Wunschgebete fuer die Befreiung aus dem gefaehrlichen Engpass des Zwischenzustandes:

Der Held, der von Furcht befreit

Vom Ersten Panchen Lama,

Lobsang Choekyi Gyaltsen (1567-1662).

Zitiert aus: Dalai Lama, Der Weg zum sinnvollen Leben, Freiburg/Breisgau 2003

„Ich verbeuge mich vor dem Lehrer Manjushri.“

Erste Strophe:

„Bis wir die hoechste Erleuchtung erreicht haben, nehmen ich und alle Lebewesen

Im grenzenlosen Raum, ohne Ausnahme, unsere Zuflucht

Zu den vergangenen, gegenwaertigen und zukuenftigen Buddhas, zu der Lehre und zu der Spirituellen Gemeinschaft.

Moegen wir von den Schrecken dieses Lebens, des Zwischenzustandes und des naechsten Lebens befreit werden.“

Zweite Strophe:

„Moegen wir die bedeutungsvolle Essenz aus dieser Lebensgrundlage gewinnen,

Ohne von den sinnlosen Angelegenheiten dieses Lebens abgelenkt zu werden,

Denn dieses gute Fundament, das schwer zu erlangen ist und das sich leicht wieder aufloest,

Stellt eine Wahlmoeglichkeit dar zwischen Gewinn und Verlust, zwischen Wohlergehen und Elend.“

Dritte Strophe:

„Moegen wir klar erkennen, dass es keine Zeit zu verschwenden gibt,

Da der Tod gewiss, der Todeszeitpunkt jedoch ungewiss ist.

Was sich versammelt hat, wird auseinandergehen, was angesammelt wurde, wird restlos aufgebraucht werden.

Am Ende des Aufstiegs kommt der Fall, das Ende jeden Aufstiegs ist der Tod.“

Vierte Strophe:

„Moegen wir befreit werden von dem ueberwaeltigenden Leiden, das durch die verschiedenen Todesursachen hervorgerufen wird,

Wenn in dieser Stadt der irrigen Konzepte von Subjekt und Objekt

Der illusorische Koerper, der aus den vier unreinen Elementen zusammengesetzt ist,

Und das Bewusstsein dabei sind, sich zu trennen.“

Fuenfte Strophe:

„Moegen wir befreit werden von den fehlerhaften Erscheinungen des Unheilsamen,

Wenn wir zum Zeitpunkt der Not von diesem Koerper, den wir so liebevoll gepflegt und mit grossem Aufwand erhalten haben, enttaeuscht werden und

Die furchterregenden Feinde – die Herren des Todes – erscheinen

Und wir uns selber mit den Waffen der drei Geistesgifte der Begierde, des Hasses und der Unwissenheit toeten werden.“

Sechste Strophe:

„Moegen wir uns dann an die Anweisungen fuer die Uebung erinnern,

Wenn uns die Aerzte im Stich lassen, Riten nutzlos sind,

Freunde die Hoffnung fuer unser Leben aufgegeben haben

Und wir nichts anderes mehr tun koennen.“

Siebte Strophe:

„Moegen wir voller freudig-offenem Vertrauen sein,

Wenn Nahrung und der mit Geiz aufgehaeufte Besitz zurueckgelassen werden,

wir uns fuer immer von unseren geliebten und ersehnten Freunden trennen

Und wir uns alleine in eine gefaehrliche Situation begeben.“

Achte Strophe:

„Moegen wir einen starken heilsamen Geist entwickeln,

Wenn sich die Elemente – Erde, Wasser, Feuer und Luft – stufenweise aufloesen

Und koerperliche Kraft verloren geht, der Mund und die Nase austrocknen und sich zusammenziehen,

Die Waerme sich zurueckzieht, die Atemzuege gekeucht werden und ratternde Geraeusche auftreten.“

Neunte Strophe:

„Moegen wir die todlose Daseinsweise verwirklichen,

Wenn verschiedene irrtuemliche Erscheinungen, beaengstigend und schrecklich –

Und insbesondere die Luftspiegelungen, der Rauch und die Gluehwuermchen – auftreten

Und die Grundlagen der achtzig konzeptuellen Bewusstseinsarten enden.“

Zehnte Strophe:

„Moegen wir eine stabile Achtsamkeit und Introspektion entwickeln,

Wenn sich das Windelement in das Bewusstsein aufzuloesen beginnt,

Das aeussere Kontinuum des Atems aufhoert, grobe dualische Erscheinungen sich aufloesen

Und eine Erscheinung wie eine brennende Butterlampe heraufdaemmert.“

Elfte Strophe:

„Moegen wir unsere eigene Natur selbst erkennen

Mit Hilfe des Yoga, der sowohl den Daseinskreislauf als auch Nirvana als leer erkennt,

Wenn Erscheinung, Intensivierung und Beinahverwirklichung sich aufloesen – die erstgenannten in die letztgenannten –

Und Erfahrungen wie das alles durchdringende Mondlicht, Sonnenlicht und Dunkelheit aufscheinen.“

Zwoelfte Strophe:

