Meine zweite Reise mit meinem Gatten, von 11. August bis 12. September im Jahr 2010. Schon bei der Abreise im März wusste ich im meinem tiefsten Herzen, dass ich wiederkehren würde, ich wusste jedoch nicht wie schnell. Mein Mann wollte Dr. Himmelbauer aufgrund meiner vielen Erzählungen kennen lernen. Zum damaligen Zeitpunkt war mein Mann schon krank, jedoch hatten wir keine Diagnose. Wir buchten ein Gespräch im Mai in OÖ. wo wir ein ausführliches Gespräch hatten bezüglich Krankheit, wir wurden eingeladen, so schnell wie möglich nach Otorongo zu kommen, um ja keine Zeit zu verlieren. So flogen wir im August in den Dschungel Perus. Ein paar Tage später die erste Ayahuasca Zeremonie mit Dona Isabella, die meist am Abend um 19 Uhr stattfindet. Mein Mann trinkt, aber ihn hört man kaum, jeodch muß er unentwegt „nießen“. Die Medizin war vorsichtshalber angepasst worden, weil niemand im vorhinein wusste, wie er reagiert. Die Medizin bahnt sich bei mir ihren Weg tief nach unten. Wie schon die ersten Male eine Schlange die sich mühsam durch das Unterholz schlingt und kämpft. Viele Fratzen erscheinen auf der Bildfläche, sie verhöhnen mich, so fühle ich es. In den Augenblicken, wo ich heftig erbreche, höre ich im Hintergrund immer wieder die Aufforderung: “ Erinnere dich!“ „An was?“, frage ich immer wieder. Bei der Besprechung am nächsten Tag bekomme ich verschiedene „Hexenaufgaben“. Nachmittags gehen wir zum Medizinbaum und dann zur Lichtung, wo der Herr des Waldes wohnt mit Namen Chullachaqui . Wir stellen uns vor und erbitten sein Wohlgefallen. Beim Mutterbaum äußern wir keine Bitte, ich lege meine Stirn an dem Baum und ich fühle mich weit weggetragen in andere Dimensionen, aber durch das Donnern und angehende Gewitter müssen wir gehen. Heute kommt Don Luis, seine Medizin ist das Schwarzer-Jaguar-Ayahuasca, sie zerfleischt dich mit ihren Krallen und lässt dich nicht los. Nur wer sie kennt, weiß, wovon ich spreche. Was muss mein Mann fühlen?, frage ich mich, wenn er mich so schreien hört. Die Schwarze bahnt sich ihren Weg durch die Gedärme, wo will sie hin? Die Übelkeit, das Zittern, die hässlichen Fratzen: was wollen sie von mir ? Ich erbreche und es schreit aus mir, dass ich mich selbst nicht mehr erkenne. Ich sehe Geweihe in jeder Form immerzu, egal was ich mache, meine Füße scharren im Sand. Die Zeremonie ist zu Ende, aber vor dem Tempel überfällt es mich wieder, mein Prozess ist nicht zu Ende. So wird mir ein Sessel unter den Po geschoben, ich kriege nichts mit. Iris, eine Teilnehmerin, spricht mir lieb zu, Roswitha schreit mich an, sie sagt: „Du brauchst das, denn du zerfließt in Selbstmitleid“. Ich könnte explodieren durch diese Worte, sie hat keine Ahnung von meinem Leben. Meine Schreie hallen durch Otorongo um 23 Uhr nachts. Es wird kaltes Wasser aus dem Bach über mich geschüttet, um die Energie zu unterbrechen, aber es macht mich noch zorniger. Mein Mann hat wohl den Schauplatz verlassen, der Arme, was mag er wohl denken? Dona Eugenia bringt mich zu Bett, sie zündet eine Kerze an und massiert mich mit Creme. Nächster Tag: Besprechung. Dr. Himmelbauer fragt ob jemand in meiner Familie Jäger ist? Ja, mein Vater war Jäger, er ist ja bereits verstorben. Haben Sie Geweihe im Haus oder andere Utensilien vom Vater? Ja! Sofort weg damit, das ist der Fluch der Tiere. Der Fluch ging vom Vater nach seinem Tod auf mich über, alles wegschaffen, ja, aber warum? Der Vater findet keine Ruhe, er ist ein Getriebener. Ich solle die Tiere um Verzeihung bitten, ich bin diejenige, die dies kann. Tage darauf kommt Don Luis ein zweites Mal mit Himmels – Ayahuasca um den angefangenen Prozess zu beenden, ich bin im Universum und die Sterne blinken nur für mich. Wir vereinbaren, dass ich sechs Tage Diät mache, den Windbaum – gute Gedanken. Dazu gehe ich in die Diäthütte die ca. 200 Meter entfernt steht. Dazu muss man durch den Dschungel gehen das für mich aber kein Problem darstellt, ich liebe den Dschungel. Es wird alles eingerichtet, sodass ich 6 Tage wohnen kann, wohlgemerkt alleine, ohne sozialen Kontakt. Das Essen wird mir zweimal am Tag gebracht, um 10 und 16 Uhr Fisch vom Rost ohne Salz. Die Diät ist ohne Salz und Zucker, nur Reis, Kochbanane, Kartoffel, gekochtes