Zuerst war das Feuer, dann die Erde, dann Luft und dann … Wasser. Nach Aeonen, als die Erde sich langsam abgekuehlt hatte, stieg Gas empor und wurde vom kalten Atem der Boa Borealis abgekuehlt. Es kondensierte und fiel als saurer Regen, Schwefelsaeure, auf die Erde. Die alchemistische Giftmischung als Wiege des Planeten Erde. Es regnete, und regnete tausend Jahre, tausend mal tausend Jahre, es hat bis zum heutigen Tag nicht aufgehoert zu regnen. Widder, Stier, Zwilling, Krebs. Das Wasser kam zuletzt, doch es blieb und reinigte das Leben auf Erden immerfort, bis es schlussendlich kristallklar wurde. Immerwaehrende Reinigung. „Selbst der Mapacho reinigt uns von den giftigen Zigaretten, die wir unser Leben lang geraucht haben. Wie erst reinigt uns das Wasser?“ (Agustin Rivas). Wir verstorbene Seelen, der Erde, unserer Mutter, gehoerend, schweben empor zu den Wolken, wo wir uns reinigen und als Regen, als Gereinigte, zurueckfallen auf die Erde, wo wir zum Leben und zur Schoenheit beitragen. Ein ewiger Kreislauf, in den wir unser Leben eines Tages aushauchen. Die Sonne pendelt zwischen Steinbock und Krebs, Krebs am 21.Juni, Krebs, der nicht die USA und nicht Europa beruehrt. Den Indischen Subkontinent, ja, und die Arabische Halbinsel. Aber eben nicht die Orte, wo der Krebs zuhause ist. Der Krebs – eine Randmarke. Eine Grenze, die sich einbrennt ins Fleisch, in das muede gewordene. Eine Form der Resignation nach all den unausgesprochenen Worten, den ungeschriebenen Buechern, den Lebensbuchern, die wir in unserem Herzen aufbewahren, wie unsere Kinder, die mit Freude und Verwunderung ins Leben hineinblicken, denen alles Wunder und Euphorie ist, wie das Glitzern des naechtlichen Sterns in den Tropen, den traurigen Tropen, ja, man darf es sagen. Der Krebs, der aus dem Wasser kommt, sagt mir, ich bin dein Wille, dein unantastbarer Wille, und die Aerzte legen resigniert ihre Skalpelle beiseite, schalten die Ionisationsapparate ab, stecken die Giftinfusionen ab. Das taegliche Fiasko der High-Tech-Medizin, vorgetragen von Maennern in Weiss, drapiert mit gruenen Gesichtsmasken. Sie schieben den Fall ab, nachdem sie ihn fakturiert haben. Keine Behandlung ohne Fakturierung.

Sie leben in einer Umgebung, in einem System, in dem sie den Tod ausblenden. Und erst recht den eigenen Tod. Ja, auch Aerzte muessen sterben, die „Goetter in Weiss“, sie, die Proponenten des uns erhaltenen Lebenszwecks, naemlich der „Lebensverlaengerung“. Waere nicht der Krebs davor.

Ein Mann, Juengling, zog in den Krieg, ein Landser der Deutschen Armee. Er zog nach Osten und erlebte die Panzerschlachten. Er erlebte, wie aus den Weiten des Ostens Siberiaken kamen, in kleinen, wendigen Jagdpanzern. Die Landser hatten sich verschanzt in ihren Loechern. Die Siberiaken jagten auf sie zu, riskierten die Panzerabwehrfaust, doch kamen sie durch, machten sie ueber dem Loch des Landsers halt und begannen zu kreiseln.

Eines Tages hatte der junge Gefreite genug. Das Gefecht verebbte, er ging auf einen Huegel hinauf. Es war Fruehling, der Wind strich mit sanftem Rascheln ueber das Steppengras. Die Eschen, Linden und Weiden in frischer, sonnenberstender Luft entliessen zeitlos ihre Flugsamen. Der Juengling laesst sein Gewehr auf den Boden gleiten und sich selbst fallen, im Fallen faellt aus dem Nichts ein Schuss, zertruemmert sein Knie. Der Juengling, bei Bewusstsein, weiss, jetzt zu schreien waere sein Tod. Er beisst in den Kolben seines Gewehres, wird bewusstlos, findet sich wieder in einem Lazarett, und Wochen spaeter zuhause. Er ueberlebt.

Der Juengling, zum Mann gereift, traegt seine Verwundung ein Leben lang, der Schmerz wird sein Begleiter, besonders bei feuchtem Wetter. In der Anstalt, in der er spaeter lehrt, wird er der von allen Gefuerchtete. Sein ungezuegelter Zorn zerbricht allen Konsens. Er wuetet unter den Kindern. Der Lehrkoerper meidet ihn, denn seine Stimme laesst die Fensterscheiben im gesamten Gebaeude zittern. Die Kinder naessen ein.

Dann geht er in Pension, und die Faust in seinem Nacken laesst ab von ihm. Sein Gesicht beginnt zu strahlen, leuchtet im Triumph auf, als er sich der Klippe naehert, sein Herz geht ihm auf, ein fuer alle Mal. Er sieht die Nacht und lacht, denn endlich kommt er heim. Sein Name: Theodor Preu.

„Wir steigen hinauf zu den Wolken, solange, wie unser Koerper im Gestank verwest. Dann der Moment, wo die Reste unseres Leichnams der Natur gleich werden, ohne Ekel. Unsere Seele hat sich gereinigt und kehrt wieder, auf die Erde, um Wasser und Leben zu bringen. Ich rede von der Seele, nicht vom Geist. Denn der Geist gehoert jemand anderem. Niemand vermag zu sagen, welche Reise der Geist nimmt.“ (Agustin Rivas)

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