„Moegen sich das klare Licht der Mutter und das klare Licht des Kindes treffen,

Wenn sich die Beinah-Verwirklichung in das All-Leere aufloest

Und alle konzeptuellen Vervielfachungen aufhoeren und eine Erfahrung

Wie ein Herbsthimmel frei von verunreinigenden Bedingungen entsteht.“

Dreizehnte Strophe:

„Moegen wir in einsgerichteter, tiefgruendiger Meditation verankert sein,

Innerhalb der hoechsten Weisheit der Vereinigung von angeborener Glueckseligkeit und Leerheit,

Waehrend der vier Leeren, die auf das Schmelzen des mondgleichen weissen Bestandteils

Durch das Feuer der blitzgleichen Maechtigen Frau folgen.“

Vierzehnte Strophe:

„Moegen wir statt des Zwischenzustandes die konzentrierte Meditation der Illusion

Vollenden, so dass wir, wenn wir das klare Licht verlassen,

In einem vollstaendigen Freudenkoerper auferstehen, der in der Pracht der Schoenheiten und Merkmale eines Buddha erstrahlt

Und der aus dem reinen Wind und Geist des klaren Lichtes des Todes hervorgeht.“

Fuenfzehnte Strophe:

„Wenn durch Karma verursacht ein Zwischenzustand hervorgerufen wird,

Moegen irrtuemliche Erscheinungen gelaeutert werden

Durch das sofoertige Analysieren und Erkennen der Abwesenheit von inhaerenter Existenz

Des Leidens der Geburt, des Todes und des Zwischenzustandes.“

Sechzehnte Strophe:

„Moegen wir in einem Reinen Land wiedergeboren werden

Mit Hilfe des Yoga, der das Aeussere, das Innere und das Geheime umwandelt,

Wenn verschiedene Anzeichen – die vier Klaenge der Umkehrentwicklung der Elemente,

Die drei furchterregenden Erscheinungen und Unsicherheiten – auftreten.“

Siebzehnte Strophe:

„Moegen wir mit der unuebertrefflichen Lebensgrundlage eines Praktizierenden des Tantra wiedergeboren werden und den Himmelsraum nutzen,

Oder im Koerper eines Moenches, einer Nonne oder eines Laienpraktizierenden und ueber die drei Uebungen verfuegen,

Und moegen wir die Verwirklichungen der Wege der zwei Phasen der Entwicklung und der Vollendung vervollstaendigen

Und auf diese Weise rasch die drei Koerper eines Buddha erlangen – den Wahrheitskoerper, den Vollstaendigen Freudenkoerper und den Emanationskoerper.“

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  1. Und ich werde gehen. Und die Voegel werden bleiben

    und singen;

    und bleiben wird mein Garten, mit seinem gruenen Baum

    und seinem weissen Brunnen.

    Jeden Abend wird der Himmel blau und friedlich sein

    und laeuten werden, wie heute abend,

    die Glocken vom Kirchturm.

    Sterben werden jene, die mich liebten;

    und das Dorf wird neu jedes Jahr;

    und in jener Ecke meines weissbluehenden Gartens

    wird mein Geist heimwehtrunken umherirren…

    Zitiert aus: J.R.Jimenez, Herz, stirb oder singe. Gedichte, spanisch und deutsch. Zuerich 1958

  2. „Was du tun musst, wenn du ungeduldig bist“, fuhr er fort, „ist dies: Wende dich nach links und frag deinen Tod um Rat. Ungeheuer viel Belangloses faellt von dir ab, wenn dein Tod dir ein Zeichen gibt, wenn du einen Blick auf ihn werfen kannst, oder, wenn du einfach das Gefuehl hast, dass dein Begleiter da ist und dich beobachtet.“

    Wieder beugte er sich herueber und fluesterte mir ins Ohr, dass ich, wenn ich mich auf sein Zeichen hin ploetzlich nach links wendete, noch einmal meinen Tod auf dem Felsen sehen koennte.

    Er gab mir mit den Augen ein kaum wahrnehmbares Zeichen, aber ich wagte nicht, hinzuschauen.

    Ich sagte ihm, dass ich ihm glaubte und dass er nicht laenger bei diesem Thema verweilen solle, weil ich Angst haette.

    Er lachte schallend und aus vollem Hals, wie es seine Art war. Er antwortete, dass wir uns nie gruendlich genug mit der Frage unseres Todes befassten. Und ich wandte ein, dass es fuer mich sinnlos sei, ueber meinen Tod zu gruebeln, da ein solcher Gedanke mich nur belasten und aengstigen wuerde.

    „Du redest Unsinn!“ rief er. „Der Tod ist der einzige weise Ratgeber, den wir haben. Immer wenn du, wie es bei dir meistens der Fall ist, das Gefuehl hast, dass alles falsch laeuft und dir das sichere Ende bevorsteht, dann wende dich an deinen Tod und frage ihn, ob das zutrifft. Dein Tod wird dir sagen, dass du unrecht hast; dass nichts wirklich wichtig ist, ausser seiner Beruehrung. Dein Tod wird dir sagen: „Ich habe dich noch nicht angeruehrt.““

    Reise nach Ixtlan, Frankfurt/Main 1975, S.46-47.

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