Wasser, Rohkost. Mein Mann darf mich besuchen, und Dr. Himmelbauer kommt jeden Tag zum Gespräch. Somit wird auch mein Mann behandelt von Dona Eugenia, die sich alle liebevoll um ihn kümmern, mit Massagen, Kräuterdampf und Nervenmedizin Chiric Sanango, welche kalte Nerven heilt. Jeden Abend wird für mich ein Lagerfeuer errichtet, das zur Reinigung der Frau gehört. Ich lese viel und tagsüber hänge ich in der Hängematte herum. Ich schreibe an meinen 500 negativen Eigenschaften, denn dies ist laut Herrn Himmelbauer die Eintrittskarte in den Schamanismus. Es regnet und die Kröten quaken um die Wette, ein wunderschöner Regenbogen spannt sich vor mir über die Lichtung, welch ein Glücksmoment, der nur für mich bestimmt ist! Am Abend wieder Feuer, ich soll es selbst entzünden, aber es will nicht so recht. Ein Mal noch, denke ich, aber dann brennt es doch. Irgendwie ist die Stimmung vor dem Haus sehr eigenartig, etwas liegt in der Luft, das ich nicht deuten kann. Ich begehe mein Ritual, der Tanz mit dem Feuer, gehe anschließend lesen. Um 19.45 mache ich das Licht klein, denn ich habe heute beschlossen die Öllampe brennen zu lassen, warum, weiß ich nicht. Da sehe ich draußen auf der Lichtung eine Taschenlampe, soll da der Wächter schauen, ob alles in Ordnung ist ? Beruhige dich, sagt eine Stimme, geh schlafen. Des Nachts sind die Tiere ganz nah, ich will nicht wissen, welche hihi… es raschelt im Gebälk. Nächsten Tag beim Gespräch sagt Dr. Himmelbauer es könnte der Chullachaqui gewesen sein, er hat nach mir gesehen. Mein Mann soll sich überlegen ob er mehrere Monate bleiben will, es wäre angebracht, er hat eine massive Nervenerkrankung. Ich träumte nach einer Zeremonie: ich sehe zwei frischgedeckte Särge, ich stehe davor. Einer davon war, mit dem heutigen Wissen, meine Mutter, die 2011 verstarb. Mein Mann erhielt nach unserem Aufenthalt im Jänner 2011 die Diagnose ALS und zugleich war dies auch sein Todesurteil, denn diese Nervenerkrankung ist tödlich. Was für eine Tragödie. Wir waren 43 Jahre ein Paar. 2013 verlässt mein Mann diese Welt nach 4 Jahren intensiver Pflege, die meine Tochter und ich ihm gemeinsam schenkten. Heute weiß ich, warum ich nach Peru kam nach Otorongo zu Dr. Himmelbauer, die Madre – die Königin des Dschungels. Sie hatte mich gerufen, um mich vorzubereiten auf das Kommende. Danke Wolfgang.
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Wieso tut man sich das an?
Diese Frage ist nicht nur auf Ayahuasca zutreffend. Sie trifft auf alles zu, was wir uns im Leben antun. Diese Frage berührt uns jeden Tag, sie berührt uns stündlich. Sie kann der Auslöser sein für eine Zeit des Nichtstuns, den sprichwörtlichen Rückzug in die Diäthütte von Otorongo, in die Wildnis, für ein Unterfangen des Nicht mehr Tuns oder, wie es das Vorhaben der Tolteken formulierte, das Streben, die Welt anzuhalten. Der Moment des Sehens. Die Buddhisten, 2600 Jahre früher, nannten es das Unterfangen des Aufwachens. Die meiste Zeit über wäre es doch ratsam, sich hinzusetzen und die Hände in den Schoß zu legen. Und natürlich zu schweigen. Den Traum der Australianer träume auch ich. Das einzige Volk, das nicht produzierte. Eine Sammlerkultur. Die einzige, von der wir noch wissen.
Warum tue ich mir das an? Die Frage ist gleichbedeutend mit der Frage, warum gehe ich als Gläubiger zur Messe. Diese Frage ist andererseits nicht gleichbedeutend mit der Frage, warum sehe ich mir im Burgtheater eine blutstrotzende Shakespeare-Inszenierung aus den Händen von Claus Peymann mit Gert Voss an? Die Frage bei Gert Voss lautete, warum wohnte ich seiner Darstellung bei? Dies ist sehr wohl eine zentrale Frage, denn Gert Voss, der Bedankte, ist nicht mehr, so wie auch nicht dessen Gattin, die ihren Mann sosehr liebte. Die Frage bei Ayahuasca in Otorongo lautet, warum bin ich dermaßen mutig? Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich über die Jahre dann in harmonischer Weise. Ich verstehe, was moralisches Leiden ist. Ich verstehe langsam, warum ich leide. Es ist bereits schwer genug, mir dies einzugestehen. Ich ahne das Ausmaß. Und gleichzeitig sagte Brigitta immer wieder: „Danke, daß ich hier atmen darf und kann. Hier will ich begraben sein.“