durch Erzbischof Bruno Forte von Chieti-Vasto vor dem Volto Santo zu beten und es aus der Nähe zu betrachten. Abgesehen von der Gewährung eines vollkommenen Ablasses von zeitlichen Sündenstrafen für alle Manoppellopilger durch Papst Clemens XI. im Jahr 1718 wurde das Tüchlein bislang von Rom kaum beachtet, und auch Benedikt XVI. wurde erst durch einen Zeitungsbericht in der Welt vom 23. September 2004 darauf aufmerksam. Papst Benedikt äußerte sich nicht zur Debatte um die Herkunft des Bildes. Er sagte, dies sei ein „Ort, an dem wir über das Geheimnis der göttlichen Liebe nachdenken können, indem wir die Ikone des Heiligen Antlitzes betrachten“ und er dankte „der Gemeinschaft der Kapuzinerpatres, die seit Jahrhunderten Sorge trägt für dieses Heiligtum“.[4] Im Anschluss traf er in der Sakristei der Kirche mit der Wiederbekanntmacherin des Tuchs, Sr. Blandina Paschalis Schlömer OCSO, dem Kunsthistoriker Heinrich Pfeiffer S.J., dem Theologen und Psychologen Andreas Resch CSsR und den Journalisten Paul Badde und Saverio Gaeta zusammen, nach deren Meinungen der Schleier von Manoppello mit dem Schweißtuch der Veronika identisch sei. Benedikt XVI. hat indessen durch die Verwendung des Begriffes Ikone kirchenrechtlich die Bezeichnung des Schleiers als Reliquie vermieden. Eine Ikone ist grundsätzlich ein von Menschen gemaltes Bild.
Per Dekret vom 22. September 2006 verlieh Benedikt XVI. „zur Ehre des Heiligen Antlitzes Unseres Herrn Jesus Christus“ der Kirche den Titel einer Basilica minor. Diese Erhebung wurde laut Dekret gewährt, um „die Verbindung und Verehrung der Kathedra von Sankt Peter mit dieser wichtigen Kirche zu intensivieren“ und um sie als Zentrum besonderer liturgischer und pastoraler Tätigkeiten zu bestätigen. Im Anschluss an den päpstlichen Besuch wurde der Reliquienschrein von Therese von Lisieux, deren Ordensname die Beifügung „vom Heiligen Antlitz“ trägt, vom 2. bis 4. November 2006 vor dem Volto Santo aufgestellt." (Zitat Wikipedia)
Der Schleier ist schlichtweg magisch. Seine Entstehung wie das Motiv – das Gesicht Jesu – geben schwere Rätsel auf. Der Schleier wirkt beinahe verstörend. Benedikt versank in tiefem Gebet. Seine weiterführenden Aussagen zum Schleier sind mir im Detail nicht bekannt.
Einer der Gründe, warum wir mit dem Heiland ein dermaßen bestürzendes Problem haben, ist dem Umstand, nichts von seinem Aussehen zu wissen, zuzuschreiben. Sein Aussehen wird ausnahmslos durch amerikanische Kassenschlager grotesk verzerrt, und das selbst noch dort, wo ein Charakterkopf wie Max von Sydow den Nazarener "mimt". Die Frage "Wie mag der Sohn Gottes auf Erden als 30-Jähriger ausgesehen haben?" führt notgedrungen in einen pietistischen Irrtum. Und dennoch: Jeden berührt diese Frage. Jeden zumindest, der glaubt.
Benedicta glaubt. Das macht das Gespräch mit ihr jedes Mal außerordentlich erholsam und erquickend. In ihrer lerchenhaften Stimme schwingt die meiste Zeit so etwas wie Frohlocken mit. Sie dankt dem Herrn für die Gnade des Lebens und des Glauben-Könnens.
Ich fuhr einmal mit ihr nach Stift Heiligenkreuz. Das war im Frühjahr und, im Nachhinein besehen, eher eine waghalsige Idee, denn die Zisterzienser gehören auch zu jener Sorte, die vom Abhärten des Körpers (manche nennen es sogar "Abtöten"; ein schauderhafter Ausdruck) etwas halten. Körperabhärtung durch Kälte. Ein waghalsiges Konzept, das durchaus auch mal im Kollaps enden kann. Stift Heiligenkreuz liegt also in einem Kälteloch, ähnlich wie Lunz am See. Das Loch fungiert geradezu wie ein Trichter. Die Kälte kommt von allen Hügeln ringsherum herabgeflossen. Wir saßen also dann drinnen in der Stiftskirche, der Erzbischof von Salzburg, Kothgasser, war auch erschienen, und ich Fremdling bibberte wie Espenlaub. Nie vermißte ich qualvoller Pudelmütze und Fäustlinge. Gut, das sind Nebensächlichkeiten. Wie auch immer, es ging um die Missionsaussendung der Schwester Teresia, die neben 30 anderen "Aktivisten" ihr Dekret empfing. Wenn ich bedenke, wo sie sich bereits überall herumgetrieben hat (Gazastreifen: Checkpoint Charlie; Medjugorje; Warstein; Üdem (Belgien) und in der Wachau), dann war das Zertifikat "Aussendung zur Mission" ziemlich verspätet, aber auch das sind kirchentypische Zeitparadoxa, die Teresia Benedicta nicht anfechten.
Ich erzähle das alles, weil mir die Autofahrt wegen eines Ausspruches von ihr so prägnant in Erinnerung geblieben ist. Eines Ausspruches, der mir in letzter Zeit viel zu denken gibt und um dessen Bewahrheitung ich doch tatsächlich, wie mir scheint, akribisch und pedantisch kämpfe. Schwester Teresia chauffierte. Das tat sie mit Links. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Gespräch. Sie fuhr traumwandlerisch, und es war mein BMW. Sie wollte mal dieses noble Gefährt "testen". Nun gut. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie das Gespräch in Gang kam. Auf jeden Fall, es war ein Abgrasen und Abweiden. Dieses und jenes. Ich brachte über die Hintertür den Dalai Lama ins Spiel und seine Art des Schmunzelns. Doch sie blieb prinzipientreu. Sie erteilte dem Buddhismus eine Abfuhr. "Wie kann das Glaube sein?", ertönte es vom Volant nach hinten. "Woran glaubt dieser Mann? Ich hingegen preise mich glücklich, meinen Glauben gefunden zu haben, einen Glauben mit Angesicht. Der Vater wie der Sohn haben ein Gesicht. Der Sohn sowieso, doch wie könnte der Sohn einen Vater ohne Gesicht haben, wo er doch, wie es heißt, ihm wesengleich ist, seit Anbeginn der Zeit und noch davor? Gott hat ein Gesicht. Glaub mir, Bruli."
Das war ein nettes Bekenntnis. Ich mag Menschen mit religiösen Überzeugungen. Das kann ich wohl sagen. Ich mag Menschen, die an Gott glauben, an einen persönlichen Gott. Menschen, die friedliebend sind. Die sind mir allezeit ein Vorbild, sogar die evangelischen Eiferer, die härteren wie die weicheren. Diese Menschen, die um ihren Glauben gekämpft haben. Menschen, die ihre Zeit nicht verplempern, sondern die, wie es sich ergibt, in der Bibel oder in heiligen Schriften lesen. Jene somit, die sich um das "Wort Gottes" kümmern. Jene, die sich fragen, "Was ist das, das Wort Gottes?"
Teresia Benedicta vom Kreuz: Eine Spezialausgabe von einer Frau. Einmal erzählte ich ihr von einer Begebenheit in Berlin. "Weißt Du, mein Herz, daß sie in Berlin das Kreuz nicht mögen? Sie halten es für negativ!" "Wem sagst Du das, Bruli! Das Kreuz war und bleibt ein Stein des Anstosses. Deswegen sagte ja der Herr: "Wer mich liebt, der nehme an mir nicht Anstoß." Das Kreuz ist das Sinnbild schlechthin des göttlichen Mysteriums. Wie konnte der menschgewordene Sohn Gottes sterben? Wenn sogar Jesus starb, wo bleibt dann für uns Hoffnung? Aber ich kann Dich beruhigen, Bruli: Gott Vater sitzt am längeren Ast. Er erweckte seinen Sohn von den Toten. Und so wird es auch sein Sohn mit uns machen, am Ende der Zeit, wenn er wiederkommt."
Das Polarlicht, wie es herumwabbert und herumwandert. Da treibt jemand kein Unwesen und keinen Spaß. Bei all der Kälte, wer hätte dazu den Nerv?
Bei der Autofahrt zurück, unter warmem Sonnenlicht, bereits auf der Autobahn, nun ich am Volant, schliefen alle ein. Friedlich.
Jerusalem in den Himmeln
Unser Engel leitet uns. Er möchte es, sofern wir es zulassen. Er sagt mir: „Hallo, hier habe ich jemanden, den Du JETZT anrufen sollst.“ Ja, und es geht. Ich weiß nicht, warum, aber die ehrwürdige Schwester anzurufen, das, wie es mir andere Frauen ins Ohr flüstern, „fühlt sich in diesem Moment ganz und gar stimmig an.“ Also rufe ich an. Sie hebt ab, ist gar nicht groß erstaunt, ja irgendwie sogar ganz cool. Der Anruf erwischt sie in Jerusalem, im Ambassador. Es muß dort um 17 oder 18 Uhr sein, aber das realisiere ich zunächst gar nicht groß. Erst als sie vom heutigen umfangreichen Besichtigungsprogramm zu erzählen beginnt, klinke ich mich nach und nach in die diese Parallelwelt ein. Ja, tatsächlich, die ehrwürdige Schwester ist mit Franziskanischen Brüdern aus Wien in Jerusalem. Mir bleibt der Mund vor Staunen beinahe offen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Sie war sogar bereits auf der Via Dolorosa, bei der Grabeskirche, in Bethlehem und in Bethanien, am Grab des Lazarus. Das ist ja alles nicht zu fassen.
Irgend eine Erkenntnis übermannte mich und ließ mich aus dem Bett aufspringen. Sie muß doch gerade zuhause sein! Hat sie nicht im Mai etwas von einem Bibelseminar in Lienz gemunkelt? Eigentlich möchte ich ihr einmal eine Danksagung schreiben, an dieser Stelle, doch eine Stimme sagt schon wieder klipp und klar: „Ruf sie an!“ Das kenne ich bereits von Wucherer-Huldenfeld. Es ist eine himmlische Stimme. Nicht die eines Menschen. Die Stimme ist hold und irgendwie heilig, zumindest untadelig und unantastbar. Da spielt also irgend jemand, der es gut mit uns meint, mit. Dieser Jemand übernimmt die Initiative.
Benedicta hat ein bewegtes Leben hinter sich. Palästina kennt sie ja bereits von ihrem Haus im Gaza-Streifen, direkt am Checkpoint Charlie. Das war eher wild. Dafür konnte sie sich geraume Zeit in Medjugorje ausspannen. Den Muttergotteserscheinungen beizuwohnen war für sie ein Klacks. Sie hat mir einige Anekdoten erzählt, die dem Faß schon den Boden ausschlagen. Es hätte mich nie gewundert, wenn sie direkt in den Bosnienkrieg mit hineingezogen worden wäre. Benedicta kennt das Sirren von heißen Bohnen in der Luft. Das ist ja alles unmenschlich, auch wenn es von Menschen, zu Teufeln gewordenen Menschen, vorgetragen wird. Was hat sie doch in den 40 Jahren ihres Erwachsenenlebens für Häme, Neid und sogar Haß hinnehmen müssen. Wahrlich harte Brocken. Doch offenkundig muß das irgendwie so mit Menschen sein, die ihr Leben zu heiligen versuchen. Sie wecken die Mißgunst der Vipern. Sie wecken Haß. Sehr dunkel, sehr tief.
Ich jedenfalls finde im Angesicht solcher Frauen, die die Tracht tragen, Trost, Ruhe und innere Zusprache. Nun, es bedarf nicht immer der Tracht. Es genügt der tiefe Glaube, der solchen Frauen ins Gesicht eingeschrieben ist. Ein gewisser Glanz, der von innen leuchtet. Heute in der Früh tauchten die entsprechenden Begriffe auf, und ich danke dem heiligen Geist, daß er mich noch nicht den Verstand verlieren hat lassen. Frömmigkeit. Das ist der erste Begriff, der mich aufatmen läßt. Innigkeit der zweite. Herzlichkeit der dritte. Anmut der vierte. Und über allem die Krone: Liebevoll.
Ach, wie sehr sehne ich mich nach liebevollen Menschen. Das ist eine Sache, die mir wirklich unter die Haut geht. Gerade bei Frauen. Ich halte unwillkürlich immer sofort Ausschau nach Anzeichen für diesen verborgenen Geistes- und Charakterschatz und gesteh‘s mir hochmütigerweise selbst gar nicht ein. Doch irgendwann schlägt jedem die Stunde der Wahrheit, eine innere Glocke, ziemlich mächtig, die mich, wenn schon nicht erschüttert, so doch zuruft: „S‘wird Zeit! Hör auf mit dem Schmarren!“ Diese Stimme hat mich jetzt, im Alter, mit den Frauen, von denen ich doch irgendwie, und alles insgeheim, meinte, sie wären alle im Kern hartherzig, versöhnen lassen. Heute hellt sich meine Düsterkeit auf, ja, massiv hellt es sich auf, dieses verhärtete Gemüt, und ich schließe Frieden mit meinem eigenen Schluchzen. Es gibt genug Frauen, die es gut mit uns meinten in unserem Leben. Frauen, die dermaßen demütig waren, daß sie uns, den Verdrossenen und Verwirrten, nicht nahetreten wollten. Frauen, die nur allzu gut wußten, was Selbstverleugnung und hintangehaltene Tränen auf sich haben. Die das Gesetz des Widerstands in sich selbst erkannt hatten.
Theresia Benedicta ist also eine geisterfüllte Seele, eine „gute Haut“, wie wir im Mostviertel sagen, und weit gereist. Daß man sie in Norddeutschland im Zug anstarrt wie eine Außerirdische, nur weil sie den Habit trägt, das amüsiert sie vielleicht, macht sie aber auch leicht traurig. Angst um ihr Leben hat sie mit keiner Faser. Noch ein Riesenunterschied zu mir. Vielleicht. Sie liest während der Reise in ihrer Handbibel und im Brevier. Das sind die Sammlungen der Tagesgebete für die katholischen Geistlichen. Gebete für bestimmte Stunden. Langsam komme ich auf diese Tradition wieder zurück.
Sie nimmt die Geschehen der Zeit mit einer Souveränität sondergleichen zur Kenntnis. Es bezeugt sich hier ein immenses Gottvertrauen. Das ist die Frucht des regelmäßigen Gebetes. Das eben ist es, was ich mit „fromm“ meine. Diese ihre Frömmigkeit bewundere ich. Glaubhafte Frömmigkeit, mit der sie Frieden und Demut gefunden hat. Die Demut hat sie sich härter erkämpft wie alles Andere. Das war in meinen Augen eine Titanenleistung. Demut, Seelenfrieden und Glauben zu erlangen entgegen allen Stürmen, die ihr kalt und geradezu gehässig voll ins Gesicht bliesen. Bewundernswert! Das macht auch das Gespräch mit ihr so bekömmlich. Fröhliche Spontaneität. Freude am Geschenk des Lebens. Das Frühstücksbuffet im Ambassador. Der überteuerte Kaffee um 4,- Euro im Österreich-Hospiz, das auf K&K-Dekadenz macht. (Vier Euro für einen großen Braunen sind für eine Nonne viel Geld). Sie nimmt es, wie es kommt. Mit Dankbarkeit. Doch jetzt, bis zum Zehnten, wandelt sie auf den Spuren des Herrn, im August, im heißen Sommer, in Tracht und nicht, wie die Franziskaner, in der Kurzen, zivil. In Israel.
Mensch, hermana, das soll alles unvergeßlich bleiben! Gott mit Dir! Shalom!